Über 1000 Hektaren landwirtschaftliche Nutzflächen befinden sich in rechtmässig ausgeschiedenen Bauzonen. Die Reserven reichen noch viele Jahre. Wachstum in die Fläche ist eher nicht mehr erwünscht. Das hat die Schweizer und Luzerner Bevölkerung mit dem Ja zum Raumplanungsgesetz schon vor Jahren bestätigt. In einigen Luzerner Gemeinden hat die Politik spüren müssen, dass dem auch nachgelebt wird, indem zu grosszügige Neueinzonungen abgelehnt wurden. In vielen zu wachstumsgläubigen Landgemeinden muss der Kanton auch Rückzonungen durchsetzen, keine leichte Aufgabe.
Die Auflagen werden immer mehr verschärft
Es tut sich deshalb wirklich was in der Raumplanung, auch im Kanton Luzern. Da können Bauern ein Liedlein singen, wenn sie Stallneubauten realisieren oder Wohnbauten erneuern oder erweitern wollen. Die Auflagen wurden und werden laufend massiv verschärft, oft bis zur Unverhältnismässigkeit. Vernunft statt Fundamentalismus ist deshalb nötig, auch um Entwicklungen nicht gänzlich zu blockieren.
Guter Ansatz, aber zu extrem
Ja, die Bevölkerung will mehr Kulturlandschutz, und auch die Politik lebt dem zumindest teilweise nach, oder beteuert zumindest die höhere Bedeutung. Die Initianten der Luzerner Kulturland-Initiativen glauben das allerdings nicht, beziehungsweise haben aufgrund der wilden und teils zügellosen Bauerei in der Vergangenheit das Vertrauen in eine Verbesserung in der Zukunft verloren. Gleich zwei Initiativen haben sie eingereicht, eine Verfassungs- und eine Gesetzesinitiative. Aber wie bei vielen Initiativen gilt: Positiver Ansatz, aber zu extrem und mit negativen Folgen bei der Umsetzung. Die Abstimmung zu den Vorlagen findet am 29. November statt.
Die eine überflüssig, die andere umstritten
Vor allem die Verfassungsinitiative gilt breit abgestützt als überflüssig und rechtsstaatlich unzweckmässig. So, weil alle Anliegen im Bundesrecht und kantonalen Recht enthalten sind. Eher umstritten ist die Gesetzesinitiative. Diese sei wegen des unveränderbaren Wortlauts für den Kanton, die Bevölkerung, die Landwirtschaft und die Wirtschaft aber als schädlich einzustufen, schreibt die Regierung in der Volksbotschaft. Unterstellungen mache da die Regierung, und die Behauptungen seien falsch, kritisierte das Initiativkomitee kürzlich an seiner Medienkonferenz.
Werden Landeigentümer quasi enteignet?
Ein strittiger Punkt sind die landwirtschaftlichen Nutzflächen (LN) in Bauzonen. Nach Ansicht der Regierung gebe es grosse Schwierigkeiten, dass diese zonenkonform genutzt, heisst überbaut werden könnten, weil der rigorose Schutz auch für solche Flächen gelte. «Faktische Bauverbote wären das Ergebnis, Eigentümer würden praktisch enteignet», heisst es dazu in der Volksbotschaft. Stimmt nicht, findet das Initiativkomitee. Man habe immer betont, dass die Einschränkungen für LN innerhalb der Bauzonen nicht gelten, heisst es in deren Argumentarium. Wer hat nun Recht? Wir fragten bei Agriexpert des Schweizer Bauernverbands nach, wie sie dies beurteilen. Land in einer Bauzone unterstehe nicht mehr dem gleichen Schutz wie Land ausserhalb. So gelten Bodenrecht, Pachtrecht oder Beitragsberechtigung nicht für solche Grundstücke, sagt Ruedi Streit. Flächen innerhalb Bauzonen könnten sehr wohl weiterhin überbaut werden. Da schüren Gegner der Initiativen offenbar unberechtigt Ängste.
Was dürfte man auf LN noch bauen?
Ein weiterer strittiger Punkt sind Bauten in der Landwirtschaftszone. Gegner befürchten, dass selbst neue Scheunen verwehrt werden könnten, und verweisen auf die wortgetreue Auslegung von § 40 der Gesetzesinitiative. Und ganz schwierig werde es, wenn dafür noch Fruchtfolgeflächen (FFF) beansprucht würden. Die wären nämlich vollumfänglich zu kompensieren, wobei Bodenaufwertung als Massnahme für neue FFF nicht mehr zulässig wäre. Völlig übertrieben, finden die Initianten. Scheunenbauten würden ja dem Ziel der Sicherung der Ernährungsbasis gemäss § 40 dienen, dafür könnte LN sehr wohl genutzt werden. Wer hat nun Recht?
Agriexpert teilt diesbezüglich die Befürchtungen der Gegner. Mit der Initiative würden neben den bisher schon sehr strengen noch neue Bedingungen geschaffen, was die Realisierung von baulichen Anpassungen auf Landwirtschaftsbetrieben erschweren dürfte. Der Schutz der Flächen würde viel höher gewichtet, und zwar gegenüber jeglichen Bauten. Erst recht unter Druck kämen bauliche Massnahmen bei Wohn- oder Ökonomiebauten, welche nicht direkt der bodenabhängigen Produktion dienen. Da werde es schwierig, mit dem Ziel «Sicherung der Ernährungsbasis» zu argumentieren. Gegner von Stallbauten könnten argumentieren, dass dies nicht erfüllt werde. Oder es könnte wegen des höhern Flächenbedarfs gegen Laufställe opponiert, und stattdessen für Anbindeställe propagiert werden. Streit gibt ferner zu bedenken, dass ausserhalb der Bauzonen im übrigen nicht nur Lebensmittel produziert werden, sondern auch Erhaltung von Landschaft und Biodiversität einen zunehmend höhern Stellenwert bekommen. Störend sei an der Initiative, dass öffentliche Aufgaben wie Wasserbau genannt werden, die bauliche Entwicklung von Landwirtschaftsbetrieben zur Sicherung der Produktion hingegen nicht. So würden heute schon Bauten für die landwirtschaftliche Produktion hinterfragt. Aus dieser Optik würde sich die Landwirtschaft mit der Zustimmung zu dieser Initiative selber einen Bärendienst erweisen, auch wenn Kulturlandschutz ein wichtiges Anliegen ist. Denn jeder Betrieb ist irgendwann mal mit einem Bauprojekt konfrontiert.
Der Gegenvorschlag ist der richtige Weg
Offensichtlich überzeichnen, was üblich ist in einem Abstimmungskampf, sowohl Gegner wie Befürworter, je nach Kriterium der Initiativen. Massgebend sind aber nicht Meinungen, Behauptungen und Wunschvorstellungen, sondern allein der Initiativtext. Der ist für die Luzerner Landwirtschaft aber klar kontraproduktiv, und wird deren Entwicklung und auch Innovationen hemmen.
Der Kantonsrat tat gut daran, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Auch wenn je nach politischer Couleur dieser den einen schon viel zu weit, den andern viel zu wenig weit geht. Mehr Kulturlandschutz ist aber unbestritten, und es ist wichtig, die Stimmung der Bevölkerung aufzunehmen und ein deutliches Zeichen auch in der Luzerner Gesetzgebung und beim Vollzug zu setzen. Die Initiativen sind aber der falsche Weg. Ein Ja zum Gegenvorschlag ist hingegen auch aus Sicht der Luzerner Bauern der richtige Weg.