Denke ich an meine Grossmutter, sitzt sie in der Bauernstube auf einem roten, gepolsterten Holzstuhl am Fenster. Dort strickte sie Socken oder sah dem Geschehen auf dem Hofplatz zu. Vor allem hatte sie Zeit – Zeit und ein offenes Ohr für mich.
Sie ist längst gestorben. Was mit dem Stuhl geschah, weiss ich nicht. Ich gäbe viel darum, ihn und damit ein sichtbares Stück von meiner Grossmutter in meiner Wohnstube zu haben.
Gesuchte Fachperson
Tatsächlich hat das Polstern und das Neu-Beziehen-Lassen eines Sessels oder eines Sofas durch eine Fachperson seinen Preis. Vor allem aber ist es nicht ganz einfach, überhaupt eine Fachperson zu finden, die das Handwerk gelernt hat. Eine von ihnen ist die 53-jährige Monig Z’Rotz, eidgenössisch diplomierte Innendekorateurin.
Einstieg als Plan C
Ihr Einstieg ins Berufsleben war nicht ganz einfach. Damals war es nicht ihr Traumberuf. «Eher Plan C», meint sie heute lachend. «Zudem trauten mir die meisten Polster-Lehrmeister als zierlichen Frau das Handwerk nicht zu.» Schliesslich fand sie eine Lehrstelle. Vor allem aber: Monig Z’Rotz ist sehr glücklich mit der Polsterei geworden.
Nicht einfach entsorgen
Seit neun Jahren führt sie ihr eigenes Atelier in Luzern. Was aus der Not als alleinerziehende dreifache Mutter entstand, ist heute eine Erfolgsgeschichte mit zwei Teilzeitmitarbeiterinnen. «Werden Wohnungen oder Estriche geräumt, tauchen immer wieder altehrwürdige Stühle, Sessel oder Sofas auf. Daran hängen Erinnerungen und Emotionen und sie werden nicht gerne weggeworfen», erklärt die Fachfrau. Auch das vermehrt nachhaltige Denken und die Liebe zu alten Dingen fördern das Restaurieren.
Selbst gestalten
Wer selbst kein Erinnerungsstück hat, findet viele Angebote auf Secondhand-Plattformen. Günstige Stücke, die man mit etwas handwerklichem Geschick auch selbst restaurieren kann. Monig Z’Rotz ermuntert auch Laien, einen Stuhl mit Flachpolster neu zu überziehen. «Auch wenn es nicht ganz perfekt werden sollte, die Freude an der Arbeit zählt.»
Stabiles Holzgestell vereinfacht die Arbeit
Damit sich die Arbeit lohnt, für die sie als Profi einen guten halben Tag benötigt, gibt sie einen ersten Tipp: «Achten Sie darauf, dass das Holzgestell hochwertig ist und nicht wackelt.» Ansonsten müsste das Gestell auseinandergenommen und frisch verleimt werden. Allenfalls das Holz ablaugen, schleifen und frisch ölen. Eine Arbeit, die sie dem Antikschreiner überlässt.
Material online bestellen
Das nötige Material für eine Polsterung und für den neuen Bezug erhält man im Internet unter «Polstereibedarf» und in Bastelgeschäften. Beim Stoff muss es ein strapazierfähiges Material sein, das die Belastung und die Reibung durch das Sitzen aushält. Erhältlich sind solche Stoffe in Polsterfachgeschäften. Ob das Muster eher traditionell oder modern und frech gewählt wird, ist individuell.
Im Atelier von Monig Z’Rotz fallen die bunten Kombinationen von Stoffen an Kissen und neu überzogenen Möbelstücken auf. Sie scheint ein besonderes Flair für stimmige Farbkompositionen zu haben. «Das ist nicht einfach nur Talent», erklärt sie. Sie hat an der Hochschule Luzern studiert und mit einem Bachelor in Fine Arts, Design & Kunst abgeschlossen.
Bevor Monig Z’Rotz Schritt für Schritt zeigt, wie sich ein alter Stuhl in ein neues Bijou verwandelt, zitiert sie einen Satz aus ihrer vierjährigen Lehre, den sie sich damals auf ein Plakat schreiben musste: «Fadengerade ist die Seele einer Innendekorateurin.» Es lohnt sich also, von Beginn weg exakt zu arbeiten. Das Resultat wird es lohnen.
Eine Anleitung zum Polstern eines Stuhls finden Sie hier
Tipps vom Profi
Wer sich nicht an das Neupolstern heranwagen möchte, kann dem Stuhl mit einfachen Mitteln ein neues Aussehen geben.
- Bereits das Auffrischen des Holzgestells mit Möbelpolitur hilft.
- Ein gründliches Absaugen mit dem Staubsauger und das Bürsten lassen das Polster frischer erscheinen.
- Die alten Flecken lassen sich meist schlecht entfernen. Ein Versuch lohnt sich dennoch.
- Zuerst an einer unsichtbaren Stelle mit Fleckenspray, Pfeifenerde oder allenfalls mit einer selbst angerührten Paste aus Natronpulver ausprobieren, ob die Behandlung nicht zusätzliche Flecken verursacht. Dabei nur mit nebelfeuchten Lappen arbeiten, damit es keine Wasserflecken gibt.
- Auch Stuhlkissen mit ausgewählten Farben und/oder Mustern verleihen einen neuen Look.
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In dem neu gepolsterten und überzogenen Stuhl, den ich mit nach Hause nehme, sass zwar eine andere Grossmutter. Für mich ist er dennoch mein «Wohlfühl-Stuhl» für alle Gefühlslagen, wie es kein modernes Designstück sein kann.
Website von Monin Z'Rotz: www.innendekoration-luzern.ch