«Das ist eine ganz einfache Milchbüechli-Rechnung.» Dieses Wortspiel wird heute noch ab und zu verwendet, wenn es um eine simple Rechnungslösung geht. Weniger bekannt ist aber, dass es das Milchbüechli selber auch heute noch gibt. Für den Schwyzer Milchmann Kari Schelbert ist dieses kleine Heft ein wichtiges Arbeitsinstrument, das er täglich unzählige Male in den Händen hält. Drei Liter Milch, ein Mödeli Butter, sechs Joghurts und zehn Eier, das hat die Kundin als Bestellung in ihrem Milchbüechli notiert, das im Einkaufskorb neben der Haustüre liegt. Kari Schelbert geht in den Kühlraum seines Lieferwagens, legt die gewünschten Produkte in den Korb und platziert diesen wieder beim Hauseingang.

550 Haushaltungen wöchentlich

Bereits seit 35 Jahren betreibt Kari Schelbert den Molkerei-Hauslieferdienst. Fünfmal wöchentlich belädt er um drei Uhr in der Früh sein Transportfahrzeug und startet auf die Liefertour. Während er montags und donnerstags im Dorf Brunnen unterwegs ist, bedient er am Dienstag und Freitag die Region Schwyz. Seit Anfang Juli ist er am Mittwoch nun auch noch im Gebiet Seewen und Ibach unterwegs. «Ich konnte diese Tour von einem Berufskollegen übernehmen, der in Pension ging», erklärt der 56-Jährige. Total fährt er nun wöchentlich 550 verschiedene Haushaltungen an und liefert diverse Milchprodukte wie Milch, Joghurt und Butter. Auch lokale Eier befinden sich im Sortiment.

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Keine Website - weniger Administration

«Wir Milchmänner waren der Zeit lange voraus, wir boten schon einen Hauslieferdienst an, bevor es Zalando und Co. gab», so Kari Schelbert mit einem Schmunzeln. Online-Bestellungen seien allerdings bei ihm nicht möglich. «Ich hatte zwar einmal eine Website. Dadurch musste ich aber so viele E-Mails beantworten, dass mir der administrative Aufwand zu gross wurde.» Heute ist er nur noch telefonisch erreichbar. «Da muss man nicht lange hin- und herschreiben, sondern kann gleich abmachen, was Sache ist.»

Schätzt Selbstständigkeit als Milchmann

Kari Schelbert, der auf einem Bauernhof am Dorfrand von Schwyz aufgewachsen ist, arbeitete nach der Schulzeit in einer Schreinerei. Er liebte zwar die Arbeit mit Holz, vermisste aber die Selbstständigkeit, die er aus der Landwirtschaft kannte. Im Alter von 21Jahren konnte er dann die Tour von einem Milchmann in Brunnen übernehmen. Kurz darauf kam noch das Gebiet Rickenbach dazu. «Diese Tour übernahm ich von meinem Bruder Xaver, der zu diesem Zeitpunkt in unseren elterlichen Landwirtschaftsbetrieb einstieg», erinnert er sich.

Er geniesst die morgendliche Ruhe

35 Jahre sind seither vergangen. Rund eine Million Mal ist er in dieser Zeit aus seinem Lieferwagen ein- und ausgestiegen. «Die Knie merke ich teilweise schon etwas, ansonsten habe ich aber keine gesundheitlichen Beschwerden», so Kari Schelbert. Bisher sei er in diesen 35 Jahren glücklicherweise krankheits- oder unfallbedingt noch nie ausgefallen. «Einen Stellvertreter habe ich keinen. Bis ein möglicher Ersatz die ganze Tour mit ihren Eigenheiten kennen würde, wäre ich ja sowieso wieder fit.» Klar, sei er auch schon mal leicht krank gewesen. Dann habe er halt einfach etwas auf die Zähne gebissen. Auch mit der frühen Tagwache habe er kein Problem: «Die Ruhe am frühen Morgen geniesse ich sogar. Zudem komme ich um diese Zeit bei meiner Arbeit auch sehr zügig voran, weil kaum Verkehr herrscht.» Ausreichend Schlaf zu haben, sei ihm allerdings mittlerweile schon wichtig. Die Nacht durchzumachen und dann direkt auf die Milchtour, diese Zeiten seien schon vorbei. Das war früher noch anders. Kari Schelbert war fast 20 Jahre als Basszüger mit seiner Ländlerformation «Echo vom Maisgold» unterwegs.

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Fondue und Catering

Maisgold, ein Einsiedler Spezialbier mit Kultpotenzial, war nicht nur Namensgeber seiner Musikformation, sondern ist auch ein Bestandteil des Spezial-Fondues, das Kari Schelbert in seinem eigenen Verarbeitungsraum selber mischt und vermarktet. Auch schön dekorierte Käse- und Fleischplatten für Hochzeiten und andere Anlässe kreiert Kari Schelbert. «Werbung mache ich für meine Catering-Angebote aber keine, da mir die Zeit für mehr Aufträge sowieso fehlt.»

Es braucht kaum mehr Offenmilch

Wenn immer möglich, bezieht er seine Produkte von lokalen Lieferanten. «Bei Produkten wie Kaffeerahm oder Kochbutter ist das heute aber nicht mehr möglich, da diese in unserer Region gar nicht mehr hergestellt werden.» Wöchentlich liefert er rund 2000 Liter Milch, 500 Joghurts und gegen 1000 Eier aus. Während vor 35 Jahren noch ein Drittel der Milch offen in die damals noch weitverbreiteten Milchkesseli ausgeschenkt wurde, seien das heute täglich nur noch ein paar wenige Liter. Mit seinem aktuellen Kundenstamm habe er momentan eine schöne Existenz. Tendenziell gehe aber die Kundenzahl schon zurück. «Das Einkaufsverhalten hat sich verändert, vielerorts sind heute beide Elternteile auswärts berufstätig und die Einkäufe werden auf dem Heimweg gemacht», erklärt Schelbert. Da, wo den ganzen Tag über niemand zu Hause sei, könnten natürlich wegen der fehlenden Kühlung auch keine Milchprodukte beim Hauseingang deponiert werden. Sein Lieferservice habe den grossen Vorteil, dass die Konsumenten keine Milch nach Hause schleppen müssten. Einen richtigen Boom erlebte seine Dienstleistung während der Coronapandemie, als insbesondere die Eierabverkäufe regelrecht explodierten. Potenzial sieht Kari Schelbert besonders im Bereich nachhaltiger Milch. Sein Neffe Pirmin Schelbert verkauft bereits jetzt Milch von seinen ohne Kraftfutter gefütterten Hornkühen mittels Automat direkt ab Hof. Diese Milch ab seinem Lieferwagen direkt in Glasflaschen der Kunden abzufüllen, würde nicht nur zu kurzen Transportwegen führen, sondern auch viel Plastik einsparen, so Kari Schelbert.

Leidenschaft Holz und Konstruieren von Automaten

Etwa um 10.30 Uhr ist Kari Schelbert meist am Ende seiner Tour angekommen. Nach dem Mittagessen macht er oft ein ausgiebiges Mittagsschläfchen. Bis zum Abend stehen dann noch Arbeiten wie Lagerbewirtschaftung oder das Rechnungswesen auf dem Programm. In seiner Freizeit widmet er sich seinen Leidenschaften Holz und Konstruieren. So erstellte er in Eigenregie den «Tauchomat». Dieser Selbstbedienungsautomat für Hofprodukte steht auf dem Betrieb seines Neffen und überzeugt insbesondere dadurch, dass die Produkte nicht in das Auswurffach fallen, sondern schonend mittels Liftsystem dorthin befördert werden. «Dadurch können mit dem Tauchomat auch Produkte wie Eier angeboten werden», so der begabte Tüftler.[IMG 3]

Übername «s Tauchä»

Der Name Tauchomat kommt übrigens vom Übernamen der aus dem Muotatal stammenden Familie Schelbert. Diese werden als «sTauchä» bezeichnet. «STauchä Kari», wie Kari Schelbert darum auch genannt wird, gehen die Ideen jedenfalls nicht aus. Einige Jahre möchte er zwar noch als «Milchmaa» unterwegs sein, die Übergabe seines Milchlieferdienstes an einen Nachfolger werde aber aktuell aufgegleist.