«Nun sind wir wieder komplett, das ist ein gutes Gefühl», sagt Anna Hofstetter. Ein leichtes Glitzern ist in ihren Augenwinkeln festzustellen. Gerade eben hat der Viehtransporter die Milchkühe gebracht. Sie waren den Sommer über auf einer Alp in l’Etivaz VD. Und nun sind sie angekommen, in ihrem neuen Zuhause. Und mit neu ist in diesem Fall tatsächlich neu gemeint.

Schon wieder neu

Erst am 1. April hat Familie Hofstetter die Pacht am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im aargauischen Frick angetreten. Eigentlich hätte der neue Stall schon zu diesem Zeitpunkt fertig sein sollen. Aber
das war er, wie bei so vielen Bauprojekten, nicht und so musste Familie Hofstetter eine Übergangslösung für ihre Kühe finden. Diese fanden sie mit der Alp in l’Etivaz.

Und nun sind sie hier – im neuen blitzblanken Stall. Die behornten Tiere, die frisch aus dem Lastwagen gestiegen sind, beäugen ihr neues Zuhause. Sie schnuppern am frischen Stroh in den Liegeboxen und begrüssen ihre Kolleginnen, die Galtkühe, die nicht mit auf der Alp waren.

Es ist ein offener und heller Laufstall mit Liegeboxen und Tiefstreu. Er bietet Platz für insgesamt 30 Kühe. Die Aufzuchttiere sind an einem anderen Ort. Doch vorerst sind erst 15 Kühe hier, denn die Herde muss erst vergrössert werden.

Forschung sichtbar machen

Doch warum baut das FiBL überhaupt schon wieder einen neuen Stall? Erst 1999 hat man hier einen Meili-Landschaftsstall gebaut und jetzt einen Laufstall. Florian Leiber, Leiter vom Departement für Nutztierwissenschaften am FiBL, erklärt: «Traditionell war die Tierforschung vom FiBL immer auf verschiedenen externen Betrieben. Dies wollen wir auch beibehalten.»

Trotzdem suchten sie eine Möglichkeit, auch vor Ort experimentelle Tierforschung zu betreiben. Dazu kommt, dass das FiBL viele Besucher hat und man diesen die Forschung sichtbar machen wolle. So kam der Entscheid, am FiBL einen neuen Milchviehstall zu bauen. Einen Milchviehstall mit Doppelnutzung: «Einerseits soll er der Forschung dienen und andererseits muss er auch funktionieren und wirtschaftlich sein für die Familie Hofstetter», sagt Leiber.

Hinter dem Stallabteil für die Milchkühe ist ein reines Forschungsabteil geplant. Dort sollen dann zwölf Boxen entstehen, die in mehrere Gruppen unterteilt werden können, für Kleinwiederkäuer und auch Kälber. «Die Kälberaufzucht besser zu erforschen, liegt schon lange in unserem Interesse», erklärt der Nutztierforscher.

Melkroboter sammelt Daten

Die Stallmasse entsprechen den Stallmassen für Laufställe für Kühe mit Hörnern, die vom FiBL entwickelt worden sind. Weil das FiBL auch mit den Milchkühen Versuche machen will, hat es sich für einen Melkroboter entschieden. Im Melkroboter von Lely können vier verschiedene Zusatzfutter verabreicht werden. Zusätzlich ist auch ein Flüssigzusatz möglich.

Der Melkroboter sammelt zudem laufend Daten, die für die Forschung nützlich sind. Unter anderem ist der Melkroboter mit einem Zellzahlmessgerät und einer Viehwaage ausgerüstet. Florian Leiber erklärt, dass Fütterungsversuche normalerweise mit Kühen in Gruppen gemacht werden.

Dies sei aber bei dem Laufstall schwierig. Dank der Datenerhebung im Melkroboter sind aber trotzdem Fütterungsversuche möglich. So kann untersucht werden, wie sich verschiedene Ergänzungsfuttermittel auf einzelne Kühe auswirken, die alle dieselbe Grundration erhalten. Weil die Transponder aller Kühe mit Bewegungs- und Wiederkausensoren ausgestattet ist, lassen sich auch Aussagen über die Futteraufnahme und Verdauung machen. Kraftfutter wird auf dem Demeter-Betrieb keines verabreicht. Daher wollen Hofstetters die Kühe mit Kleegraswürfeln in den Melkroboter locken.

Gehen wie auf der Weide dank Meadowfloor

Was im neuen Milchviehstall auch noch speziell ist, ist der Boden. Im Stall gehen die Kühe auf dem Meadowfloor. Dies ist ein neuer Boden, den die Stalleinrichtungsfirma B+M anbietet. Die Oberfläche des Spaltenbodens ist eine Kombination aus Gummimatte und Betonklötzchen. Dadurch hätten die Kühe einen weideähnlichen Laufkomfort und trotzdem sei der Klauenabrieb gewährleistet, versprechen die Hersteller.

Doch was sagt der Landwirt dazu? «Es war auffällig, dass die Kühe am Anfang tatsächlich schneller und ohne Scheu über den Meadowfloor gelaufen sind, als über den Betonspaltenboden im Laufhof», sagt Gerhard Hofstetter.   Durch die Rillen im Gummi soll zudem der Urin schneller abfliessen und so Ammoniakemissionen vermindert werden. Der Gummi ist bei der Auslieferung bereits auf den Betonelementen montiert.

Entmistungsroboter wird programmiert

Damit der Boden immer sauber bleibt, hat das FiBL auch in einen Joz-Tech-Entmistungsroboter von der Firma Syntech investiert. Beim Besuch der Redaktorin war der Servicetechniker gerade dabei, die Routen einzuprogrammieren. Der Roboter schiebt den Mist in die Spalten und sprüht hinterher wenig Wasser, damit der Mist nicht antrocknen kann.

Damit Hornkühe ruhig fressen können

Beim Fressen hat sich das FiBL für das Fressgitter «Eidgenoss» entschieden, das von Christian Müller, einem Landwirt, entwickelt worden ist. Dieses wurde speziell für horntragende Kühe und Rinder entwickelt. Die Fressplatzbreite beträgt einen Meter. Dankt der waagrechten Stangen der Zwischenelemente sollen sich die Tiere wohler fühlen, weil sie besser nach hinten schauen können. Die Fixierbügel gehen leicht auf und zu, was den Kühen ein leichtes Fliehen ermöglicht. 

«Mit meinen Hornkühen habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie ruhiger fressen können, wenn man sie fixieren kann», erklärt Gerhard Hofstetter. Aus diesem Grund hat man an der Fressachse auch regelmässig Liegeboxenbügel montiert, damit nicht eine Kuh alle anderen wegjagen kann.

30 Millionen Franken Baukosten

Beim Bau des Milchviehstalles hat das Forschungsinstitut  darauf geachtet, möglichst mit regionalen Baufirmen und Stalleinrichtungsunternehmen zusammenzuarbeiten. Die Bauarbeiten am neuen FiBL-Campus haben 2018 angefangen. In das gesamte Bauprojekt werden insgesamt rund 30 Millionen Franken investiert, wovon der Stall und dessen Einrichtung einen beträchtlichen Anteil einnehmen. Ein Teil wurde vom kantonalen Lotteriefonds finanziert.