Das, was da im Espressokocher Bialetti blubbert, sieht zwar aus wie Kaffee, ist aber keiner und enthält kein Koffein. Der Duft erinnert schon etwas an Kaffee, aber auch an frisch geröstete Haselnüsse. Das kaffeeähnliche Heissgetränk heisst Lou-Gafé und wurde von Marlène Bircher und Thomas Bircher von der Belém Café Rösterei in Bundkofen, Gemeinde Schüpfen im Berner Seeland, entwickelt. Der Lou-Gafé besteht aus Süsslupinen und Gerstenmalz. Beides wächst auf den Feldern von Biolandwirt Thomas Hofer aus Schüpfen. Die Geschwister Bircher arbeiten beide im Betrieb ihrer Eltern Jürg und Brigitte Bircher engagiert mit. Für die Entwicklung des Lou-Gafés sind die Geschwister komplett verantwortlich. Aber wie kommt ein kleiner Familienbetrieb, der im Berner Seeland seit rund 20 Jahren Kaffee röstet, auf die Idee, eine Kaffeealternative zu entwickeln?
Nur Süsslupine war keine Lösung
Die Geschwister Bircher hatten bereits vor ein paar Jahren die Idee, ein Zusatzprodukt für den Betrieb zu entwickeln, dessen Ursprung, anders als der Kaffee, in der Region liegt.
«Wir wollten die Wertschöpfung hierbehalten»
Marlène Bircher zur Idee, heimische Produkte als Kaffeeersatz zu verwenden.
Dass Süsslupine Bestandteil sein würde, war rasch klar. Ein erster kleiner Versuch brachte jedoch nicht das gewünschte Geschmackserlebnis. «Die Vollmundigkeit hat gefehlt», erinnert sich Thomas Bircher. Das Projekt wurde einige Zeit nicht gross vorangetrieben. Das änderte sich, als Birchers Post von «Bern ist Bio» erhielten. Gesucht wurde ein Betrieb, der mit einem Ersatzkaffee Wertschöpfung generieren könnte. So entstand die Zusammenarbeit mit «Bern ist Bio», welche den Geschwistern mit Rat und wichtigen Inputs wie zum Beispiel dem Schützen des Namens Lou-Gafé zur Seite stand.
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Das ist «Bern ist Bio»
Marlène Bircher und Thomas Bircher wurden bei der Entwicklung des Lou-Gafés vom Team «Bern ist Bio» unterstützt. Dahinter steht die Berner Bio-Offensive 2025 (BBO2025). Sie setzt sich in fünf Teilprojekten für Berner Bioprodukte und deren Werte ein. Sie hat zum Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Verarbeitung, Logistik und Handel im Kanton Bern zu stärken und ein biologisches und nachhaltiges Landwirtschafts- und Ernährungssystem zu fördern.
Neues unterstützen
Zudem unterstützt das Team Produzentinnen und Produzenten bei der Entwicklung neuer und nachhaltiger Produkte oder dem Aufbau neuer Geschäftsmodelle. Das Team der «Berner Bio-Offensive» setzt sich aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berner Fachhochschule, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) und des Inforama zusammen. Und: «Wir verkürzen Wege, stärken Beziehungen und bringen Landwirt(innen) sowie Konsument(innen) näher zusammen», heisst es auf der Website von «Bern ist Bio».
Alle Akteure vereinen
Damit tatsächlich bis 2025 mehr Konsumentinnen und Konsumenten den Wert biologisch produzierter Produkte aus dem Kanton Bern anerkennen, heisst das Ziel auch, alle Leistungserbringenden auf dem Weg vom Acker bis auf den Teller zu vereinen.
Während zwei Jahren tüftelten die Geschwister, bis feststand, dass nebst den Süsslupinen Gerstenmalz zum Einsatz kommen soll. «Thomas hat in dieser Zeit so ziemlich jegliches Getreide und Wurzeln geröstet», erzählt Marlène Bircher und lacht, wenn sie an diese Zeit zurückdenkt. Ihr Bruder röstet derweil eine Charge Gerstenmalz. Dabei kann er sich nicht wie bei den Kaffeebohnen auf die Farbe verlassen, er muss das Malz immer wieder probieren. «Mein Bruder hat eine hypergute Sensorik», lobt die Schwester. Bei beiden ist der Stolz hörbar und in den Gesichtern unübersehbar, wenn sie abwechselnd über ihr Produkt und die verschiedenen Vorgänge beim Rösten berichten.
Kaffee und Gerste werden strikt getrennt
[IMG 3]Der Lou-Gafé wird nicht in denselben Röstmaschinen und auch nicht im selben Raum wie die Kaffeebohnen geröstet. Dass diese Bereiche strikt getrennt werden müssen, war Marlène Bircher, die Lebensmittelwissenschaften studiert hat, von Beginn weg klar. Zu gross wäre ihr das Risiko, dass Spuren vom Allergen Gluten, das in Gerste vorhanden ist, auf den glutenfreien Kaffee übertragen werden könnten. «Die Süsslupinen kommen direkt vom Feld des Bauern hier in unseren Gartenpavillon», erzählt Thomas Bircher stolz. Die Gerste muss einen Umweg über eine hiesige Mälzerei machen. Für den Röstvorgang wurde die allererste Röstmaschine der Familie wieder in Betrieb genommen, die eigentlich bereits in Rente geschickt, jedoch nicht weggegeben wurde.
Die Verpackung bescherte Kopfzerbrechen
Nachdem die Frage des Rohstoffes geklärt war, folgte diejenige der Verpackung. Denn diese sollte vollständig recycelbar sein. Auch diese Herausforderung meisterten die Geschwister trotz vieler Hürden gemeinsam erfolgreich. Was einfach tönt, war es ganz und gar nicht. Marlène Bircher gesteht, dass sie mehrfach am Punkt standen, aufzugeben. «Wir wollten alles so ökologisch und nachhaltig herstellen wie nur möglich. Abstriche machen wollten wir dabei keine», erzählt sie. Ein lokales Produkt herzustellen und hier Wertschöpfung zu generieren, hat sie immer wieder motiviert, weiterzumachen. Sie kann der herausfordernden Zeit hinsichtlich einer späteren Übernahme des Betriebes gemeinsam mit ihrem Bruder auch eine positive Seite abgewinnen. «Es war für uns Geschwister ein guter Lehrplätz, zusammenzuarbeiten, und hat uns gezeigt, dass wir auch in schwierigen Zeiten gut funktionieren», erzählt Marlène Bircher.
Betriebsspiegel
Inhaber: Jürg und Brigitte Bircher
Mitarbeiter: Marlène Bircher 60 %, Thomas Bircher 100 %, 15 Personen aus der Region in Teilpensen, gesamthaft rund 750 Stellenprozente.
Verarbeitungsmenge: 55 Tonnen Rohkaffee pro Jahr, ein Röstumgang fasst 13 bis 15 Kilo Rohkaffee.
Anzahl Röstmaschinen: 3; zwei für Kaffee und 1 für Lupinen und Gerstenmalz.
Auch in Filtermaschine und im Vollautomat geeignet
Der Lou-Gafé wurde so entwickelt, dass dessen Zubereitung auf allen üblichen Kaffeegeräten, egal, ob Vollautomat, Filtermaschine oder eben der Bialetti möglich ist. Es gibt ihn in drei verschiedenen Sorten: Nature, mit etwas Ingwer, der ebenfalls von einem Seeländer Biobetrieb stammt, und für all diejenigen, die etwas Koffein brauchen, einen mit dem Zusatz von zehn Prozent Biokaffee.
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Der Preis liegt mit 38 Rappen pro Tasse etwas höher
Der Verkauf des Lou-Gafé ist seit Dezember gut angelaufen. Dass für das regionale Getränk der Preis höher liegt als für Kaffee, liegt auf der Hand. Marlène Bircher rechnet vor, dass eine Tasse ihres teuersten Kaffees 26 Rappen koste, eine Tasse Lou-Gafé kommt, je nach Dosierung des Pulvers, auf 38 Rappen zu stehen. Dabei sei jedoch keine riesige Marge eingebaut. Eine bestimmte Jahresmenge Lou-Gafé, die produziert werden soll, können die beiden noch nicht nennen. «Wir verarbeiten, was uns der Produzent liefern kann», meint Thomas Bircher und strahlt dabei wie bereits während des ganzen Besuchs.