Noch haben die Ferien für Sarah Elser nicht begonnen. Direkt nach dem Gespräch fahre sie auf den Biohof Zaugg, erzählt sie, um noch einiges zu erledigen. Erst danach geht es mit einigen Freunden ans Meer nach Südfrankreich. Auf dem Biohof Zaugg, einem Landwirtschaftsbetrieb in Iffwil, BE werden über 90 verschiedene Gemüsesorten angebaut und aus Demeter-Milch eine breite Palette an Rohmilchprodukten hergestellt. Seit 2020 geht die zierliche junge Frau zweimal die Woche mit den Hofprodukten auf den Markt und hilft auf dem Feld, im Büro sowie bei allen sonst anfallenden Arbeiten mit.
In Richtung Landwirtschaft orientiert
Dass sich die gebürtige Ostschweizerin auf einem Hof im Bernbiet beruflich betätigt, kam über Umwege zustande, ist aber nicht sonderlich abwegig. Seit sie denken kann, fühlt sich Sarah Elser im landwirtschaftlichen Umfeld wohl. Während ihrer Kindheit hat sie wegen ihres Hobbys, dem Reiten, viel Zeit auf Bauernhöfen verbracht und die Ferien und Wochenenden jeweils auf dem Hof des Grossonkels genossen.
Später habe sie über die Sommermonate auf den Landwirtschaftsbetrieben von Freunden ausgeholfen und Teilzeit in einer Biogärtnerei gearbeitet, erzählt Elser. Nach ihrem Masterabschluss in Kunstgeschichte, für den sie ihren Lebensmittelpunkt nach Bern verlegt hatte, war Elser jedoch hauptberuflich kuratorisch in Museen tätig. «Die endgültige Umorientierung in den Ernährungs- und Landwirtschaftsbereich erfolgte während der Coronapandemie, denn damals gab es in den geschlossenen Kulturinstitutionen nichts zu tun, auf den Höfen aber schon», erzählt die Naturliebhaberin mit dem verschmitzten Lächeln.
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Wo ist die Wertschätzung?
Die vielfältige Arbeit auf dem Biohof Zaugg macht nun einen grossen Teil von Sarah Elsers beruflicher Beschäftigung aus. Seit Anfang 2024 ist sie zudem für die Administration bei Soliterre verantwortlich, einem solidarisch organisierten Bio-Gemüse-Abo im Raum Bern. Dazu kommen verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten: «Bei Slow Food Schweiz bin ich in der Politikkommission. Bei der Kleinbauern-Vereinigung bin ich Vorstand und projektbezogen auch operativ aktiv. Zudem engagiere ich mich im selbstverwalteten Berner Quartierladen Q-Laden, in der Solawi Radiesli und bei anderen ernährungspolitischen Projekten und Initiativen», zählt Sarah Elser auf.
«So, wie ich jetzt arbeite, macht es mir enorm Spass, ich empfinde meine Tätigkeiten rund um die Landwirtschaft als sehr sinnstiftend», erzählt Elser mit glitzernden Augen weiter. Es gebe aber auch Tatsachen und Entwicklungen, die mit der Landwirtschaft, der Ernährung und allgemein der Gesellschaft zu tun haben, die sie nachdenklich stimmen. «Wenn mich ein Umstand stört, dann muss ich aktiv werden», begründet Elser ihr politisches Mitwirken. 2020 beteiligte sie sich etwa an der Organisation der Demonstration «Essen ist politisch». «Essen hat viel mit sozialer Ungerechtigkeit zu tun, in diesem Thema widerspiegeln sich gesellschaftliche Probleme», sagt Sarah Elser. Sie bedrücke der Umstand, dass gewisse Berufe so viel mehr Wert hätten als andere, die für die Nahrungsmittelproduktion elementar sind. «Essen müssen alle. Für mich läuft etwas schief, wenn die Löhne in der Landwirtschaft so niedrig sind. Das hat für mich etwas mit Wertschätzung zu tun», sagt Elser.
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Kein Zurück in die Kunst
Im sehr niedrigen Lohnniveau sehe sie eine Gemeinsamkeit zwischen der Kunst und der Landwirtschaft, ihrem früheren und heutigen Tätigkeitsfeld. Und ja, da gäbe es durchaus noch weitere Ähnlichkeiten, bestätigt Sarah Elser. Beispielsweise sei die Kunstproduktion ebenso elementar für das Wohlergehen einer Gesellschaft wie die Lebensmittelproduktion und die Landschaftspflege, wenn auch auf einer anderen Ebene. «Die Natur ist eine wichtige Inspiration für die Kunst, ich mache selbst oft Fotos, während ich draussen arbeite, weil mir viele schöne Momente mit den Tieren und Pflanzen begegnen», so Elser.
Unterschiede habe sie aber auch schon ausfindig gemacht. So könne sie bei ihrer momentanen Tätigkeit einen Auftrag am Abend abschliessen. «Wenn ich den ganzen Tag Zwetschgen abgelesen habe, weiss ich abends, was ich getan habe», sagt Elser grinsend. Das Verfassen eines Ausstellungstextes hingegen könne sich über Wochen hinziehen und man müsse die Motivation, daran zu feilen, täglich selbst finden.
Die Frage, ob sie weiterhin in der Landwirtschaft tätig sein möchte, kann die studierte Kunsthistorikerin deshalb mit einem sicheren «Ja» beantworten. Und auch auf gesellschaftspolitischer Ebene sieht Sarah Elser noch genügend Dinge, für die sie sich einsetzen möchte. Beispielsweise dafür, die verschiedenen Glieder der Ernährungskette sowie die Stadt- und Landbevölkerung wieder mehr zu verbinden.
Fünf Fragen
Welche Aufgaben gefallen Ihnen besonders gut in der landwirtschaftlichen Tätigkeit und was liegt Ihnen weniger?
Ich ernte sehr gern Beeren und Wildobst. Filigrane Tätigkeiten mit den Händen liegen mir gut. Und ich arbeite gern bei und mit Tieren, besonders Kühe und Geissen mag ich. Der Umgang mit den Maschinen gehört jedoch nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.
Welches landwirtschaftliche Thema beschäftigt Sie momentan am meisten?
Der Schutz der biologischen Vielfalt, denn sie ist die Grundlage unseres Lebens und unserer Arbeit. Der Schutz und die Bewirtschaftung unseres Landes können und müssen meiner Meinung nach Hand in Hand gehen und sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Welches Tier und welche Pflanze mögen Sie am liebsten?
OB-Kühe mit Hörnern, aber auch Hunde, Katzen, Pferde und Hasen, weil ich mit diesen Tieren aufgewachsen bin. Bei den Pflanzen haben es mir die verschiedenen Wildobst- und Kleearten besonders angetan.
Wie belohnen Sie sich nach einem anstrengenden Tag auf dem Hof?
Eine Belohnung brauche ich ehrlich gesagt gar nicht, für mich ist die Arbeit draussen und im Stall nicht Mühsal, sondern Freude.
Wenn nicht im Bereich Landwirtschaft und Ernährung, wo würden Sie sonst arbeiten?
Wohl doch wieder im Kunstbereich oder eventuell auch in der Gastronomie. Ich habe während meines Studiums als Servicemitarbeiterin mein Geld verdient. Etwas Soziales könnte ich mir auch vorstellen, denn ich mag den Austausch mit Menschen.