«Ein rechter Bauer hat ein Sackmesser dabei», pflegt mein Vater noch heute zu sagen. Im Alltag ist es Schraubenzieher, Unterlagsscheibe und Operationsgeschirr zugleich. Ein Allzweckgegenstand mit den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen, handlich, in jeder Hosentasche zu verstauen. Genauso zur Grundausstattung eines Landwirtes gehört, so würde ich behaupten, inzwischen auch das Mobiltelefon. Ebenfalls handlich und in allen denkbaren Situationen anwendbar, gibt es heutzutage wohl kaum jemanden, der das Handy nicht auf sich trägt – auch kein Bauer.
Immer an, immer erreichbar
Der Blick auf den Wetterradar auf dem Weg in den Stall geschieht bei vielen schon fast routinemässig. Beim Frühstück werden dann die Nachrichten gecheckt, beim Zäunen kurz der Tochter angerufen, sie solle doch noch den Strom abschalten. Ohne Smartphone müsste man sich wohl oder übel auf die Vorhersage der Wetterschmöcker, die Acht-Uhr-Nachrichten im UKW-Radio und das eigene Gedächtnis verlassen, um nicht bei strömenden Regen und ununterbrochenem Stromkreislauf den Zaun zu verschieben.
Man möge die Entwicklung gut finden oder nicht, doch die Tatsache, dass dank dem Smartphone einige Dinge im Alltag einfacher wurden, ist wohl unbestritten. Die Akzeptanz ist gross, die Technologie fast überall angekommen. Anders sieht es bei der Nutzung von mobilen Zahlungslösungen, digitalen Erfassungssystemen und drahtlosen Übertragungsmechanismen aus. Geht es um Twint, SmartCow oder die TVD-App, tut sich oftmals ein Generationengraben auf.
Ein anderer Zugang
Im Fachjargon spricht man von «digital natives» und «digital immigrants». Der erste Ausdruck steht für diejenigen, die mit der Digitalisierung aufgewachsen sind und die Entwicklung von Smartphones und Co. hautnah miterlebt haben. Schon als Jugendliche hat sich diese Generation mit dem digitalen Wandel befasst, war technikaffin und mit Touchscreens und Videochats stets auf dem neusten Stand.
Ihr Gegenstück, auf Deutsch übersetzt die «digitalen Einwanderer», tun sich mit dem rasanten Tempo, mit dem die Digitalisierung nach und nach alle unsere Lebensbereiche verändert, schwerer. Diese Generation kennt die alten Telefone, bei denen man die Nummer nicht auf einem Bildschirm eintippt, sondern auf der Drehscheibe wählt. Sie wissen noch, wie es ist, nicht immer und überall erreichbar zu sein.
Während die «natives» mit einer Selbstverständlichkeit ein neues Programm bedienen und mit wenigen Klicks die Ansicht personalisieren, brauchen die «immigrants» bei der Akquise von solchen Kenntnissen oft etwas länger. Ob es an der geringeren Erfahrung, der Angst, etwas falsch zu machen, oder an den Fremdwörtern liegt, die im Bereich der Informatik zu Tausenden herumschwirren, ist schwer zu sagen. Dass die Schnelllebigkeit dieser Programme, die ständigen Updates und jährlichen Neuerungen den Lernprozess aber zusätzlich erschweren, ist hingegen nachvollziehbar.
Es trifft auch die Bauern
Und trotz allen Herausforderungen ist die Digitalisierung eine Entwicklung, die sich nicht bremsen lässt und die auch vor den Toren der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe nicht Halt macht. Während vor einigen Jahren ein Melkroboter im Stall für Exklusivität stand, ist dieser heute auf vielen Milchwirtschaftsbetrieben ein zuverlässiger Mitarbeiter. Einer, der sich neben Fütterungsautomaten, selbstfahrenden Futterzuschiebern, Mistrobotern und digitalen Erfassungssystemen auf dem Bauernhof in guter Gesellschaft weiss.
Und so sitzen die Landwirte von heute statt unter dem Euter der Kuh immer öfters im Büroraum. Dort werten sie die Daten aus, die der Melkroboter kontinuierlich und in immensen Mengen an die Zentrale sendet.
Mit- und voneinander lernen
Doch wie diese Datenberge verarbeitet werden, liegt noch immer am Bauern. Basierend auf seinem Fachwissen, dem Gefühl und der Erfahrung entscheidet er, welche Tiere zur Nachzucht verwendet werden, wann eine Kuh in die Abkalbebox kommt und wo es den Tierarzt braucht. Die Daten können ihn dabei unterstützen – doch nur, wenn der «digital native» diese sorgfältig auswertet und mit Erfahrungswerten des «digital immigrants» vergleicht. Dazu müssen die zwei Generationen zusammenarbeiten.
Die Digitalisierung verändert unsere Welt und die Art, wie wir denken und leben. Nutzt man diese neuen Möglichkeiten gezielt, vereinfacht sich vieles. Doch die Erfahrungen, die Menschlichkeit und die Leidenschaft für das Handwerk können durch keine Datenmenge, keinen Roboter und keine App ersetzt werden. Weiter kommt nur, wer alle Werkzeuge nutzt. Und so hat heutzutage ein rechter Landwirt das Smartphone in der rechten und das Sackmesser in der linken Hosentasche.

