Es war ein spontaner Entscheid: «Paff, das mache ich, das ist mein Ding», beschloss Susanna Brönnimann, als sie eine Radiosendung über «Slowflowers» hörte. Viele Jahre hatte die Bernerin als Oberstufenlehrerin gearbeitet. Nun gönnte sie sich ein Jahr Pause und spürte, dass sie sich künftig auf dem Hof etwas aufbauen wollte.

Das Ziel ist, mehr Wertschöpfung zu erzielen

Der Hof Düttisberg, den Beat und Susanna Brönnimann bewirtschaften, liegt etwas ausserhalb von Burgdorf BE auf 600 Metern über Meer. Es ist ein Milchwirtschaftsbetrieb mit etwa 50 NZ-Holstein- und Kiwicross-Kühen, rund 27 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und Wald. Schliesslich plante Susanna Brönnimann, mit nachhaltigen Schnittblumen einen weiteren Betriebszweig aufbauen. «Wir wollten und brauchten mehr Wertschöpfung auf dem Hof – auch, weil mein Lohn aus der unselbstständigen Tätigkeit wegfiel», erzählt sie bei einem Kaffee in der Stube des alten Bauernhauses.

Ein Probejahr für Blumen und drei wichtige Fragen

«Ich habe mir für das Projekt ein Probejahr gegeben», erzählt sie weiter. In diesem Jahr wollte sie drei Fragen klären. Zum einen, ob sie die Arbeit körperlich schaffen kann. Zum Zweiten, ob es eine Nachfrage für nachhaltige Schnittblumen gibt. Und zum Dritten, wie es ist, den ganzen Tag mit dem Ehepartner und fast immer alleine auf dem Blumenfeld zu arbeiten.

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Auf einer Wiese nahe dem Wohnhaus legte sie die ersten sechs Beete an. «Ich las viele Bücher rund ums Thema. Mein Schwerpunkt in der Weiterbildung lag in diesem ersten Jahr beim Blumenanbau und ich wurde rasch Mitglied der Slowflower-Bewegung. «Dort findet ein reger Wissens- und Erfahrungsaustausch statt», so Susanna Brönnimann. Zusätzlich belegte sie Online-Kurse beim deutsch-holländischen Demeter-Blumengärtner Arien Huese. Sie lernte viel über die meisten Bereiche des Blumenanbaus und entdeckte neue Blumensorten. 

Die Bilanz nach dem Probejahr: Es funktionierte in allen drei Bereichen. Susanna Brönnimann, die als Lehrerin bislang vor allem drinnen gearbeitet hatte, kam mit der körperlichen Arbeit draussen zurecht. «Die Blumen sind eine One-Woman-Show», stellt sie klar. «Ich bekomme pro Jahr von Beat und einem unserer beiden Söhne rund 20 Stunden Hilfe, den Rest stemme ich alleine.» 

«Der Märit ist wie ein kleiner Treiber»

Da Beat und Susanna Brönnimann sowieso jeden Donnerstag auf dem Märit in Burgdorf einen Stand mit Milchprodukten haben, bieten sie dort auch Blumensträusse an. «Eine Floristin sprach mich auf die schönen Blumen an und ich fragte sie spontan, ob ich solche für sie anbauen solle», erinnert sich Susanna Brönnimann. Die Floristin sagte zu und die Blumenbäuerin hatte eine erste feste Kundin, abgesehen von den Spontanverkäufen auf dem Märit. 

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«Der Märit ist wie ein kleiner Treiber», so Susanna Brönnimann. «Dort biete ich eher günstige Alltagsfloristik an und es ist eine niederschwellige Werbeplattform.» Damit die Arbeit trotzdem profitabel bleibt, hält sich bei den Märit-Sträussen an ein striktes «Zeitbudget»: 30 Minuten fürs Blumenschneiden, 15 Minuten fürs Rüsten, 30 Minuten zum Binden. «Sonst verdiene ich nichts.» Und wenn einmal kaum ein Strauss weggeht? «Da muss man sich eine etwas dickere Haut zulegen», meint Brönnimann mit einem Achselzucken. 

Das grosse Wissen weitergeben

Gleichmässiger sind die Verkäufe über andere Kanäle: So beliefert sie etwa auch eine zweite Floristin. «Wichtig dabei ist, dass die Kundinnen mich nicht nur für die Blumen bezahlen, sondern auch für die Lieferung», betont Susanna Brönnimann. Zusätzlich bietet sie Blumen-Abos an: Privatpersonen oder auch Organisationen bekommen je nach Abo wöchentlich, alle 14 Tage oder einmal im Monat einen Blumenstrauss geliefert oder holen ihn ab. Die Kosten? Zwischen 30 und 50 Franken pro Strauss. 

Dazu kommen individuelle Bestellungen für besondere Anlässe, etwa den Muttertag, den Advent, Winterkränze, Hochzeiten oder das traditionelle Burgdorfer Fest «Solennität» jeweils Ende Juni. Ein weiteres Standbein sind Anlässe und Workshops auf dem Hof. Kombiniert mit einem Kaffee oder Apéro gibt Susanna Brönnimann ihr Wissen rund ums Blumenpflücken, -rüsten, -stecken und -binden weiter. «Da kommt mir mein Beruf als Lehrerin entgegen», sagt sie. 

Zum Start nur kleine Investitionen

Susanna Brönnimann hat das Blumenfeld inzwischen auf rund 450 Quadratmeter erweitert und die Fläche in 50 Beete unterteilt. «Es kamen glückliche Zufälle dazu», sagt sie. So habe eine Gärtnerei geschlossen und sie von dort viele junge Stauden übernehmen können. 

Sie stellte ein kleines Gartenhaus auf und terrassierte einen Teil des Geländes. «Ich habe mir überlegt, was ich brauche, um durchs Blumenjahr zu kommen.» Einsteigerinnen rät sie, am Anfang nur kleine Investitionen zu tätigen – und das Blumenfeld nicht zu gross anzulegen. Bewässerung sei bei ihr kein grosses Thema. Neben dem Blumenfeld steht ein altes Bschüttifass, an das sie bei Bedarf einen Schlauch hängt. «Doch diesen Sommer habe ich es nur dreimal gefüllt.» 

Ein Rundgang über das Blumenfeld zeigt: Es blüht noch viel. Auch beim Blumenanbau ist eine Fruchtfolge wichtig, da vor allem Korbblütler wie etwa Astern anfällig für Krankheiten sein können und andere Arten wie Tulpen von einem Wechsel der Parzelle profitieren. «Doch Gemüse und Blumen sind nicht das Gleiche, die Pflanzen haben andere Ansprüche und die Saisonalität ist grösser», weiss Susanna Brönnimann mittlerweile. 

Als Dünger gibt sie Kompost auf die Parzellen, dazu Stein- und Hornmehl sowie Pflanzenjauchen. «Manchmal braucht es etwas Nerven», sagt sie lächelnd. «Im Frühling hat es an einigen Pflanzen viele Blattläuse, doch das vergeht.» Im Herbst achtet sie darauf, über den Winter so wenige Beete wie möglich leer zu lassen. Diese deckt sie jeweils mit Laub und Pflanzenresten ab. 

Der Schwerpunkt liegt auf der Floristik

Während Susanna Brönnimann ihn ihrem ersten Blumenfeld-Jahr viel über den Anbau lernte, legte sie im zweiten Jahr den Schwerpunkt der Weiterbildung auf die Floristik. «Ich besuchte Kurse bei Menschen, die sich in der gleichen Blumenwelt bewegen wie ich: mit saisonalen, standortgerechten (Bio-)Pflanzen und nachhaltigen Verarbeitungsarten, ohne Plastikverpackungen oder Steckschaum.» 

Das brauche unter Umständen ein Umdenken, sagt Brönnimann. «In einer nachhaltigen Floristik muss man vom engen Schema der Tankstellen-Shop-Blumen wegkommen.» Sie lernte unter anderem, natürlichen Materialien zum Stecken zu verwenden, etwa Zweige von Pflanzen wie Thymian oder Farn. Oder Hopfen-Ranken als Basis für einen Kranz: «So ein Kranz kann man, jeweils frisch bestückt, jahrelang weiterverwenden.»

Übers Jahr gerechnet, entspreche die Arbeit rund ums Blumenfeld einem 50-Prozent-Job, schätzt Susanna Brönnimann, auch wenn es im Winter deutlich ruhiger ist. «Doch ich brauche diese Jahreszeit, um neue Projekte in Angriff zu nehmen», sagt sie. «Denn Blumen sind ein Luxusprodukt und die Gesellschaft verändert sich ständig, da muss man anpassungsfähig bleiben.»

Zurück beim Haus, zieht der Duft des baldigen Mittagessens nach draussen. Ehemann Beat Brönnimann hat gekocht. Für Susanna Brönnimann stimmt der Betriebszweig Blumen. «Doch ich achte gut auf meine Kräfte und die Zeit, die ich investiere», sagt sie. «Und man muss wissen, dass es gerade am Anfang Geduld und Ausdauer braucht.» 

Beetplanung ist wie Tetris

Das Blumenjahr 2026 fing bei Susanna Brönnimann im Juni dieses Jahres an, als sie die Zweijährigen säte. Jeweils Anfang August müsse zudem der Beetplan fürs nächste Jahr stehen. «Das ist wie Tetris spielen», meint sie schmunzelnd: Wie kombiniert man Blumenfamilien, Blühzeiten, Ein- und Mehrjährige am besten. Eine Reihe von Beeten nutzt sie doppelt, etwa für Frühlingsblumen wie Akelei in der Mitte des Beets und Spätsommerblumen wie Chrysanthemen an den Aussenseiten. 

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Generell rät Susanna Brönniman: «viel aufschreiben, viel auswerten». Sie geht jedes Jahr gedanklich durch alle Kulturen und hält in einer Tabelle fest, was sich bewährt hat und was nicht. Dabei hält sie einerseits Augenmerk auf Eigenschaften wie Gesundheit, Wuchsform, Blüte und andererseits auch auf die Vermarktung – was läuft gut, was verkauft sich gut. Aufwand und Ertrag müssen in einem guten Verhältnis sein. Auf einer weiteren Tabelle ist die Beetplanung festgehalten, eine dritte zeigt an, was wann gesät und gesetzt werden soll und wann etwa die entsprechenden Blumen blühen. 

«Wichtig ist, sich bei der Arbeit nicht zu verzetteln und klare Prioritäten zu setzen, die zu einem passen.» Dazu sollte man sich einige Fragen stellen, wie etwa: 

  • Was für ein Blumenmensch bin ich? Eher introvertiert oder extrovertiert? Bin ich marktaffin? Welche berufliche Vorbildung bringe ich mit? Bin ich Gestalterin oder Gärtnerin oder beides?
  • Was genau biete ich an? Vielleicht statt der Blumenproduktion nur die Samenproduktion. Oder ich spezialisiere mich auf die Verarbeitung. Oder auf eine oder zwei Hauptkulturen.
  • Wie komme ich zu den Abnehmern? Ist Direktverkauf ein Thema oder ein Selbstpflückfeld? Kann man Synergien nutzen, etwa in der Zusammenarbeit mit einem Naturpark oder in Form von Kooperationen mit anderen Geschäften?
  • Wie gross ist das Zeitbudget? Wie stark ist man in andere Verpflichtungen wie Kinder und Familie, auswärtige Arbeit und Arbeiten auf dem Hof eingebunden? Bleibt saisonal oder ganzjährig Zeit für Weiterbildung?