«Service obstructor», also Dienstverhinderer; das ist der Titel eines Dokuments aus der Feder der US-amerikanischen Konsumentenschutzes US PIRG. Die Abkürzung steht für «Public Interest Research Group». Im Bericht der Recherche-Gruppe für öffentliches Interesse, der 2023 erschienen ist, wird der Unmut der amerikanischen Bauern laut. Der Vorwurf: Die Reparatur-Software von John Deere hindere Landwirte daran, ihre Traktoren selbstständig zu reparieren.
Im 25-seitigen Bericht sammelt die Organisation Befunde, die bestätigen, dass die gekauften Reparatur-Softwares oftmals nicht dieselben Diagnosen anzeigen, wie es die Reparatur-Software der Hersteller tut. Das Problem: Die amerikanischen Bauern zahlen eine hohe jährliche Gebühr, um die Software überhaupt nutzen zu können und allfällige Reparaturen selber zu beheben.
Konkret geht es um die Anwendung «Customer Service Advisor». Dabei handelt es sich um eine digitale Datenbank mit Bedienungsanleitungen und technischen Handbüchern. «Benutzer mit dieser Lizenz können online auf diese Informationen zugreifen oder eine heruntergeladene Anwendung für eine Diagnose verwenden», heisst es bei Deere & Company World Headquarters. Dieses Tool erwerben Landwirt(innen) beim Händler vor Ort oder online über den Shop.
Werden Infos verschleiert?
Das rät der Konsumentenschutz
Diese Empfehlungen gibt die Stiftung für Konsumentenschutz ab.
- Vertragsbedingungen prüfen: Abonnements sind oft mit automatischen Verlängerungen verbunden. Kündigungsfristen genau durchlesen.
- Gesamtkosten berechnen: Monatliche oder jährliche Gebühren können sich schnell summieren. Überlegen, ob sich ein Abo langfristig lohnt.
- Flexibilität vs. Bindung: Manche Abos bieten flexible Modelle, andere erfordern eine langfristige Verpflichtung. Wählen Sie das Modell, das zu Ihrem Nutzungsverhalten passt.
- Verfügbarkeit von Alternativen: Es gibt oft kostenfreie oder günstigere Alternativen. Prüfen Sie, ob Sie die gleichen Dienstleistungen anderswo bekommen.
- Nutzung realistisch einschätzen: Braucht man das Abo wirklich regelmässig oder könnte ein Einzelkauf günstiger sein?
- Daten und Privatsphäre: Viele Abonnement-Dienste sammeln Daten. Überlegen Sie, wie die eigenen Informationen verwendet werden und ob das akzeptabel ist.
Landwirte, die diesen Kundendienst nutzen, könnten nicht auf die notwendigen Diagnose-Informationen zugreifen, so das Fazit des Berichts. Und es geht noch weiter: Der «Customer Service Advisor» hindere Landwirte sogar daran, Reparaturen digital abzuschliessen. «Die mit John Deere verbundenen Händler stellten fest, dass öffentlich zugängliche Funktionen, die für die eigenständige Durchführung vieler Reparaturen erforderlich sind, den Benutzern vorenthalten, unkenntlich gemacht oder gar verschleiert werden», heisst es im Bericht.
Konfrontiert mit diesen Vorwürfen verweist die Firma Deere & Company Worldwide Headquarters lediglich auf ihre Webseite mit den spezifischen Infos zum Thema «Selbstreparatur leicht gemacht».
Laut dem US-amerikanischen Anwalt Jamie Crooks, der Bauern- und Reparatur-Gruppen vertritt, hat sich Deere nicht damit zufriedengegeben, nur den Markt für Maschinen zu beherrschen, sondern hat versucht, den Markt für die Reparatur dieser Maschinen zu monopolisieren – zum Nachteil von Landwirten, Tierhaltern und unabhängigen Reparaturunternehmen, so Crooks gegenüber dem Newsportal «The Register».
In den USA reichte diese Diskussion sogar bis ins Weisse Haus, wo sich der ehemalige Präsident Joe Biden für das «Recht zur Reparatur» und somit zu Gunsten der Bauern aussprach. Im Februar brachten dann US-Gesetzgeber Gesetzentwürfe ein, um das Recht auf Reparatur zu garantieren.
Selber reparieren kostet viel
Infolgedessen versprach die internationale Firma John Deere & Company den Bauern, über autorisierte Händler Werkzeuge bereitzustellen, damit sie grundlegende Service-, Wartungs- und Reparaturarbeiten an ihren Geräten selber durchführen können.
Dieses Versprechen sei aber nicht eingelöst worden, so der Vorwurf des Anwalts. Im Gegenteil: Deere & Company stelle Reparatur-Informationen nur dann zur Verfügung, wenn Landwirte hohe Zahlungen im Voraus für den «Customer Service Advisor» tätigen würden, der sie nicht einmal befähige, gängige Reparaturen selbst auszuführen.
«Die Nachteile überwiegen»
Das Phänomen, dass Konsumenten vermehrt zu monatlichen oder jährlichen Verträgen gezwungen werden, statt ein fertiges und funktionsfähiges Produkt zu kaufen, nennt sich «Plattform-Kapitalismus» oder auf Englisch «subscription economy» (siehe hier).
Die Stiftung für Konsumentenschutz beobachtet diese Entwicklung aufmerksam: «Ein Vorteil für den Kunden ist, dass das Gerät immer aktuell ist und allfällige Software-Fehler korrigiert werden können. Allerdings überwiegen aus unserer Sicht die Nachteile: Die Funktionsfähigkeit eines Produktes bleibt damit in der Hand des Herstellers. So kann dieser zum Beispiel hohe Preise für Updates verlangen oder den Support eines Gerätes auslaufen lassen, um den Kunden zu einem Neukauf zu zwingen. Ein Beispiel für teure Updates sind die Aktualisierungen der Strassenkarten in den Navigationssystemen von Autos und Lastwagen», erklärt André Bähler. Er ist Leiter Politik und Wirtschaft bei der Stiftung für Konsumentenschutz.
Gefragt, ob diese Entwicklung für die Anwender eine Chance oder eher eine Gefahr darstelle, entgegnet Roman Engeler, Direktor von Landtechnik Schweiz: «Sowohl als auch.» Es hänge von den Kompetenzen der Person ab, die die Reparateur tätige, und auch von der Zuverlässigkeit des Tools. «Für die meisten Nutzer von Landmaschinen ist aber der Gang zum Landmaschinenhändler, oder -mechaniker wohl weiterhin der beste Weg», so Engeler. Grundsätzlich sei es zu begrüssen, wenn man selber etwas reparieren und so Kosten einsparen könne. Laut Engeler gibt es aber folgendes Problem: Hat man wirklich die entsprechende Kompetenz und wie verhält es sich mit der Garantie, wenn die eigene Reparatur misslingt? Oder übernehmen der Hersteller oder der Anbieter des Tools die Verantwortung, wenn das Tool falsche Informationen geliefert hat?
Mit dem «Internet der Dinge»
In der Landtechnik bleiben also weiterhin einige Fragen offen. «Am meisten verbreitet sind solche Modelle bei Geräten mit einer Software, die ans Internet angeschlossen werden können», so André Bähler vom Konsumentenschutz. «Der Hersteller oder der Kunde kann so ohne grossen Aufwand die Software aktualisieren», beobachtet der Experte. Er spricht dabei vom «Internet of things», also vom «Internet der Dinge». Dieser Begriff bezeichnet ein Netzwerk aus physischen Objekten, die mit Sensoren oder Software ausgestattet sind, um über das Internet miteinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen.
Wie sieht es in der Schweiz aus?
In der Schweiz scheint diese Entwicklung noch weniger fortgeschritten zu sein. Roman Engeler erklärt: «Im Detail sind uns solche spezifischen Do-it-yourself-Tools nicht bekannt. Dass aber bereits viele Landtechnik-Hersteller ausgereifte Telematik-Systeme anbieten, die auch zur Selbst- oder vielleicht besser zur Ferndiagnose eingesetzt werden können, ist bekannt.» Damit könnten Hersteller oder Landmaschinen-Händler (mit entsprechender Einwilligung des Landwirts) aus der Ferne Einblick in die Maschine erhalten und mögliche Mängel entweder in Echtzeit, oder sogar bevor diese zum Problem werden, orten (Stichwort «Predictive Maintenance»), so Engeler.
Der Konsumentenschutz fasst zusammen: «Subscription economy beherbergt sowohl Chancen als auch Risiken. Einerseits kann dieses Modell nachhaltigere Alternativen fördern, indem es den Fokus auf Wartung und Wiederverwendung legt, anstatt auf schnellen Konsum. In manchen Fällen kann die Subscription Economy jedoch geplante Obsoleszenz (geplanter Verschleiss oder gar eine eingebaute Schwachstelle, Anm. d. Red.) verstärken, beispielsweise, wenn Unternehmen bewusst Produkte mit kürzerer Lebensdauer anbieten, um Kunden zu einem kontinuierlichen Abonnement zu bewegen», so André Bähler. Der Hauptfokus der Stiftung liege aktuell auf der Bekämpfung dieser geplanten Obsoleszenz, heisst es.
Das «Recht auf Reparatur» in der Schweiz und in der EU
Am 1. Februar 2024 hat sich die EU auf neue Regeln hinsichtlich des Rechts auf Reparatur geeinigt. Die neue Regelung betrifft allerdings mehrheitlich Alltagsgegenstände wie Waschmaschinen, Staubsauger, Smartphones, Wäschetrockner und Server. Dennoch komme dadurch auch in der Schweiz Bewegung in die Kreislaufwirtschaft, so der Konsumentenschutz Schweiz.
Eine Änderung des Umweltschutzgesetzes vom 15. März 2024 sieht folgendes vor:
- Der Bund kann neu Anforderungen bezüglich der Lebensdauer von Produkten erlassen.
- Die Reparatur wird explizit als ein zentrales Element der Kreislaufwirtschaft verankert und die Reparaturfähigkeit soll gefördert werden. Dies insbesondere durch die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und ein reparierbares Konstruieren von Produkten.
- Ein Reparatur-Index kann eingeführt werden. Dieser zeigt den Konsumenten beim Kauf an, wie einfach ein Produkt reparierbar ist.
Der Konsumentenschutz kritisiert allerdings: «Der Gesetzesartikel lässt dem Bundesrat die Wahl, ob er diesem Schwerpunkt Leben einhaucht und griffige Ausführungsbestimmungen erlässt.»
Im Parlament hat die Reparaturfreundlichkeit einen schweren Stand. Entsprechende Postulate und Motionen zu diesem Thema wurden vom Parlament abgelehnt.
Obwohl das Recht auf Reparatur in der Schweiz noch nicht so umfassend geregelt ist, wie dies in den USA und in der EU der Fall ist, wirkt es sich indirekt bereits auf die Schweizer Wirtschaft aus. Dies beispielsweise, weil viele Produkte, die in der Schweiz verkauft werden, aus der EU stammen oder EU-Vorgaben entsprechen müssen, um dort verkauft werden zu dürfen.
