Abo Gesellschaft «Hallo du elender Scheisskerl...» – so müssen sich Bauern und Lohnunternehmer beschimpfen lassen Thursday, 20. July 2023 Der Hass geht tief – die Reaktionen auf den anonym verfassten Hassbrief an ein Berner Lohnunternehmen fallen allerdings glimpflich aus. Auslöser dieses beleidigenden Schreibens an den Mähdrescher-Fahrer war offenbar, dass dieser «trotz ungefähr zehn Ausweichmöglichkeiten, arrogant und protzig auf der ganzen Strecke» den Verkehr nie vorbeiziehen liess.

Den Adressaten eingeladen

Anstatt im selben unanständigen Tonfall zu antworten, hat das Berner Lohnunternehmen gut reagiert. Die Betroffenen haben den Brief auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht und in wenigen kurzen Sätzen gesagt, was Sache ist. Zudem hat das Unternehmen den Absender des Briefs dazu eingeladen, zu Besuch zu kommen, damit man ihm (oder ihr) zum einen die Arbeit und zum anderen die Ausweichmöglichkeiten (oder eben deren Fehlen) erklären könne.

Meinungen gehen auseinander

Wir haben unsere Leserschaft um ihre Meinung zum Thema gefragt. Die Kommentare dazu gehen in beide Richtungen. Zum einen macht sich Solidarität mit den landwirtschaftlichen Fahrten breit. So hinterliess beispielsweise ein Nutzer folgende Nachricht: «Nur nicht aufregen und so ruhig bleiben, wie die betroffene Familie. Der Inhalt des anonymen Briefes sagt ohnehin genug über die Intelligenz des Verfassers aus. Schimpfwörter werden bekanntlich nur verwendet, wenn überzeugende Argumente fehlen.»

Einige Leser rufen zur Selbstreflexion auf

Andererseits rufen Leser zur Selbstreflexion auf: «(…) leider halten sich viele nicht mehr an die Spielregeln des gegenseitigen Respektes im Verkehr (damit sind alle Teilnehmer gemeint).» Und weiter: «Leider fallen unsere Landwirte gleich nach rasenden Rentnern auf E-Bikes am meisten durch egomanisches Verhalten auf den Strassen auf. Auch wenn es viele Landwirte nicht glauben wollen; auch andere Menschen arbeiten schwer für ihr Geld.»

Der Vorfall beschäftigt die Branche 

Auf Facebook wurde der Artikel dazu über 450-mal geteilt und 150-mal kommentiert. Der Vorfall beschäftigt die Branche und wird sogar von Medien wie «Tamedia», «Bärn Today» oder auf der «Bluewin.ch»-Plattform aufgenommen.

Der Schweizerische Verband für Landtechnik (SVLT) beispielsweise «verurteilt solche Hasstiraden, wie in diesem anonymen Brief niedergeschrieben, aufs Schärfste. Landwirte und Lohnunternehmen, die sich tagtäglich mit ihren Familien für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion engagieren, haben solche Reaktionen nicht verdient. Wir hoffen, dass dies ein Einzelfall ist und es bei diesem bleibt», so Roman Engeler vom SVLT.

Der SVLT gibt Verkehrstipps

Der SVLT setze sich für ein «friedliches Nebeneinander» im Strassenverkehr ein und hat dazu vor geraumer Zeit eine Kampagne zum Thema Sicherheit und Rücksicht auf der Strasse lanciert.

Hier finden Sie die Verkehrstipps des SVLT

Sonntagsfahrverbot: Für wen gilt es?

In letzter Zeit wurden neben dem Nicht-Ausstellen vom Mähdrescher im Bernbiet (siehe Artikel) landwirtschaftliche Fahrten an Sonntagen oder zu später Stunde kritisiert. So erhielt ein Landwirt aus Bünzen im Kanton Aargau offensichtlich eine direkte Nachricht, in der er diesbezüglich zurechtgewiesen wurde.

«Alle Anwohner belästigen»

Es sei eine Frechheit, mit riesigen Maschinen an einem Sonntagmittag umherzufahren und «alle Anwohner zu belästigen». Der betroffene Landwirt reagierte ruhig und wies darauf hin, dass der Ackerbau vom Wetter abhänge und aufgrund der schlechten Prognose vom Montag deshalb am Sonntag gearbeitet werden musste.

Einige Ausnahmen

Schlägt man die Verkehrsregelnverordnung (VRV) bei Artikel 91 unter dem Abschnitt Sonntags- und Nachtfahrverbot auf, wird schnell klar, was an einem Sonntag gesetzeskonform ist und was nicht. Demnach sind vom Sonntags- und Nachtfahrverbot, welches generell von 22 bis 5 Uhr gilt, ausgenommen:
a: Fahrzeuge zum Personentransport;
b: land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge (die Liste ist nicht abschliessend).

Folglich sind landwirtschaftliche Fahrten grundsätzlich auch an Sonntagen gestattet. Dennoch ist im VRV als letzter Punkt festgehalten, dass «bei Fahrten während des Sonntags- oder Nachtfahrverbots jede vermeidbare Ruhestörung zu unterlassen ist».