Die Esel drängeln sich an der Stalltüre. Es ist Zeit für eine Picknick-Wanderung mit Gästen und alle wollen dabei sein. Nur zwei der Grautiere dürfen jedoch mit, diesmal sind es Charly und Shana. «Die ersten Minuten im Stall, wenn sich Mensch und Tier begegnen, sagen mir oft, welche Teams am bestens funktionieren», sagt Denise Graf vom Hofgut Graf und Gräfin in Oberhall­au SH, inmitten des Regionalen Naturparks Schaffhausen.

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Mindestens zu zweit 

Für diesen Tag angemeldet hat sich ein Ehepaar aus dem Kanton Thurgau. «Der Ausflug ist ein Geschenk von meiner Frau zum Hochzeitstag», verrät Daniel Seiler. Der Eselliebhaber, der noch nicht viel direkten Kontakt mit den Tieren hatte, darf die kleine Stute Shana halftern und sie auf den Putzplatz führen. Seine Frau Heidi wird mit Charly unterwegs sein. «Beides sind routinierte Zwerg­esel», erklärt Denise Graf. 

Einzelne Esel seien ein wenig ungestümer und bräuchten daher etwas Erfahrung. Alle Teammitglieder, wie sie ihre Tiere bezeichnet, seien jedoch daran gewöhnt, von fremden Personen ausgeführt zu werden. «Allerdings mindestens zu zweit», betont die Bäuerin. «Esel sind Herdentiere und fühlen sich ohne ein Gschpänli nicht wohl.» 

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Zuerst ausgiebig striegeln

Braucht es dazu nicht auch das Vertrauen der Eselbesitzerin, die ihre Tiere in fremde Hände gibt? Sie mache damit gute Erfahrungen, so Denise Graf. «Zumal die Esel keine Befehle entgegennehmen und bei Druck mit Gegendruck reagieren, was häufig mit Sturheit verwechselt wird.» Damit die Tiere kooperieren, müsse man auf eine feine Weise mit ihnen umgehen. Wichtig sei ihr jedoch, dass die Gäste eine Vorbereitungsstunde mit den Eseln verbringen, bis sie zusammen losziehen. Das heisst etwa: Seilers striegeln Shana und Charly, was «ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Kennenlernen ist», wie Denise Graf sagt. Währenddessen erklärt sie dem Ehepaar, wie es nun weitergeht.  

Der halbtägige Goldeselweg, den Seilers gebucht haben, führt über drei Kilometer zum Rebhüsli der Familie Graf und wieder retour. Dazu gehört ein reichhaltiges Picknick (im Winter ist ein Fondue vorgesehen) beim oder im Rebhüsli, während die Esel eingezäunt weiden dürfen. Das Picknick, von Denise Graf zusammengestellt, besteht aus selbst ge­backenem Zopf und regionalen ­Produkten wie etwa Käse, Puureschüblig, Rohkost mit Dip, Früchten und auf Wunsch Wein sowie einem Dessert. Verpackt wird es in die Packtaschen, die Graf den beiden Tieren anschirrt. Auch mit dabei ist ein Routenplan. Dann kann es losgehen: Heidi und Daniel Seiler nehmen die Führstricke in die Hände und machen sich auf den Weg, schön hintereinander, wie es die Tiere gewohnt sind. Gut, dass nur leichter Regen angesagt ist, denn bei zu nassem Wetter bleiben die Esel lieber im Stall.

Manchmal lockt das Gras

«Ich bin jederzeit erreichbar und in der Nähe, falls ein Problem auftaucht», sagt Denise Graf ihren Gästen jeweils. Zwischenfälle gebe es selten, ab und zu komme es vor, dass sich ein Esel vom Gras am Wegrand ablenken lasse.

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Abo Agrotourismus «Wir schätzen den Kontakt mit unseren Gästen» Sunday, 12. May 2024 Wie Denise Graf selbst auf die Esel kam, ist eine eigene Geschichte: Als alleinerziehende Mutter unternahm sie einst mit ihren Töchtern eine mehrtägige Eselwanderung. Viel später, bereits verheiratet mit dem Oberhallauer Landwirt Hansueli Graf, traten ihre Lieblingstiere erneut in ihr Leben: Sie erhielt vor acht Jahren das Angebot, zwei Esel zu übernehmen. Der Stall daheim war schnell gebaut, aber bis die beiden Tiere einzogen, vergingen fast zwei Jahre.

Die Idee zum «Picknick mit Esel» kam ihr, als sie die Weiterbildung zur Weinkulturführerin Bodenseeregion absolvierte: «Das Angebot verbindet einen Rebbergbesuch mit einem besonderen Erlebnis, das zudem der Entschleunigung dient.» 

Auch Gäste aus Amerika

Heute, nach rund fünf Jahren, leben acht Klein- und Grossesel auf dem Hof und es finden fast täglich Eselwanderungen statt. Die meisten Gäste finden das Angebot über die ­Website, zudem hat es sich herumgesprochen. «Obwohl besonders auch Familien mit Kindern zum Zielpublikum gehören, kommen auffallend viele Paare», erzählt Denise Graf. Tendenziell seien es mehr Frauen, doch auch viele Männer würden sich zu den Tieren hingezogen fühlen. Die Gäste kämen aus der ganzen Schweiz, sogar Reisende aus den USA hätten den Weg hierher gefunden. 

Wer schon etwas geübter im Umgang mit Eseln ist, kann ausserdem eine Zweitagestour mit Übernachtung buchen. Zudem bietet Denise Graf spezielle Anlässe an, zum Beispiel Kindergeburtstage, bei denen die Kinder auf den grossen Eseln reiten dürfen, Wellness mit Esel für Frauen, Kürbis ernten mit Esel oder einen Samichlaus-Höck im Eselstall.

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