135 Stück Vieh in einem neuen Stall mit Melk-, Fütterungs- und Mistroboter in Steinerberg, das ist für einen Schwyzer Betrieb in der Bergzone immer noch aussergewöhnlich. Bemerkenswert ist auch die Ruhe im Stall auf dem Betrieb Baumgarten. Beim Rundgang lässt sich kein Tier aus der Ruhe bringen. Im Gegenteil, interessiert beschnuppern die Kühe den Besucher. «Unsere Tiere sind es sich ja gewohnt, Menschen um sich zu haben. Denn ich gehe bis fünfmal täglich durch den Laufstall», erklärt Betriebsleiter Pascal Reichlin.

Negative Kommentare

Seit einem halben Jahr lebt seine Kuhherde im neuen Stall. «Als ich mich vor zwei Jahren intensiv mit einer Investition in die Robotertechnik befasste, waren von Berufskollegen fast nur negative Kommentare gegenüber dieser Technik zu hören. Es sind viele falsche Klischees zu Melkrobotern in Umlauf», schaut der 36-Jährige zurück.

Nach mehreren Betriebsbesuchen war Pascal Reichlin von der mittlerweile ausgereiften Technik überzeugt. Die Umstellung sei für Mensch und Tier absolut problemlos verlaufen. Dem pflichtet auch Silvia Ulrich bei, die Lebenspartnerin von Pascal Reichlin. «Ich war beim Einzug in den neuen Stall sehr skeptisch. Doch sogar das Anmelken von Rindern ist entspannter als in einem Melkstand.» Überzeugend auch eine weitere Aussage von Pascal Reichlin: «Heute kann ich sagen, dass der grösste Teil der Melkarbeitszeit durch den Roboter eingespart werden kann.»

«Ich gehe bis fünfmal täglich durch den Stall.»

Milchproduzent Pascal Reichlin erklärt, warum seine Kühe so zutraulich sind.

Interessante Genetik

Pascal Reichlin lernte erst Landmaschinenmechaniker und arbeitete zehn Jahre lang auf diesem Beruf. Dazu machte er die landwirtschaftliche Ausbildung mitsamt Betriebsleiterschule. Seit 2016 führt er nun den 50 Hektaren grossen Milchvieh- und Aufzuchtbetrieb unterhalb von Steinerberg in einer BZG mit seinem Bruder Damian, welcher zu 100 Prozent einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Technik und Tierhaltung faszinieren Pascal Reichlin gleichermassen. So unterhält und pflegt er seinen Maschinenpark selber, welcher für die Bewirtschaftung der 50 Hektaren Futterbauwiesen benötigt wird. Gleichzeitig sind er und seine Familie engagierte Braunviehzüchter. So stammt unter anderem Simbaboy Sina, die Braunviehkuh mit dem schweizweit höchsten Gesamtzuchtwert, aus seinem Stall.

Alle Tiere sind genomisch getestet. «Obwohl wir nie bewusst auf Zuchtwerte züchteten, haben wir aktuell um die 45 Tiere mit ein GZW von über 1200.» Wirtschaftliche und problemlose Kühe sind das züchterische Ziel auf dem Betrieb der Familie Reichlin. Das Exterieur muss funktionell sein, schöne Kühe erfreuen aber auch Pascal Reichlin. Korrekte Tiere seien meist auch wirtschaftlich. «Kühe mit guten Eutern und korrekten Becken funktionieren besser als Tiere mit groben Fehlern.» Die Milchleistung liegt aktuell bei 9300 kg, in Zukunft soll vor allem beim Milchgehalt noch eine Verbesserung erreicht werden. Obwohl dieser mit 3,6 Prozent Eiweiss schon auf beachtlichem Niveau liegt. Auch bei der Eutergesundheit bewegt sich der Betrieb auf hohem Niveau. Bei 30 000 bis 50 000 Zellen liegt jeweils die Tankprobe. Durch den Roboter sei die Eutergesundheit noch besser geworden. Dass der ganze Melkvorgang bei jedem Viertel separat abläuft, erachtet Pascal Reichlin als grossen Pluspunkt. «Wir hatten bisher noch keine Euterentzündung.» Und dass die Milch von einzelnen Vierteln separat gesammelt werden kann, wirke sich natürlich ebenfalls positiv auf die Kontrollresultate des Milchabnehmers aus. Dank der sehr hohen Milchqualität profitiert Pascal Reichlin von einen guten Milchpreis, was in Anbetracht der Investitionssumme willkommen ist.

«Es sind viele falsche Klischees im Umlauf.»

Pascal Reichlin bekam von Berufskollegen negative Kommentare zum AMS.

30 Minuten für die Fütterung

Je nach Ausstattung kostete das Melkrobotersystem der Firma GEA 180 000 bis 220 000 Franken. «Die hervorragende Zugänglichkeit während des Melkvorgangs war ausschlaggebend für meine Wahl.» Dank den hohen Eigenleistungen insbesondere in der Stalleinrichtung und der Elektroinstallationen konnten die Kosten pro Stallplatz auf deutlich unter 25 000 Franken gehalten werden. 58 Kuh- und 16 Kälberplätze befinden sich im Neubau. Im älteren Stallteil hat es Platz für weitere 70 Jungtiere. Neben den 40 eigenen ziehen die Reichlins im Vertrag noch 50 Stück für andere Bauern auf. 75 Meter lang ist die eindrückliche Futterachse. «Als mir das auf den Plänen erstmals bewusst wurde, machte ich mir schon Gedanken, wie die Fütterung möglichst rationell eingerichtet werden kann.» Pascal Reichlin setzte auf ein halb automatisches Fütterungssystem. Im stationären Mischer macht er je eine Ration für die Rinder/Galtkühe und die Melkkühe/Jungtiere bis sieben Monate. Die eine Mischung bleibt im Mischer, die andere wird in einem Bunker zwischengelagert. 30 Minuten dauert dieser Vorgang. Die exakte gruppenweise Verteilung der Ration übernimmt dann der Roboter. Sieben Mal täglich erhalten die Milchkühe von der Mischung. «Auch das ist ein Grund für die grosse Ruhe im Stall. Ob der Melkvorgang oder das Füttern, in unserem Stall ist das ein fast 24 Stunden andauernder Prozess.»

Lebensqualität gesteigert

Der grösste Vorteil in der Robotertechnik sieht Pascal Reichlin, neben der hohen Arbeitseffizienz, in der Steigerung der Lebensqualität. Die Flexibilität im Alltag sei viel grösser. Dazu kommt, dass die Kühe auch während der Futterernte im Sommer immer optimal betreut sind. Die Wiesenparzellen sind vom Lauerzersee auf 450 m ü. M. bis auf 1100 m ü. M. hoch verteilt. Dies verursacht viele Traktor- und Arbeitsstunden. Und da die besten Wiesen am sonnigen Steinerberg über sechs Mal genutzt werden, ist die Futterernte während der Vegetationszeit ein fast immer andauernder Prozess. Aber nicht nur im vergangenen Sommer war die Familie Reichlin um den neuen Stall froh. Sie freut sich nun auch im Winter darauf, erstmals alle Tiere unter einem Dach betreuen zu können.

 

Betrieb Baumgarten

Betriebsform: BZG Pascal und Damian Reichlin

Fläche: 50 ha LN, 10 ha Wald, 450 bis 1100 m ü. M.

Tiere: 45 Kühe (Zielbestand 55), 90 Stück Jungvieh

Leistungsdaten: 9300 kg Milch, 4,1 % Fett, 3,6 % Eiweiss, 60 ZZ

Arbeitskräfte: Betriebsleiter Pascal, Vater Martin, Lehrling, bei Arbeitsspitzen Partnerin Silvia, Bruder Damian und Mutter Rita