Sie tragen ihre Heimat im Herzen. «Das ist das Bündnerland», sagen Aline Tüfer und Jann Deflorin - beide 32 Jahre alt. Sie erhielten 2022 aufgrund von Eigenbedarf des Verpächters die Kündigung ihres Pachtbetriebs in Davos und hatten sich auf die Suche nach einem neuen Betrieb gemacht.

Challenge fast wie Auswandern

«Wir wollten in der Landwirtschaft bleiben und von einem Betrieb leben», erzählt Jann Deflorin. Sie hätten Betriebe angeschaut, die zum Kauf oder zur Pacht ausgeschrieben waren. Fündig wurden sie in Zürich. Seit dem 1. Januar 2025 sind sie die neuen Pächter des Leimbihofs unterhalb des Uetlibergs, der der Stadt Zürich gehört. «Wir sind stolz, Grünstadt Zürich als Verpächter im Rücken zu haben, die voll und ganz hinter uns steht», fügt Deflorin an.

Eine Challenge, die ans Auswandern erinnert: Ihr Lebensmittelpunkt liegt nicht mehr in der Bergzone IV, sondern urban im Talgebiet. Statt rund 20 ha bewirtschaften sie jetzt 80 ha und statt Aufzucht ohne Verkehrsmilchproduktion haben sie Milchkühe, statt eine Handvoll Hühner sind es jetzt 1000 Legehennen.

«Wir Landeier bekamen den Zuschlag.»

Aline Tüfer freut sich über die Zusage der Stadt Zürich.

«Auch unser Werdegang ist anders als derjenige der früheren Pächterfamilie», verschärft Viehzüchter Jann Deflorin nochmals die Gegensätze. Die Vorpächter Noëlle und Marcel Lusti-Freund waren Biopioniere. Marcel Lusti ist auf dem Leimbihof aufgewachsen und hat den Hof mit seiner Familie 30 Jahre lang bewirtschaftet. Mit Mitte 50 entschloss sich Lusti, die Bewirtschaftung aufzugeben und sich mit der Firma Rundumgrün GmbH und einem Geflügelschlachtmobil selbstständig zu machen.

Gesehen, besprochen, geplant

«Noëlle und Marcel Lusti-Freund haben uns den Einstieg sehr erleichtert», hält Jann Deflorin fest und erzählt, wie sie zum Leimbihof gekommen sind. Im Oktober 2023 entdeckten sie ein Inserat der Stadt Zürich, dass ein neuer Pächter für den Leimbihof gesucht wurde. Sie verlangten wie über 50 weitere Interessierte das Dossier. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2023 konnten sie den Leimbihof besichtigen. «Beim Heimfahren sagten wir uns, dass uns der Betrieb zusagen würde», erinnert sich Aline Tüfer. Sie hätten drei Monate Zeit gehabt, ein Betriebskonzept auszuarbeiten.

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«Wir haben uns richtig reingekniet. Marcel Lusti stellte uns seine Buchhaltung zur Verfügung, was wir sehr schätzen», erzählt Deflorin. Sie rechneten mit dem Betvor hin und zurück Betriebsvoranschläge – auch mit der Unterstützung von Alines Vater. Anfangs April 2024 konnten sie ihr Betriebskonzept im Stadthaus vorstellen. «Und wir Landeier bekamen den Zuschlag», freut sich Tüfer noch heute, wenn sie daran zurückdenkt.

Wertvolle Tipps für junge Landwirte

«Ich lege allen Junglandwirten ans Herz, einen Betriebsvoranschlag zu rechnen», sagt Deflorin und weiter: «Wenn wir das beim ersten Pachtbetrieb in Davos gemacht hätten, wären wir nie eingestiegen.» Sie seien mit ihrem gepachteten Bergbauernhof trotz auswärtigen Einkommen nie auf einen grünen Zweig gekommen. Von vornherein beschlossen die beiden, nur einen Pachtbetrieb von einer Institution beziehungsweise Gemeinde zu übernehmen.

«Wir dürfen jederzeit anrufen, wenn wir etwas wissen wollen.»

Jann Deflorin und Aline Tüfer haben ein gutes Verhältnis zu den vorherigen Pächtern.

Deflorin hat noch zwei Ratschläge an Landwirt(innen), die sich auf die Hofsuche machen. Erstens gehöre das Pachtgesetz revidiert, sodass die Verpächter gezwungen seien, 10 % des Pachtzinses zurück in den Hof zu investieren. Zweitens sollte die Distanz zum Verpächter so sein, dass man gegenseitig den Rauch des Kamins nicht sehe. Distanz zum Verpächter ist da – dieser logiert im Zürcher Stadthaus. Auch zum Vorpächter ist der Weg weit. Noëlle und Marcel Lusti-Freund sind in den Kanton Aargau gezogen. «Aber wir dürfen jederzeit anrufen, wenn wir etwas wissen wollen. Es ist eine echte Freundschaft entstanden», so Aline.

Ein wahrer Staffellauf mit Ämtern

Aber zurück zur Pachtvergabe. Nach der Zusage der Stadt ging es Schlag auf Schlag weiter: Heuen auf dem Heimbetrieb in Davos und vorzeitig künden. Die Finanzierung für das Pachtinventar des Leimbihofes auf die Beine stellen und den Pachtvertrag unter Dach und Fach bringen.

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«Wir sind nicht verheiratet und haben die JAP Farmer Gmbh gegründet, sodass wir gemeinsam auftraten», erzählt Aline. Die Banken gäben jedoch kein Geld an eine GmbH, sodass jetzt der Pachtvertrag auf Tüfer und Deflorin lautet. Auch gäben die Geldgeber nur Darlehen, wenn der Pachtvertrag vorliege – umgekehrt hätte der Pachtvertrag nur unterzeichnet werden können, wenn die Finanzierung gesichert sei. «Es war während der Sommermonate ein Hin und Her mit den Amtsstellen – aber da muss man durch», erzählt Deflorin.

«Von Mai bis Oktober ist viel gelaufen. Das ist nur mit Unterstützung unserer Familien möglich gewesen», erinnert sich Tüfer. Deflorins Geschwister und Mutter halfen beim Heuen, Alines Familie beim Umzug und hütete Töchterchen Maily. «Auch unserer Lehrtochter Eliana muss man ein Kränzli winden - ebenso wie den Mitarbeitern vom Leimbihof», ergänzt sie. Eliana ist mitgekommen und beendet zurzeit die Winterschule am Plantahof.

Zunehmend mehr Verantwortung und Veränderung

Im September halfen die Bündner auf dem Leimbihof beim Mosten. Auf November konnten sie schon zügeln. Mitgenommen haben sie neben ihrer persönlichen Habe drei Pferde, ihre Hühner und auch das Jungvieh ihrer Braunvieh-Herde, das nun die Swiss-Fleckvieh-Herde auf dem Leimbihof ergänzt. «Die zweimonatige Einarbeitungszeit bis zur definitiven Übergabe am 1. Januar war intensiv. Von Woche zu Woche erhielten wir mehr Verantwortung», hält Aline fest.

«Es war ein Hin und Her mit den Amtsstellen – abr da muss man durch.»

Jann Deflorin und Aline Tüfer haben sich von der Bürokratie nicht unterkriegen lassen.

Jann Deflorin ist nicht mehr der klassische Landwirt, sondern zum Hofmanager geworden. Er erstellt Arbeitspläne, Lohnabrechnungen und hat Sitzungen mit Leuten von Grünstadt Zürich, vom Quartier, vom Forstamt und vielen mehr. Aline kümmert sich um die Eiervermarktung. Es gibt Veränderungen auf dem Leimbihof. Deflorin, dessen Herz für die Braunviehzucht schlägt, hat einen Mischwagen angeschafft und überlegt sich, Mais anzubauen. Tüfer hat jeden Baum auf dem Hofareal wunderschön österlich geschmückt. «Wir haben noch viele Pläne», sagt sie.

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Und was macht die Viehzucht?

Wird man die junge Familie Ende April an der Agrischa antreffen? «Dabei gibt es eine kleine Terminkollision», sagt Jann Deflorin. Geplant ist nämlich die Teilnahme an der Braunvieh-Jungtierschau am Pizolopen. «Da wollen wir mit Helen und Alberta dabei sein», sagt er und zeigt auf die zwei Braunvieh-Rinder, die friedlich zwischen dem Fleckvieh am Fressen sind. Übrigens: «Wer wissen will, was auf dem Leimbihof läuft, kann uns auf Instagram unter leimbihof_zh oder via Facebook folgen», ergänzt Aline Tüfer augenzwinkernd.

Leimbihof

Aline Tüfer und Jann Delflorin

Ort: Leimbach, Zürich
LN: 80 ha
Tierbestand: 34 Kühe mit Aufzucht, 3 Pferde, 1000 Legehennen, Hasen
Direktvermarktung: Hofladen und Milchautomat