Das Schweizer Steuerrecht ist komplex. Die Kantone haben eine hohe Steuerautonomie und belasten Einkommen, Vermögen oder auch Erbschaften ganz unterschiedlich. Einheitlich auf Bundesebene sind die Mehrwertsteuer sowie die Bundessteuer geregelt. Andreas Oppliger ist Fachspezialist für Landwirtschaft bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung und muss dafür sorgen, dass die Bundessteuer auch in der Landwirtschaft korrekt abgerechnet wird.
Wenn nicht Gewerbe: Verkehrswert bzw. gemischte Schenkung
So hat er im vergangenen Jahr alle 230 Hofübergaben im Kanton Bern unter die Lupe genommen. Es ging darum, zu überprüfen, ob es sich bei den Betrieben wirklich um ein landwirtschaftliches Gewerbe gemäss dem Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB) handelt. «Das ist matchentscheidend», sagt Oppliger.
Ein landwirtschaftliches Gewerbe kann ein selbstbewirtschaftender Nachfolger zum Ertragswert übernehmen. Ist der Betrieb kein Gewerbe, gilt der Verkehrswert. «Wenn ein Betrieb ohne Gewerbestatus zu einem tieferen Wert als dem Verkehrswert übergeben wird, handelt es sich um eine gemischte Schenkung», erklärt Oppliger. Die Differenz zwischen Ertrags- und Verkehrswert gilt als Schenkung – ist wie eine Veräusserung, wo die wiedereingebrachten Abschreibungen aufgerechnet werden und eben auch die Bundessteuer sowie die AHV geltend gemacht werden.
Die meisten Hofübergaben seien aber korrekt geregelt worden, es hätte nur ganz wenige Fälle zu beanstanden gegeben.
Juristische Personen und Lohnunternehmen
Sehr genau prüft der Steuerinspektor auch juristische Personen wie GmbH oder Aktien-gesellschaften. Oft sind Lohnunternehmen rechtlich so aufgestellt. Maschinen, Remisen gehören in die GmbH oder AG, während der Betrieb als natürliche Person geführt wird.
«Dabei handelt es sich oft um zwei konkurrenzierende Tätigkeiten. Einkommen und Kosten dürfen nicht dort untergebracht werden, wo es steuerlich am besten passt», sagt Oppliger.
Also darf der Gewinn aus der GmbH nicht in die Landwirtschaft verschoben und dort mit dem Gebäudeunterhalt verrechnet werden. Ein Beispiel, das ebenfalls nicht zulässig ist, ist, wenn Mastrinder von der GmbH verkauft werden, der Landwirt aber Direktzahlungen bezieht.
Rechtsweg ist Gradwanderung
Schweizweit ist Oppliger im engen Austausch mit den Agro-Treuhändern. Er weiss um deren Probleme. «Es gibt im Moment heikle Bundesgerichtsentscheide», sagt er. Den Rechtsweg zu beschreiten sei eine Gratwanderung, man könne Recht erhalten oder eben auch nicht. Stolpersteine gibt es also im schweizerischen Steuersystem so einige.
Ginge es auch einfacher?
Aber, Herr Oppliger, ginge es nicht einfacher? «Wir haben hierzulande eine lange, historisch gewachsene Steuertradition. Ständig kommen auch neue Regelungen dazu.»
Ein neues, einfacheres Steuersystem einzuführen, ist fast unmöglich», sagt Andreas Oppliger und nimmt Bezug auf die gescheiterte Volksinitiative zur Mikrosteuer.
Mikrosteuer statt Mwst., direkte Bundessteuer oder Stempelsteuer: Unterschriftensammlung gescheitert
Die Idee hinter dieser Transaktionssteuer war, dass bei jeder Zahlungsverbuchung automatisiert 1 Promille (also eine Mikrosteuer) pro Belastung und Gutschrift erhoben wird. «Damit hätte man auf einen Schlag die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Stempelsteuer ersetzt», fasst er zusammen, «nicht jedoch die Kantons- und Gemeindesteuern.»
Onlinesteuersystem in Estland beispielhaft
Ein Beispiel aus dem Ausland punkto Vereinfachung des Steuerwesens liess Andreas Oppliger ebenfalls aufhorchen. «An einer Konferenz zur Bundessteuer war der Honorarkonsul von Estland zu Gast und stellte uns ihr Online-Steuersystem vor», erzählt Oppliger. Das Land zählt 1,5 Millionen Einwohner und beschäftigt 50 Steuerbeamte. Alles laufe via EDV ab. Jeder Bürger bekommt online seine Formulare, die schon vorausgefüllt sind. Der Lohn ist vermerkt, Vermögen, Zinsen etc. ebenso. Wer nichts einzuwenden hat, muss die Summe mit einem Klick bestätigen – fertig ist die Veranlagung.
Allenfalls seien seitens des Bürgers noch kleinere Anpassungen möglich. Aber Steuerberater braucht es nicht. Der Staat konnte jedoch Jugendliche motivieren, dass sie älteren, nicht EDV-affinen Bürger im Steuerverkehr unterstützen. Nach der Unabhängigkeit 1990 von der Sowjetunion hätte die Regierung dieses Steuersystem auf dem Reissbrett entworfen und umgesetzt – und liegt damit im internationalen Ranking punkto Effizienz von Jahr zu Jahr auf Platz eins.
«Bei uns jedoch sind prozentual zur Bevölkerung zehnmal mehr Steuerkommissäre als in Estland beschäftigt.» Hinzu kommen eine Vielzahl von Treuhändern die Steuerbuchhaltungen und -beratungen machen. Nicht zu vergessen ist der Aufwand, den hierzulande jeder einzelne Bürger, jedes Unternehmen daheim am Schreibtisch für die Steuern leistet. Aber unsere Datenschutzrichtlinien würden so einem System sicherlich nicht entsprechen.

