Ernährungsstudien beruhen nicht auf exakten wissenschaftlichen Erkenntnissen» – das sagte nicht SVP-Nationalrätin Katja Riem, sondern Barbara Walther. Sie leitet die Forschungsgruppe Humanernährung, Sensorik und Aroma-Analytik von Agroscope.

Katja Riem und Barbara Walther waren Referentinnen am SMP-Milchforum, an dem es vor allem um die neue Lebensmittelpyramide ging. Im September hatte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) diese zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) neu herausgebracht (wir berichteten).

Keine exakte Wissenschaft

Ernährung ist zwar, wie Barbara Walther sagte, keine exakte Wissenschaft, denn man könne die Menschen nicht wie Versuchsmäuse dazu bringen, während einer längeren Versuchsdauer immer das Gleiche zu essen. Dennoch beruhe die Lebensmittelpyramide auf wissenschaftlichen Methoden. So haben das BLV und zig Experten vier Jahre gebraucht, um mittels Modellierung und Algorithmen diese neuen Empfehlungen herauszubringen.

Milch zurückgestuft

Gut, hat die Milch ihren Platz behalten. Zu Recht, denn im Vergleich zu pflanzenbasierten Drinks ist Milch nährstoffreicher und liefert einiges mehr an Energie und an Proteinen. Auch sind Milchprodukte hochwertige Kalziumlieferanten. Das belegen Studien von Agroscope.

Allerdings wurden Milchprodukte zurückgestuft. Es werden nicht mehr drei bis vier Portionen Milch pro Tag empfohlen, sondern zwei bis drei Portionen. Dafür erhielten Hülsenfrüchte einen höheren Stellenwert. Das stiess auf Kritik. Nicht nur aufgrund der Milch, sondern deren Koppelprodukt – dem Rindfleisch. Als Erstes meldete sich Sabrina Schlegel, Präsidentin Mittelland-Milch und Teilnehmerin am Forum, zu Wort. Sie kritisierte, dass statt eines Stückes rotem Fleisch ein Pouletbrüstchen abgebildet sei.

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Vielfalt der Fleischprodukte fehlt

Abo Analyse Wenn die Kinder nur blutte Nudeln essen, hilft auch die neue Ernährungspyramide nichts Monday, 23. September 2024 «Ist das denn nachhaltig?», fragte sich nicht nur Schlegel, sondern auch Rahel Brütsch. Brütsch ist Präsidentin der Kommission Ernährung und Hauswirtschaft des Landfrauenverbandes. Die Frage nach der Nachhaltigkeit ist berechtigt, denn zum ersten Mal flossen Daten zur Nachhaltigkeit in die Erarbeitung der Ernährungsempfehlungen ein. «Die Vielfalt von Fleischsorten wird im Gegensatz zu den pflanzlichen Produkten kaum abgebildet», sagte Rahel Brütsch. Bernadette Barmettler, Bäuerin und ehemalige Hauswirtschaftslehrerin aus Aettenschwil AG, die unter den Teilnehmern sass, kritisierte, dass mit dem Pouletbrüstchen ausgerechnet ein Edelstück abgebildet werde. Das Nose-to-tail-Prinzip sei zwar in den Merkblättern zur Lebensmittelpyramide erwähnt, aber kaum sichtbar oder gelebt. «Zumal auch in den gängigen Kochbüchern wie im Tiptopf kaum mehr Rezepte mit Voressen oder Hackfleisch zu finden sind», sagte Barmettler.

Zusätzlich warf Rahel Brütsch auch noch den Aspekt Süssmost in die Diskussion ein. Klar wisse jeder, dass es gesünder sei, ganze Früchte zu essen, statt Fruchtsaft zu trinken. Aber dass Apfelsaft zu den Süssgetränken gezählt und gar nicht mehr erwähnt werde, sei mehr als nur irritierend. «Von der Politik sind Hochstammobstbäume gewollt und werden gefördert. Aber deren Früchte zu verwerten, findet kaum den angemessenen Stellenwert», so Brütsch.

Einfluss auf Alltag und Politik

«Kaum jemand hält sich beim täglichen Verzehr an die Empfehlungen der Lebensmittelpyramide», warf Beatrice Conrad, Ernährungsberaterin aus dem Oberaargau, in die Runde und weiter: «Wer isst denn wirklich fünfmal pro Tag eine Handvoll Früchte oder Gemüse, wie es empfohlen wird?» Wo die Pyramide hingegen Eingang findet, ist im Kochunterricht. «Aber um Jugendliche zu unterrichten, ist die Lebensmittelpyramide kaum geeignet, denn sie richtet sich an gesunde Erwachsene von 18 bis 65 Jahre», ergänzte Patrik Zurlinden, Abteilungsleiter Gesundheit und Genuss, Swissmilk.

«Akzente setzt die Lebensmittelpyramide auch in der Politik – in Strategien und Aktionsplänen», so Katja Riem, aber Essen solle ihrer Meinung nach Privatsache bleiben.