Es war ein neuer Rekord: 200 Frauen und Männer hatten sich im vergangenen Jahr für die Prüfung Bäuerin / bäuerlicher Haushaltsleiter angemeldet. 169 Absolventinnen und Absolventen durften am vergangenen Samstag am Plantahof in Landquart GR den Fachausweis entgegennehmen.

«Weiterbildung ist heute selbstverständlich geworden», sagte Sandra Schmid-Koch, Präsidentin «Bildung Bäuerin / bäuerlicher Haushaltleiter» beim Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV). «Wir hatten viele Anmeldungen von Frauen und Männern, die bereits zwei oder drei Abschlüsse haben.» Jede Person mit einer Weiterbildung sei eine Bereicherung für den Hof, das Dorf und die Gesellschaft. «Das bringt neue Blickwinkel.» Die Ausbildung Bäuerin decke zudem andere Bereiche ab als die Ausbildung als Landwirtin oder Landwirt. Das ergänze sich gut.

Mehr Grips statt mehr PS

Wie wichtig die Bäuerinnen für die Landwirtschaft sind, sprach auch der Bündner Regierungsratspräsident Marcus Caduff bei seinen Eröffnungsworten an. «Ihre Rolle ist entscheidend für die wirtschaftliche Stabilität der Höfe», sagte der Agronom. «Sie sind die Chefs auf dem Betrieb.» Humorvoll fügte er hinzu: «Während grosse Maschinen beim Mann fast den Verstand aushebeln, behält die Frau den Überblick.» Während er meine, mit PS fast alles regeln zu können, behalte sie den Überblick, denn die Frauen wissen: «Mit Grips kommt man weiter als mit PS.»

Karin Niederberger, die Präsidentin des Eidgenössischen Jodlerverbands und Gemeindepräsidentin von Churwalden ist, gewährte den Anwesenden in ihrem Kurzreferat einen Einblick in ihr Leben. Sie ist selbst in der Landwirtschaft aufgewachsen, auf einem Drei-Stufen-Betrieb mit viel Handarbeit. «Ich lernte zetten, flächenweise», erinnert sie sich. Nach der Schule machte sie eine Lehre als Charcuterie-Verkäuferin. «Weil ich gern Fleisch ass, und weil diese Lehre nur zwei Jahre dauerte, ich ging damals nicht gern zur Schule», erzählte sie weiter. [IMG 2]

Als ihre erste Ehe auseinanderbrach, machte die damals zweifache Mutter den Alpkäserkurs und ging elf Sommer z Alp. «Auf der Alp lernte ich führen, wir waren jeweils vier bis fünf Leute und 80 bis 90 Kühe.» Sie lernte in jenen Jahren auch ihren heutigen Mann kennen und bekam nochmals vier Kinder. Als Karin Niederberger für das Präsidentinnenamt des Jodlerverbands kandierte, musste sie merken, dass für Frauen andere Regeln gelten als für Männer. Wie sie denn so ein Amt als Mutter von sechs Kindern stemmen wolle, wurde sie in der Versammlung gefragt. «Bei einem Mann würde man diese Frage nie stellen. Und in der Bündner Landwirtschaft kennen wir das Thema nicht. Wir wissen, es geht nur zusammen.»

Sich Hilfe holen

Karin Niederberger sprach auch über schwierige Zeiten in ihrem Leben. Etwa als eine Schwester bei einem Verkehrsunfall starb, bei dem auch ihre Mutter verletzt wurde. Oder von der herausfordernden Kommunikation mit einer ihrer Töchter. «Ich will nicht so tun, als gäbe es bei mir keine Probleme», sagte sie dazu und ermunterte die Anwesenden, sich in schwierigen Zeiten Unterstützung zu holen. «Geniert euch nicht!» Sie wünschte den Absolventinnen und Absolventen den Mut, eigene Wege zu gehen, Beziehungen auf Augenhöhe zu führen und dass auf dem Hof beide Lebenspartner am gleichen Strick ziehen. «Gemeinsame Ziele sind Weg zu einem erfolgreichen Zusammenleben.»

Aus 44 Berufen

«Im Februar war bei mir wie Weihnachten, so viel Post bekam ich», sagte Chefexpertin Christine Gerber zu den diesjährigen Abschlüssen. Frauen und Männer aus 20 Kantonen sowie eine Frau aus Lichtenstein schickten ihre Prüfungsunterlagen ein. Sie kamen aus 44 verschiedenen Berufen. Die jüngste war 22, die älteste 54 Jahre alt. Bei den Prüfungen hatten 51 Absolventinnen und Absolventen einen Notendurchschnitt von 5 oder mehr.

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Neun Absolventinnen erreichten Noten von 5,5 oder mehr: Es sind Judith Pfister Judith aus Belp BE, Nadia Wigger aus Hasle LU, Valeria Galliker aus Rain LU, Isabelle Klauser aus Reutigen BE, Anita Märki aus Wil AG, Bettina Weber aus Dürnten ZH, Rita Braunwalder aus Speicher AR, Diana Schürch aus Rüegsbach BE sowie Fabienne Graf aus Buus BL (nicht auf dem Bild). Die vier besten erhielten von den Schweizer Agrarmedien, zu denen auch die BauernZeitung gehört, 500 Franken und eine Urkunde.

Die Liste aller Absolvent(innen)

Die vier Besten [IMG 4]

Am besten schloss Judith Pfister aus Belp BE mit einem Notendurchschnitt von 5,9 ab.  «Ich bin nicht auf einem Hof aufgewachsen», sagt die 29-Jährige. «Doch ich hatte schon als Kind Interesse am Buure.» Ihr Beruf brachte sie als Erwachsene den Landwirtschaftsthemen von einer anderen Seite her näher: die Biologin beschäftigte sich vor allem mit der Bienenforschung. Für die Bäuerinnenausbildung entschied sie sich, da sie und ihr Mann oft auf dem Hof der Schwiegereltern helfen, einem Schafbetrieb in Rüeggisberg BE, auf dem auch Esel gehalten werden. Ihre Projektarbeit schrieb sie daher über «Eselfleisch als Nischenprodukt». «Ich lernte in der Ausbildung Trockenwürste herzustellen. Die möchte ich künftig auch mit Schaffleisch produzieren», sagt die dreifache Mutter. An der Ausbildung schätzt sie den praktischen Nutzen. «Ich lernte viel, dass ich für unsere Familie brauchen kann.»

Valeria Galliker aus Rain LU schloss die Ausbildung mit der Durchschnittsnote 5,8 ab. «Ich habe die Ausbildung gemacht, obwohl ich noch nicht auf dem Betrieb meines Mannes mitarbeite», sagt die 27-jährige Pflegefachfrau, die in einem Spital arbeitet. «Doch ich möchte die Zusammenhänge auf dem Betrieb verstehen. In Zukunft werde ich schrittweise administrative Arbeiten übernehmen.» Ihre Projektarbeit schrieb sie über den geplanten Umbau der Küche.

Ebenfalls mit 5,8 schloss Fabienne Graf aus Buus BL die Ausbildung ab. «Ich will auf Augenhöhe mit meinem Mann Lukas sein. Aus diesem Grund habe ich die Ausbildung Bäuerin mit Fachausweis (FA) gemacht», sagt sie.  Das Ziel des Paares ist es, irgendwann einmal gemeinsam einen Betrieb führen zu können. Gefragt, wo sie sich in zehn Jahren sehe, überlegt die Bäuerin, die zudem das Masterstudium in Geowissenschaften an der Uni Basel abgeschlossen hat, eine Weile.

Bettina Weber aus Dürnten ZH gehört ebenfalls zu den vier besten Absolventinnen. Auch ihre Durchschnittsnote ist 5,8.Die Bauerntochter ist im sozialpädagogischen Bereich tätig und arbeite in der Betreuung in einem Kinder- und Jugendheim, welches einen ein Selbstversorgungshof bewirtschaftet. «Ich lebe zurzeit wieder auf dem elterlichen Milchwirtschaftsbetrieb und durfte in den letzten fünf Jahren nebst meiner auswärtigen Berufstätigkeit und Ausbildung auf dem Hof mitwirken», sagt sie. «Das Aufwachsen in der Landwirtschaft prägte mich enorm und vermittelte mir wertvolle Werte. Es gibt kaum ein Berufsfeld, dass mich so begeistert, alle meine Leidenschaften zusammenführt und meinen vollen Respekt verdient.»

Nun ist sie auf der Suche nach einem eigenen Kleinbetrieb für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung in Kombination mit sozialen Angeboten. «Die Berufsprüfung war für mich ein klares Ziel, um mich auf den Weg meines Traumes zu begeben, auch wenn es Mut und Glauben erfordert.»