Strahlendes Kind vor dem Weihnachtsbaum. Weinendes Kind, weil ein Geschwister von seinem Schoggi-Samichlaus abgebissen hat. Verständnislos blickendes Kleinkind, weil Mami ganz begeistert fotografiert, wie es im Festtagskleid auf dem Töpfchen sitzt.

Kinderfotos im Internet zu teilen, ist nicht nur an den Festtagen beliebt. Doch sobald die Bilder einmal veröffentlicht sind, verliert man oft völlig die Kontrolle darüber. «Sharenting», wie das Teilen von Bildern auf den sozialen Medien genannt wird, birgt Risiken und Nebenwirkungen.

«Gewisse Sicherheitsmassnahmen kann man vornehmen», sagt Tamara Parham, Leiterin Kommunikation und Partnerschaften bei der Stiftung Schweizer Kinderschutz. Dazu gehört unter anderem, seinen Social-Media-Account auf «Privat» zu stellen. So weiss man, wer die Fotos sieht. «Ob aber jemand von einem Beitrag einen Screenshot macht und diesen dann anderweitig hochlädt, weiss man in der Regel nicht.»

Schwer nachzuverfolgen

Kann man nicht nachverfolgen, welchen Weg die Fotos nehmen? «Das ist sehr schwierig», erklärt Tamara Parham weiter. Man könne es mit der umgekehrten Bildersuche via Google versuchen. «Doch die funktioniert nicht einwandfrei und unter anderem können in den sozialen Medien nur öffentliche Profile durchsucht werden.»

Also alle Fotos der Kinder im Netz löschen? Tamara Parham winkt ab, das sei kaum möglich. Zum einen weiss man nicht, wer die Bilder vor dem Löschen gespeichert hat. Zum anderen verfügen Dienste und Plattformen über Cache-Speicher oder Back-ups, wo Kopien eines gelöschten Bildes unter Umständen gefunden werden. «Viele Plattformen haben zudem Server in verschiedenen Regionen der Welt. Diese dezentralisierten Speichermechanismen können dazu führen, dass ein Bild weiterhin zugänglich bleibt, selbst wenn es an der Quelle gelöscht wurde.»

Vielen Eltern und Grosseltern ist zudem nicht bewusst, was mit den Bildrechten geschieht, wenn man Fotos auf Instagram oder Facebook postet: Sie haben bei den AGB zugestimmt, dass sie den Plattformen viele Rechte einräumen. Das Risiko besteht, dass gepostete Fotos weltweit verwendet werden.

Auch bei Gruppenchats ausserhalb der Familie ist Vorsicht angebracht. Tamara Parham: «Bei allen Gruppenchats sollten die Mitglieder darüber informiert werden, wie die im Chat verschickten Bilder gehandhabt werden sollen.» Denn gerade in Vereins- oder Dorf-Chats kennt man nicht jede und jeden wirklich gut.

Und wie sieht es bei Familienfotos auf den Websites von Landwirtschaftsbetrieben aus? Da meist auch die Adresse des Hofs angegeben ist, sind auch solche Bilder nicht ganz risikolos. «Schlimmstenfalls könnte dies zu Belästigungen im realen Leben führen», so Tamara Parham. Sind die Kinder noch klein, sollte daher darauf geachtet werden, dass sie nicht erkennbar von vorn dargestellt werden oder ihr Gesicht mit einem Emoji verdeckt wird – zum Schutz ihrer Privatsphäre. Ältere Kinder können ihr Einverständnis zu den Fotos und deren Verwendung geben.

Checkliste durchgehen

Vor dem Teilen von Kinderfotos im Netz empfiehlt der Schweizer Kinderschutz die folgende Checkliste:

  • Besitze ich das Recht und das Einverständnis, das Bild zu verwenden? Ist das Kind noch zu klein, um sein Einverständnis zu geben, liegt es in der Verantwortung der Eltern, eine für das Kindeswohl angemessene Entscheidung zu treffen.
  • Wird das Kind durch die Abbildung gefährdet, etwa weil persönliche Daten publiziert werden?
  • Wird das Kind auf dem Foto blossgestellt?
  • Wird das Kind in einer intimen Situation gezeigt, wie beim Weinen, Schlafen oder auf dem WC oder durch Nacktheit oder Pose in einer nicht unverfänglichen Weise?
  • Ist das Kind auf dem Bild klar erkennbar?
  • Wäre ich selbst auf dem Bild, möchte ich, dass das Foto so geteilt wird?
  • Und nicht zuletzt die Frage: Bringt es dem Kind etwas, wenn ich dieses Bild teile, oder stille ich dabei nur meine eigenen Bedürfnisse?

Um Kinder zu schützen, schlägt Kinderschutz Schweiz zudem folgendes Vorgehen vor:

Einstellung anpassen: Den Social-Media-Account auf «Privat» einstellen. So verhindert man, dass Fremde Bilder und Videos sehen.

Anonymität wahren: Möglichst keine Informationen wie Namen, Alter, Wohnort oder Schule des Kindes ins Netz stellen. Verzichtet man zudem darauf, das Gesicht des Kindes zu zeigen, lassen sich dessen Anonymität und Privatsphäre besser schützen.

Medienkompetenz aufbauen: Sich regelmässig über Neuerungen auf den sozialen Medien und im Internet informieren, mit den Kindern darüber sprechen und sie bei der Nutzung begleiten.

Richtlinien erstellen: Klare Regeln in der Familie und im Freundeskreis aufstellen, wie mit Fotos und Videos von Kindern umgegangen wird. So schützt man nicht nur die Kinder, sondern vermeidet auch Konflikte.

Folgen nicht absehbar

Ist ein Foto erst einmal im Internet, lebt es «ewig». Das heisst, der vermeintlich herzige Schnappschuss eines Zweijährigen auf dem Häfi existiert auch noch, wenn das Kind ein Teenager ist. Vielen Jugendlichen sind entsprechende Bilder dann sehr peinlich. Es kommt zudem immer wieder vor, dass solche Fotos für Mobbing genutzt werden, sei es in der realen oder in der digitalen Welt. Denn auch «harmlose» Bilder lassen sich selbst von Laien digital nachbearbeiten. Schlimmstenfalls werden die Fotos für illegale Pornografie und für Erpressungen genutzt.

Nicht vergessen werden darf: Gemäss UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder ab Geburt ein Recht auf Privatsphäre. Jeder von uns hat zudem das Recht am eigenen Bild. «Dies bedeutet, dass jede und jeder in der Regel darüber entscheiden kann, ob und in welcher Form ihr oder sein Bild aufgenommen und veröffentlicht werden darf», wie der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte festhält.

Weitere Informationen: www.kinderschutz.ch

In Zahlen

  • 759 Milliarden Fotos finden sich im Internet.
  • 81 % der Kinder in Industriestaaten hatten bereits vor über zehn Jahren noch vor ihrem zweiten Geburtstag einen digitalen Fussabdruck.
  • 45 % der Eltern fragen ihre Kinder, ob sie ein Bild von ihnen posten dürfen. Jeder zehnte Elternteil postet regelmässig Fotos von seinen Kindern, wie eine Studie der Universität Fribourg ergab.
  • 35 % der 12- bis 19-jährigen Mädchen machen sich Sorgen um die Sichtbarkeit persönlicher Informationen in sozialen Netzwerken, so eine Studie der ZHAW.
  • 33 % der 12- bis 19-Jährigen haben erlebt, dass Fotos oder Videos ohne ihre Zustimmung online gestellt wurden.
  • 39 % dieser Teenager sagen, das habe sie gestört.