Die Teilliberalisierung des Strommarkts 2009 hätte zu mehr Wettbewerb und dadurch zu tieferen Preisen führen sollen. Das Gegenteil ist der Fall. Warum hat das nicht funktioniert?
Christian Wolf: Die öffentlich-rechtliche Vorgaben vor der Liberalisierung sorgten für Stabilität. Marktliberalisierung heisst nichts anderes als das Recht des Stärkeren verbunden mit grossen Preisschwankungen. Die grössten und teuersten Kraftwerke geben den Preis vor und das sind nun mal die Gaskraftwerke. Aber die Preise stiegen schon im Sommer 2021, bevor der Ukrainekrieg begann.
Trotzdem plant der Bundesrat einen weiteren Schritt zur vollständigen Marktöffnung. Sehen Sie darin weitere Risiken für die Endverbraucher?
Geplant ist, dass nicht nur Grosskunden wie 2009, sondern auch jeder Haushalt und kleine Betriebe ihren Lieferanten selbst auswählen können. Dieser Liberalisierungsschritt macht für mich keinen Sinn. Wir sehen in Amerika, Grossbritannien und Deutschland die Folgen der Liberalisierung: Zerfleischung am Markt, immer höhere Preise und immer weniger Investitionen in die Infrastruktur. Nicht dass uns dies grad unmittelbar droht, denn im Vergleich zum Ausland sind unsere Strompreise noch günstig und die Infrastruktur ist nicht heruntergewirtschaftet. Aber längerfristig wird das nach dem gleichen Schema ablaufen.
Dem Rettungsschirm für Stromfirmen können Sie demnach nicht viel abgewinnen?
Nein. Immer grössere Firmenkonstrukte, immer mehr Gewinne, immer risikofreudiger – und wenn es in die Hose geht, muss die Allgemeinheit die Kosten tragen beziehungsweise der Endverbraucher.
Für die Stromerzeuger lohnt es sich, Strom am freien Markt zu verkaufen. Dumm sind die dran, die noch an die KEV gebunden sind. Wie kann man aus der KEV aussteigen?
Der Betrieb muss für seine PV-Anlage eine Meldung an die Vollzugsstelle für Förderprogramme, Pronovo, machen, alle Subventionen zurückzahlen und sich für die Einmalvergütung anmelden. Einige Ostschweizer Betriebe haben sich dafür entschieden. Ein KEV-Ausstieg macht Sinn, wenn die Einspeisevergütung sehr tief ist und der Eigenverbrauch hoch ist. Aber wenn man sich aus der KEV verabschiedet hat, gibt es kein Zurück. Der Betrieb ist von der Preisentwicklung der Strombörse und der Gaspreisentwicklung abhängig. Mit der KEV hat man dagegen einen gesicherten Strompreis.
Das neue Energiefördergesetz sieht eine Einspeisevergütung vor. Während 15 Jahren darf man nur ans Netz liefern. Das ist nichts für Bauernbetriebe, die Autonomie anstreben. Oder wie sehen Sie das?
Es gibt einen Spielraum. Man kann eine Eigenverbrauchsanlage bauen und daneben eine Anlage mit reiner Einspeisung verbunden mit der hohen Vergütung. Z. B. bei einer Dachfläche von 1000 m2 50 bis 100 kW für Eigenverbrauch, den Rest für die Einspeisung. Die Anlagen müssen technisch getrennt sein und über separate Zähler verfügen. So heisst es in den Vernehmlassungsunterlagen und so wird es vom Bundesamt für Energie kommuniziert. Lange Zeit musste man zwei Anlagen zusammenführen, jetzt läuft es auf das Gegenteil hinaus.
