In diesen Tagen und Wochen geht ein Teil der Schweizer Bauern und Bäuerinnen auf die Strasse. Sie demonstrieren unter anderem für eine bessere Abgeltung ihrer Produkte.
Aufwendige Direktvermarktung
In diesem Zusammenhang bekommt die Direktvermarktung einen höheren Stellenwert: Wer seine Erzeugnisse direkt an die Frau und den Mann bringt, kann den Zwischenhandel umgehen und eine höhere Wertschöpfung generieren. Letzte Woche war in dieser Zeitung zu lesen, dass der Nationalrat die Förderung der Direktvermarktung ausbauen will, Experten das Potenzial für neue Hofläden allerdings als klein einschätzen. Es ist klar: Direktvermarktung, besonders im grösseren Stil, ist höchst aufwendig und nichts, was man einfach so nebenbei aufziehen kann.
Eine Art Datingplattform
Noch etwas «nischiger», und doch für einige Betriebe bestimmt lohnenswert, ist eine Zusammenarbeit mit der Gastronomie. Der Schweizer Bauernverband hatte zusammen mit Gastro Suisse und Hotellerie Suisse dafür vor Corona das Projekt «Land Gast Wirt» aus der Taufe gehoben. Nach einer pandemiebedingten Pause ist es nun mit neuem Schwung zurück. Auf der gleichnamigen Website können sich Bauernfamilien und Gastrobetriebe gegenseitig finden – es ist so eine Art Datingplattform für Bauern, Wirtinnen und Hoteliers. Ein «Land-Gast-Wirt-Tinder» quasi.
Die Kennenlernphase
Ausserdem hat das Online-Portal eine ganze Reihe Tipps für eine gute Zusammenarbeit auf Lager. Beginnen wir mal mit der Kennenlernphase. Gastronomen sind bekanntlich, wie die Bauernfamilien auch, viel beschäftigte Leute. «Zeit ist für ihn kostbar», heisst es auf der Website. Gastronomen würden es schätzen, «wenn der Produzent den ersten Schritt macht» – also etwa so, wie viele Frauen es immer noch gut finden, wenn der Mann beim Dating diesen Part übernimmt. Als Bauer oder Bäuerin könnte man sich persönlich beim Wirt vorstellen oder sich erst mal telefonisch melden, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen.
Eine Geschichte erzählen
Nun wären wir schon beim nächsten Punkt, dem Storytelling. Immer dieses Englisch. Gemeint ist damit einfach, eine oder noch besser seine Geschichte zu erzählen. Konsument(innen) interessieren sich für den Betrieb und die Geschichte hinter einem Produkt. «Für den Gastronomen ist es ein Mehrwert, den er sucht und gut verkaufen kann», heisst es auf der Plattform.
Wichtig wie in jeder guten zwischenmenschlichen Beziehung ist auch die Transparenz. Gastronom(innen) suchen Spezialitäten und authentische Produkte, um sich von der Konkurrenz abheben zu können. Auch Saisonalität ist heute ein grosses Thema. Als Landwirt(in) verfügt man über ein breites Allgemeinwissen zur Nahrungsmittelproduktion – das schätzen Wirte und Hoteliers, genauso wie Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit.
Konstant hohe Qualität
Kommen wir zu einem sehr entscheidenden Wert: die Qualität, die am besten konstant ist. Wer einem Gastronomen die Qualität liefere, die er sich wünsche, Stichworte Grösse, Länge, Farbe, Reife usw., werde «die Früchte ernten», ist zu lesen. Einwandfreie, hochwertige Produkte sind auch Werbung für Sie als Produzent(in). Gerne könnte man dem interessierten Gastronomen einen Einblick in den Betrieb und die Produktion gewähren.
Entscheidende Preis/Leistung
Der nächste Punkt, Preis/Leistung, ist nicht unwesentlich. Viele Gastrobetriebe müssen knapp kalkulieren, darum spielt der Preis der Produkte eine entscheidende Rolle und kommt vermutlich etwas tiefer zu liegen als in der restlichen Direktvermarktung. Trotzdem: Beide Seiten müssen einen Mehrwert generieren und für ihre Arbeit entschädigt werden. Faire Preise auszuhandeln und dafür auch einzustehen, ist darum wichtig.
Pünktlichkeit ist wichtig
Jetzt fehlt noch die Logistik. Gastronomen schätzen es, wenn die Lieferung direkt erfolgt. Vereinbaren Sie den Tag, die Zeit, den genauen Abladeort (Kühlhaus, Keller usw.) und die gewünschte Menge. Pünktlichkeit ist wichtig, schliesslich geht es in Restaurantküchen gerne hektisch zu und her. Zudem sind kurzfristige und flexible Bestellmöglichkeiten, z. B. auch noch abends, wertvoll. Auch wenn in der Landwirtschaft der Handschlag noch eine gewisse Wichtigkeit hat, lohnt es sich, die Zusammenarbeit schriftlich zu regeln, dann hat man in einem möglichen Konfliktfall etwas Handfestes vorzuweisen.
Falls Sie zufällig eine Wirtin oder ein Hotelier sind, der diese Zeilen liest: Auf www.landgastwirt.ch finden Sie viele auf Sie zugeschnittene Tipps, wie Sie einen Bauernbetrieb für eine Zusammenarbeit finden und wie daraus eine wunderbare Beziehung werden könnte.
