Das Auto steht vollbepackt vor dem Bauernhaus im Oberseetal oberhalb von Näfels. Bald geht es wieder einmal los auf die Alpstafel Rautihütten, die rund 25 Fahrminuten entfernt auf 1637 m ü M. liegt. Zwar ist es für Myrtha Fischli-Good Alltag, über den Sommer regelmässig zwischen dem Heimbetrieb und der Alp Obersee-Rauti mit ihren zwei Stafeln Änziunen und Rautihütten zu wechseln.

Logistisch herausfordernd

Aber eine logistische Herausforderung sei es auch nach 20 Jahren noch. «Oft ist nämlich das Gesuchte gerade am falschen Ort», sagt die Bäuerin lachend. Besonders knifflig sei es jeweils bei den Lebensmitteln und bei der Wäsche (wo kochen? Wo ist was vorhanden?). Noch umständlicher sei es gewesen, als die drei Kinder noch klein waren. «Einmal hatten wir einen Nuggi vergessen», erinnert sich Fischli. Eine kleine Tragödie. Schliesslich seien sie zurückgekehrt, um ihn zu holen. Allerdings hätten die Kinder schon früh gelernt, selbständig zu sein und mitanzupacken.

Ob auf dem Heimbetrieb oder auf einer der beiden Stafeln: Fischlis übernachten immer da, wo ihre rund 30 Milchkühe grasen. Um sie zu melken und aus der Milch Ziger und Anken zu machen. Während der Saison stellen sie auf den Rautihütten etwa 800-1000 kg Alpziger her, im Winter kommt die Produktion von Ankenziger, eine Mischung aus Alpziger und Butter, dazu. Den grössten Teil der Milch verkauft die Familie an einen benachbarten Betrieb zur Alpkäseherstellung.

Fischlis sind die letzten, die noch eigenhändig den unverkennbaren Glarner Alpziger herstellen. Früher konnten sie damit die Glarner Schabziger AG (GESKA) beliefern. Doch weil sie als einzige Produzenten verblieben waren, war 2015 Schluss damit. «Wir wollten dennoch weitermachen. Das hiess jedoch, fortan auf Direktvermarktung zu setzen», erzählt die 37-Jährige.

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Von Mels nach Näfels

Das Wagnis gelang: Ihr Mann Siegfried widmet sich weiterhin dem Zigerhandwerk, und Myrtha hat einen treuen Kundenstamm aufgebaut, der sich hauptsächlich aus Geschäften, Hofläden, Privaten, Milchzentralen und Gastronomiebetrieben zusammensetzt. Die Kunden in der Nähe beliefert Fischli selbst. Weil sie Freude am Kontakt habe, sagt sie.

Komplizierte Verhältnisse

Ursprünglich kommt Myrtha Fischli aus dem St. Gallischen Mels. Den 20 Jahre älteren Siegfried hatte sie als 17-Jährige im Ausgang kennengelernt. Dieser war auf dem elterlichen Betrieb hoch über Näfels engagiert. «Damit wir unsere Beziehung leben konnten, gab es nur eins: zu ihm zu ziehen», so Myrtha. Damals absolvierte die Bauerntochter die Ausbildung als Fachbetreuerin Gesundheit in der psychiatrischen Klinik in Pfäfers. Das Paar heiratete und gegen Ende von Myrtha’s Lehrzeit kam das erste Kind zur Welt.

Eigentlich hätte sie sich gerne zur Pflegefachfrau FA weiterbilden lassen. «Aber mit einem Kleinkind wäre die mehrjährige Ausbildung zu kompliziert gewesen», erzählt sie weiter. Kompliziert war es allerdings auch sonst: Siegfried und Myrtha konnten zwar nach der Heirat den Milchviehbetrieb erwerben. Doch das Wohnhaus mit den beschränkten Platzverhältnissen mussten sie mit seinen Eltern teilen. Für beide Familien zusammen gab es nur ein einziges Badezimmer. Zudem lagen die Schlafzimmer des jungen Ehepaars und der Schwiegereltern direkt nebeneinander. «Was das bedeutet, weiss nur jemand, der das Gleiche erlebt hat», sagt sie.

Nicht zuletzt deshalb habe sie sich jeden Frühling gefreut, wieder z Alp zu gehen und als Familie unter sich zu sein. Vor rund 10 Jahren konnten Myrtha und Siegfried schliesslich ein neues Haus bauen. Der obere Stock für sie selbst, inzwischen eine Familie mit drei Kindern, die Schwiegereltern mit lebenslangem Wohnrecht zogen in den unteren Stock.

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Zahlen und Analysen

Myrtha Fischli gelang es doch noch, sich beruflich weiterzuentwickeln. Als die Kinder klein waren, konnte sie es sich einrichten, einmal wöchentlich den offenen Bäuerinnenkurs in Ziegelbrücke zu besuchen. Später schloss sie als Bäuerin mit Fachausweis ab, es folgte das Meisterdiplom. «Allerdings haben mich Fächer wie Hauswirtschaft oder Kochen nie besonders interessiert», stellt sie klar. Vielmehr ziehe es sie zu Zahlen und Analysen hin. Gerne hätte sie einen neuen Betriebszweig ausgetüftelt, einen Hofladen eingerichtet. Doch in der abgelegenen Bergzone habe sich die gegebene Betriebsstruktur als am sichersten erwiesen.

Fischli will jedoch nicht ungelebten Träumen nachtrauern. «Es ist schön, wie wir es haben», sagt sie. Sie wisse es zu schätzen, dass sie trotz des schwierigen familiären Hintergrunds ein enges Verhältnis zu Siegfried und ihrer Familie hat. Und die Kinder, inzwischen fast erwachsen, kämen immer noch gerne mit auf die Alp. Der Älteste, der zurzeit eine Lehre als Landwirt absolviert, sei nun immer mehr im Familienbetrieb involviert.

«Unsere abgelegene Lage und zeitlichen Ressourcen erlauben kein ausgedehntes Sozialleben», sagt sie. Umso wichtiger sei die Familie. Doch für gelegentliche Geselligkeit auswärts ist dennoch gesorgt: Als Präsidentin des Landfrauenvereins Näfels/Oberurnen ist Myrtha Fischli auch unten im Tal gefragt.

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Fünf Fragen an Myrtha
 
Sind Sie ein Nacht- oder ein Morgenmensch?
Ich bin eindeutig ein Nachtmensch. Es fällt mir leicht, spätabends noch zu arbeiten. Dagegen habe ich Mühe, morgens früh zu beginnen.

Welches ist Ihre Lieblingsmusik?
Ich habe ein breites Spektrum, von Volksmusik bis zu modernen Stilen.

Lesen Sie gerne?
Sehr! Am liebsten mag ich Heimatromane.

Haben Sie eine Traumdestination?
Ich würde gerne einmal nach Irland oder Schottland reisen.

Welches ist Ihr Lieblingstier?
Die Kuh – besonders das Original Braunvieh, wie wir es auf dem Betrieb haben.