Während viele Jugendliche im Berggebiet das Ziel haben, in die Stadt wegzuziehen, war es bei der gebürtigen Zürcherin Olivia Noggler immer umgekehrt. Sie wollte schon seit jeher im Bergdorf Sent im Unterengadin leben. «Die wunderschöne Landschaft und die Kraft der Berge beeindruckten mich schon als Kind», erinnert sich die 24-Jährige.
Anfänglich war sie noch gemeinsam mit ihren Eltern in der familieneigenen Ferienwohnung in Sent, als Jugendliche ging sie dann auch öfters alleine in das auf 1400 m ü. M. gelegene Unterengadiner Bergdorf. Olivia Noggler genoss Berge und Natur nicht nur beim Skifahren und Wandern, sie half auch dem Dorfbauer Jon Pua beim Heuen. «Die einfache Lebensweise und Zufriedenheit der Menschen in Sent beeindruckten mich schon immer.»
Ausbildung zur Milchtechnologin
Ihr Traum, in Sent einmal auf einem Bauernhof zu leben, beeinflusste auch ihren beruflichen Werdegang. Nach der Matura, die sie im Jahr 2020 abschloss, entschloss sie sich für eine Ausbildung zur Milchtechnologin, die sie in der Käserei Girenbad im zürcherischen Hinwil absolvierte. «Eine Lehre als Landwirtin stand zwar auch zur Debatte, da ich aber keinerlei Aussicht auf einen Hof hatte, verwarf ich diesen Gedanken wieder», so Olivia Noggler rückblickend.
Mit 21 Jahren ins Engadin
Den Beruf zur Milchtechnologin erlernte die junge Frau mit dem Traum, einmal in der Lataria Sent zu arbeiten. So kam es dann auch. Im Oktober 2022, also bereits mit 21 Jahren, zog sie vom Unterland ins Bündner Bergdorf und wurde von der Käsereigenossenschaft als Käserin angestellt. In dem kleinen Betrieb war sie für die Produktion von Käse, Joghurt und Quark zuständig, half aber auch im Verkaufsladen, bei der Produktauslieferung und bei der Milchannahme in der Sammelstelle mit.
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Grosse Liebe gefunden
Zweimal täglich lieferte ein Teil der Sentner Milchbauer ihre Milch, damals noch in Kannen, in die mitten im Dorf stehende Lataria. Sporadisch kam auch David Noggler, ein einheimischer Bauernsohn, mit der Milch zur Sennerei. «Mir war David zwar schon länger bekannt, persönlichen Kontakt hatten wir aber bis zu meinem Start in der Käserei nicht», erinnert sich Olivia Noggler zurück. Ihr gefiel der sportliche junge Mann. Aber auch der Unterengadiner Jungbauer kam plötzlich auffallend häufig mit der Milch seines Vaters in die Sennerei.
Gut zwei Jahre später sind die beiden verheiratet und glückliche Eltern vom drei Monate alten Luis. Das junge Paar wohnt im Dorf. David ist noch auf dem 47-Hektar grossen Bauernhof seiner Eltern Ludwig und Madlaina Noggler angestellt, die Betriebsübernahme ist in ein paar Jahren angedacht. «Ich gehe zusammen mit Luis oft in den Stall und mache da leichtere Arbeiten. Die Ruhe im Stall tut uns allen gut», so die junge Mutter.
«Schnell einkaufen zu gehen, ist nicht möglich, denn es gibt immer einen kurzen Schwatz.»
Im Dorf gut eingelebt
Olivia Noggler hat sich in Sent bestens eingelebt. Sie habe nicht nur eine neue Familie gefunden, auch im Dorf fühle sie sich wohl. «Im Gegensatz zu Bülach, wo ich aufgewachsen bin, kennt man sich hier. Schnell in den Dorfladen, um etwas einkaufen zu gehen, ist hier nicht möglich, denn es gibt immer mit jemanden einen kurzen Schwatz.» Auch den Austausch mit älteren Menschen schätzt sie sehr. Die romanische Sprache hat sie rekordverdächtig schnell erlernt. «Das hatte mehrere Gründe. Einerseits wollte ich schon immer romanisch sprechen, anderseits hat mein Mann David, nachdem wir zusammengezogen sind, kompromisslos nur noch Romanisch mit mir gesprochen. Dazu konnte ich im Verkaufsladen viel üben.»
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Im Mittelpunkt ihres Lebens steht momentan klar ihre junge Familie. Zukünftig würde sie gerne wieder in einem Teilpensum in der Sennerei mitarbeiten. Und auch ihre Zukunft auf dem Bauernhof verspricht viel Spannung. «Ich freue mich darauf, bei der Heuernte einmal auf dem Transporter und dem Zweiachsmäher zu sitzen.»
«Mein Mann David sprach mit mir nach dem Zusammenzug nur noch Romanisch.»
Die harte Arbeit erfüllt
Vorderhand sei sie aber wohl noch eher mit dem Heurechen beschäftigt, denn neben ihrem Mann David und dem Schwiegervater sind beim Heuen auch noch ein Bruder von David und die Schwiegermutter im Einsatz. «Ich muss in der Hierarchie wohl unten einsteigen und mich langsam hocharbeiten», so die junge Frau mit einem Augenzwinkern.
Doch auch die Handarbeit erfülle sie: «Es ist ein erfüllendes Gefühl, wenn am Abend eine Bergwiese fertig geheut ist und man im Tal unten die Kirchenglocke läuten hört.»
Fünf Fragen
Welche Eigenschaft ist bei Ihnen ausgeprägt?
Ich bin sehr ehrgeizig. Wenn ich etwas wirklich will, dann kämpfe ich so lange, bis ich das Ziel erreicht habe.
Was würden Sie gerne besser können?
Zuhören und mir Details aus einem Gespräch merken.
Haben Sie ein Ritual?
Ich muss jeden Morgen kurz mit dem Staubsauger durch die Wohnung. «Brösmeli» unter dem Tisch oder Heu vom Stall im Eingang kann ich nicht leiden.
Wie lautet Ihr Leitspruch fürs Leben?
«Impès culs ögls stoust verer cul cour.» – «Schau mit dem Herzen statt mit den Augen.»
Ihr Rezept für Entspannung?
Nach dem Zmittag eine halbe Stunde Kaffee trinken und Pause machen.