Nachdem sie einen Kaffee angeboten hat, verschwindet Katrin Hürlimann. Kurz darauf kommt sie mit einer dampfenden Tasse zurück und setzt sich an den Küchentisch. «Wir haben nur noch die Kaffeemaschine im Hofladen, die andere ist ausgestiegen», erklärt sie. «Aber man braucht ja auch nicht zwei Geräte.» Sich auf das Notwendige beschränken, das ist einer der Grundsätze von Katrin Hürlimann. Dieser zieht sich durch ihr Privatleben ebenso wie ihre Arbeit – wobei beides in ihrem Fall kaum zu trennen ist.
Vom Gericht auf den Hof
«Es fühlt sich einfach nicht wie arbeiten an», meint die Zürcherin. Die acht Pferde – ein eigenes und sieben Pensionstiere – versorgen, den Selbstbedienungs-Hofladen betreuen, Mostobst pressen, Saftflaschen etikettieren, im Acker- und Futterbau mithelfen – das sei ihr Leben, sagt Katrin Hürlimann. Das war einmal anders: Mit ihrer kaufmännischen Ausbildung arbeitete Hürlimann bis vor sechs Jahren am Bezirksgericht Uster. Wenn sie von ihrer dortigen Tätigkeit erzählt, ist ihre Begeisterung zwar spürbar. Doch bereits damals war die spätere Landfrau auf dem Hof ihres zukünftigen Ehemannes aktiv. «Da hat es mir den Ärmel vollends reingezogen», blickt Hürlimann zurück.
Die Liebe hat Katrin Hürlimann in die Landwirtschaft geführt. Sie ist am Stadtrand von Winterthur aufgewachsen und hatte zusammen mit ihrem Vater und ihrer Schwester 2011 eine Stute gekauft. Die damals sechsjährige Alexia erwies sich als nicht ganz einfach und nach einem Unfall half Beat Hürlimann als Pferdetrainer Stute und Reiterin. «Weiss der irgendetwas nicht?», fragte sich die Zürcherin, beeindruckt von den Kenntnissen des Landwirts in Tierhaltung und Pflanzenbau, aber auch Unternehmertum. Denn der Betrieb der Familie Hürlimann in Freudwil ZH ist mit Pferden, Milchkühen, Acker- und Futterbau sowie einer Mosterei breit aufgestellt. Mittlerweile hat Beat Hürlimann seinen Anteil an der Holsteinherde an seinen Bruder verkauft, ihm gehört die Mosterei und das Paar bewirtschaftet zusammen 14 Hektaren Land.
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Keine einfache Position
Als Angestellte hätten sich bei ihr irgendwann Langeweile und zu viel Wiederholung eingestellt, erinnert sich Katrin Hürlimann. In der Landwirtschaft hingegen sind ihre Aufgaben vielfältiger. Ausserdem arbeitet sie in drei verschiedenen Jobs rund 50 % auswärts: als Geschäftsführerin der Dachorganisation der kantonalen Berufsverbände der landwirtschaftlichen Angestellten (Abla), als Stiftungsrätin bei der Agrisano-Stiftung und der Agrisano Pencas und beim Naturzentrum Pfäffikersee in der Administration. Dabei kann Hürlimann auf ihre Erfahrung in der Büroarbeit zurückgreifen, ebenso wie in der Buchhaltung des eigenen Hofs.
Als Vertreterin der Angestellten hat Katrin Hürlimann in Lohnverhandlungen keine einfache Position. «Ich sage, was ich denke – das ist manchmal positiv und manchmal negativ», meint sie. «Das tun viele in der Landwirtschaft, dieses Urchige schätze ich.» Wie beim Gericht versuche sie, beide Seiten zu sehen. Dass es vorwärtsgehen muss, darin seien sich alle Beteiligten einig. «Wir müssen die richtigen Schritte dafür definieren. Etwas durchzuboxen, hilft niemandem», ist Hürlimann überzeugt. Ihr fällt es aber nicht schwer, gegen den Strom zu schwimmen. Das sei schon von Kindesbeinen an so gewesen: «Wenn alle nach rechts gingen, wandte ich mich nach links – dann erst recht.»
Mist wird Bokashi
Auch mit ihrem Landwirtschaftsbetrieb – oder besser ihrer Hälfte davon – gehen Beat und Katrin Hürlimanns eigene Wege. So haben sie sich der Regenerativen Landwirtschaft zugewandt, versprühen Effektive Mikroorganismen im Pferdestall, lassen den Mist anaerob zu Bokashi fermentieren und geben den dritten Grasschnitt als Flächenrotte dem Boden zurück. «So kommen wir nahezu ohne Kunstdünger aus», freut sich Katrin Hürlimann. Mit dem Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz arbeiteten sie praktisch biologisch, ergänzt die Landfrau. In der Mosterei hat Regionalität aber Vorrang vor Bio-Rohstoffen. «Bio-Mostobst ist schwer zu bekommen und wir kennen unsere Lieferanten», erklärt Katrin Hürlimann. Auf diese Weise sei sie sicher, dass die Kulturen mit Bedacht geschützt werden.
Ohne landwirtschaftlichen Hintergrund hat sich Hürlimann in die Arbeit gestürzt. «Zeig mir, was ich machen kann», bat sie ihren Mann. Manchmal fehlte dann die Zeit für eine genaue Einweisung und sie probierte aus. «Ich war mit dem Kreisler unterwegs, schaute nach hinten und fragte mich: Muss das so aussehen?», erinnert sie sich schmunzelnd. Wegen Wissenslücken oder ihrer körperlichen Voraussetzungen als Frau komme sie zwar ab und zu an ihre Grenzen – und stehe zum Beispiel fluchend vor einem Haufen Baumaterial, das zum Tragen für sie zu schwer ist. «Aber ich will Beat unterstützen und schätze es, wie kreativ und selbstständig man in der Landwirtschaft sein kann.»
«Ich fragte mich: Muss das so aussehen?»
Das erste Mal mit dem Kreisler auf dem Feld war der Landfrau etwas mulmig.
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Regional ein- und verkaufen
Die Mosterei Hürlimann ist mit diversen Saftkreationen erfolgreich. Aber auch bei der Vermarktung bleibt das Paar dem Grundsatz treu, sich zu beschränken: «Wir wollen nur in der Region und nicht schweizweit etwa via Grossverteiler verkaufen», hält Katrin Hürlimann fest. Denn auch in Zukunft will sie die Arbeit zusammen mit ihrem Mann und ohne Festangestellte stemmen können. Dass sowohl Katrin als auch Beat Hürlimann (als Pferdetrainer) auswärts arbeiten, gibt ihnen in der Landwirtschaft zusätzlichen Spielraum für Versuche – z. B. mit dem konsequenten Anbau von Untersaaten im Getreide. «Ausserdem gibt es mir eine gewisse Unabhängigkeit», meint die Landfrau, «obwohl ich weiss: Beat würde mir alles geben – und ich ihm».
Vieles sei noch im Aufbau, meint Katrin Hürlimann. Erst kürzlich wurde der Pferdestall fertig erneuert, auf dem Acker muss sich eine angepasste Fruchtfolge mit viel Leguminosen als Stickstoffbringer bewähren. Obwohl sie ihre Arbeit auch als ihr Leben bezeichnet, will sich Katrin Hürlimann in Zukunft auch mal mehr freie Zeit gönnen und mit ihrem Mann häufiger beizeiten Feierabend machen. «Aber es gelingt uns eigentlich nicht schlecht, nicht ständig zu arbeiten», findet die Zürcherin.
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