«Du bist Gruyère-Milchproduzent und willst aufhören?» Obwohl es viele Berufskollegen von Landwirt Tobias Schneuwly aus Bagewil im Freiburgerland verstehen, sind einige Bauern konsterniert.
«Wir beenden diesen Betriebszweig nicht wegen des schlechten Milchpreises», sagt Schneuwly. Der alte Anbindestall ist zwar mit einer Absauganlage ausgestattet, die Milch werde zweimal täglich abgeholt, dennoch sei Melken das arbeitsintensivste, was man machen kann, ist der offene junge Mann überzeugt. Der Vater habe das Leben lang gemolken. «Er kann einfach nicht frei machen», neckt ihn Sohn Tobias.
«Nach einem Unfall arbeitet man halt weiter.»
Trotz Einschränkungen arbeiten viele Landwirte mangels Alternativen weiter.
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70-Stunden-Woche
Für den Vater sei die Entscheidung des Juniors, mit dem Melken aufzuhören, keineswegs eine leichte, aber auch er sieht, dass es so nicht weitergehen kann. In einer normalen Arbeitswoche macht Heinrich Schneuwly 70 Stunden, peilt Tobias Schneuwly grob über den Daumen. Das sei einfach nicht mehr zeitgemäss, vor allem, wenn die Produktionspreise die Kosten nicht deckten.
Sie hören deshalb vor allem wegen der veralteten Infrastruktur und des hohen Arbeitsaufwands auf. Hinzu kommen personelle Engpässe, sobald jemand ausfällt, so wie das bei Schneuwlys momentan der Fall ist. Der Vater hat einen Bandscheibenvorfall, Tobias eine gebrochene Rippe. «Dann ‹murxt› man trotzdem etwas im Stall herum», gibt Tobias zu und spricht dabei wohl manchem Landwirt aus der Seele. Ebenfalls schwierig empfanden Schneuwlys die Futterproduktion, da sie keine Silage verfüttern. «Die Trockenheit wird immer mehr zum Problem», beobachtet der Vater. Wenn man zu wenig produzieren kann, kauft man teures Futter hinzu. «Die Kosten von Futter, Melkmaschinenservice, Strom, Tierarzt, Klauner etc. summieren sich, aber mehr erhält man nicht für das Endprodukt», stellen die Betriebsleiter fest.
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Zeit für die Familie
«Und wann hat man Zeit für die Familie?», fragt der junge Vater. Für ihn hat dieser Punkt eine hohe Priorität, darum ist am Mittwoch Papi-Tag, sagt Schneuwly bestimmt.
Seit 2015 führen Vater und Sohn den gemischten Ackerbaubetrieb in einer Generationengemeinschaft. Nächstes Jahr soll der Sohn Tobias den Betrieb offiziell übernehmen – sein Wirken hat aber schon lange einen Einfluss auf das Schaffen von Schneuwlys. Nachdem der Agrotechniker im Rahmen seiner Ausbildung an der Rütti ein Projekt rechnen musste, fragte ihn der Lehrer: «Warum setzt du es denn nicht um?» Daraufhin fassten Schneuwlys im Jahr 2016 den Entscheid, die Pläne tatsächlich echt zu machen und die Mastpoulethalle zu realisieren.
«Am Mittwoch ist für mich Papi-Tag.»
Junglandwirt Tobias Schneuwly will Zeit für seine Familie haben.
Poulet passt besser
Das Geschäftsmodell der Pouletproduktion stimmt für den angehenden Betriebsleiter besser. Man ist zeitlich weniger gebunden, die Abzüge sind klar geregelt und man weiss genau, was am Schluss übrig bleibt. Ein kompetenter Berater hat den Agrotechniker beim Planen des Pouletstalls unterstützt und Pouletproduzenten, die schon lange in diesem Bereich tätig sind, hätten ihm hilfreiche Tipps mit auf den Weg gegeben. Danach hatten Schneuwlys alle Nachbarn informiert, Einsprachen gab es keine. «Der Zusammenhalt in unserer Region ist bemerkenswert – man hilft einander regelmässig aus, teilt Maschinen», das schätzt Tobias Schneuwly sehr. «Ein solches Projekt wäre heute wohl nur schwierig umzusetzen», sinniert er. Damals war das eine kurze Sache. Aber man habe beim Planen des Baus darauf geachtet, dass die Geruchsemissionen des Geflügelstalls möglichst an den Häusern vorbeiziehen. Das habe im Prozess der Baubewilligung sicher geholfen, so Schneuwlys.
Mittlerweile sind Schneuwlys in der 60. Mast. «Der Ablauf ist immer derselbe: waschen, desinfizieren, einstallen, mästen, verladen, wieder waschen.» Darauf will sich die Generationengemeinschaft auch zukünftig abstützen, gleichzeitig ihren vielfältigen Ackerbau und die Saatgutproduktion weiterführen sowie die Aufzucht von Kälbern aus umliegenden Betrieben übernehmen.
«Es ist vorbei – die Zeiten haben sich geändert.»
Ende Jahr verkaufen sie alle Milchkühe. Der Stall ist nicht mehr zeitgemäss.
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«Welche Kreuze setzen?»
Vieles wird gleich bleiben, aber es wird sich auch einiges ändern bei Schneuwlys. Verändert haben sich gemäss Tobias auch die Gesprächsthemen mit den Berufskollegen: «Früher fragte man noch, wie viel Tonnen du dreschen konntest, heute fragt man, bei welchem Programm du mitmachst und wo du welche Kreuze setzt.»
Für Schneuwlys sind Gemeinschaften die Zukunft. Geregelte Wochenenden und Ferien sind bislang nur für wenige Betriebsleiter Realität. Bis sich dies normalisieren wird, nehmen Tobias Schneuwly und auch sein Vater an, dass zahlreiche Milchproduzenten aufhören werden oder möchten. «Aber viele müssen fast weitermachen. Nur Ackerbau geht nicht, ausser du hast viele Spezialkulturen», weiss Tobias Schneuwly.
Ende Jahr ist Schluss
Bei Schneuwlys steht Ende Jahr auf jeden Fall fest: Die 24 Milchkühe werden verkauft. «Es ist vorbei», sagt Tobias am langen Küchentisch des alten Bauernhauses, sichtlich etwas melancholisch gestimmt, aber auch erleichtert. Wie und wohin er die Kühe verkaufen wird, weiss er noch nicht.
Betriebsspiegel Schneuwly
Ort: Bagewil FR
Ackerfläche: 33 ha; Eiweisserbsen, Weizen, Gerste, Winterhafer, Raps, Mais, Kartoffeln
Arbeitskräfte: Eltern von Tobias Schneuwly, eine lernende Person
Viehbestand: Mastpoulets, Milchkühe (bis Ende Jahr)
Milch: 205'000 kg Milchrecht. Cremo holt Milch für die Gruyère-Produktion nach Villars-sur-Glâne.