Felicia steht auf allen vier Klauen auf dem schmalen Brett, das im Laufhof ausgelegt ist. Zur Belohnung gibt Sascha Moser der Holstein-Kuh ein Stückchen getrocknetes Brot. Die beiden sind ein eingespieltes Team: Die aktive Westernreiterin nahm Felicia kürzlich sogar an einen «Extreme Trail» in einer Reithalle mit. Angemeldet war sie eigentlich mit ihrem Pferd, um auf dem Parcours zu üben, trittsicher und koordiniert über Hindernisse zu gehen. «Doch ich wollte auch wissen, wie Felicia mit dieser Aufgabe klarkommen würde», so Sascha Moser. Dabei sei sie erstaunt gewesen, wie ruhig und gelassen sich die dreijährige Kuh dabei präsentiert habe. «Sie hat sich sogar auf die Wippe getraut», sagt sie.

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Am Zürichsee aufgewachsen

Dass Sascha Moser heute auf einem Landwirtschaftsbetrieb lebt, eine eigene Kuh hat und diese zudem trainiert, hätte sie sich vor ein paar Jahren wohl nicht vorstellen können. In Meilen ZH in einem nicht-bäuerlichen Haushalt aufgewachsen, machte sie zwar mit 13 Jahren eine Schnupperlehre auf einem Bauernhof, absolvierte jedoch schliesslich eine Lehre als Schreinerin.

Die heute 49-Jährige war schon seit geraumer Zeit im Holzhandel tätig, als sie vor 15 Jahren ein Jobangebot in Gossau SG erhielt und in die Ostschweiz zog. Rund fünf Jahre später lernte sie Markus Moser, ihren heutigen Ehemann, kennen.

«Learning by doing»

Schon bald begann Sascha Moser, auf seinem Milchwirtschaftsbetrieb in Abtwil mitzuhelfen. «Mit ‹Learning by doing› bin ich nach und nach in die Landwirtschaft hineingerutscht», erzählt sie. Heute arbeitet sie überall mit, wo zwei Hände gebraucht werden, fährt Traktor, mäht und schwadet. Vor allem jedoch ist sie für die 46 Milchkühe und jeweils etwa 10 Kälber zuständig.

Um mehr über die Rindviehhaltung zu erfahren, absolvierte sie am Strickhof das entsprechende Modul und besuchte weitere Kurse, etwa zu Homöopathie. «Die Arbeit mit den Tieren macht mir besonders Freude», sagt Sascha Moser. Zum Hof gehören auch eine Hühner- und Güggelschar, zwei Schwarznasenschafe sowie einige Katzen.

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Melken statt Roboter

Vor Kurzem hat die Bäuerin ihren Job gekündigt; seither ist sie zusammen mit ihrem Mann Vollzeit auf dem Betrieb tätig, mit Unterstützung des Schwiegervaters. Der Arbeitsalltag der beiden beginnt um 4.30 Uhr. «Wir haben uns lange überlegt, ob wir nicht in einen Melkroboter investieren wollen», erzählt Sascha Moser. «Doch wir melken beide gerne und haben es daher sein lassen.» Vorbei sind die Zeiten, als sie noch ausgedehnte Ferien machen konnte, zum Beispiel eine Fotoreise in den USA, auf der die Hobbyfotografin praktische Kniffs kennenlernte. Sie erinnert sich an die letzten Ferien vor anderthalb Jahren – ein paar Tage Flitterwochen. Allerdings hätten sie schon nach drei Tagen an ihre Tiere zu Hause gedacht.

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Überraschung im Galtstall

Zwar war Sascha Moser schon bei einigen Kälbergeburten dabei, doch eines Tages, vor rund drei Jahren, wurde sie überrascht, während ihr Mann abwesend war: Im Galtkuhstall begann ein Rind plötzlich, vorzeitig zu kalben. Die Bäuerin und ihre Mutter, die zufällig gerade zu Besuch war, mussten sofort handeln. Sie trennten die Kuh ab und bereiteten ihr ein Strohlager vor. Ende gut, alles gut: Das Kalb kam gesund auf die Welt.

Markus Moser bedankte sich anschliessend für den Sondereinsatz, in dem er die kleine Felicia seiner Frau schenkte. «Das rührte mich und ich wollte die Kleine kennenlernen», erzählt Sascha Moser. So begann sie, das Holstein-Kalb ans Halfter zu gewöhnen und es auf Spaziergänge in der Umgebung des Betriebs mitzunehmen.

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Neue Abenteuer

Später, während ihrer ersten Trächtigkeit, bildeten sich bei Felicia hartnäckige Warzen am Euter. Ein chirurgischer Eingriff wurde notwendig, und es war zunächst nicht klar, ob sie durchkommen würde. Sascha Moser umsorgte ihre Kuh, unter anderem, indem sie diese besonders sorgfältig molk. Felicia wurde wieder gesund und ist derzeit zum zweiten Mal trächtig. «Unsere Verbindung ist durch die ganze Geschichte umso stärker geworden», hält die St. Gallerin fest. Umso mehr freue sie sich, dass die Kuh – die wie ihr Pferd schwarz-weiss gescheckt ist – Vertrauen zu ihr entwickelt hat. Weiteren Ausflügen auf Trails ist sie nicht abgeneigt. Lachend sagt Sascha Moser: «Wir werden sehen, wofür Felicia sonst noch zu motivieren ist.»

Fünf Fragen an Sascha
 
Wie lautet Ihr Lebensmotto?
Ich sehe das Glas gerne halbvoll.

Welche Musik hören Sie am liebsten?
Country.

Welche sind Ihre Traumdestinationen?
Kanada und Mauritius.

Worüber sollte man sich nicht ärgern?
Über negative Menschen.

In welchen Bereichen wollen Sie sich weiterbilden?
Ich plane weitere Kurse zu Tiergesundheit, z.B. zur Magnetfeldtherapie.