Ein Tier zeigt Hitzestress durch eine erhöhte Atmungs- und Herzfrequenz sowie durch den Rückgang der Futteraufnahme. Auch nimmt die Wiederkauaktivität ab und es wird weniger Speichel produziert. Bei Wiederkäuern kann dies daher zur Übersäuerung des Pansens führen. Aufgrund der reduzierten Futteraufnahme hat Hitzestress einen direkten negativen Einfluss auf die Reproduktion, so Markus Rombach von Agridea.
Das Hitzestress-Problem: Die Wärme kann nicht abgegeben werden
Des Weiteren sind hohe Lufttemperaturen ein Problem für das Tier, denn die Wärme kann so nicht mehr an die Umgebung abgeben werden. In Folge muss die Körpertemperatur stärker reguliert werden. Dieser Prozess kostet zusätzliche Energie. Markus Rombach rät, bei Hitze ausgesetzten Tieren in erster Linie die Fütterung anzupassen (siehe Kasten). Ebenfalls sollte die Nacherwärmung möglichst verhindert werden. Um dies zu erkennen, kann auch die Wärmebildkamera von Smartphones dienen, so Rombach weiter.
Genetik hat einen direkten Einfluss auf die Hitzetoleranz
Ob und wie fest ein Tier an Hitzestress leidet, hängt von diversen Faktoren ab. Aus der Tagung geht hervor, dass die Leistung diesbezüglich eines der markantesten Kriterien ist. Des Weiteren ist der Schweregrad des Hitzestresses vom Trächtigkeitsstatus, der Luftfeuchtigkeit, der Lufttemperatur, der Wärmeeinstrahlung, der Windgeschwindigkeit und von der Genetik abhängig.
Braunvieh zeigt sich unter gleichen Bedingungen hitzetoleranter als Holstein-Kühe
Martin Rust von Braunvieh Schweiz präsentierte diverse Studien, in denen Holstein- mit Braunviehkühe auf die Hitzetoleranz verglichen wurden. Dabei zeigte sich, dass Braunviehkühe eine höhere Verdunstung über die Haut hätten als Holsteinkühe und somit hitzetoleranter sind. Auch hätte die Milchleistung bei Braunviehkühen trotz Hitzestress weniger stark abgenommen. Nichtsdestotrotz sei die optimale Vorbeugung gegen Hitzestress die Kombination aus angepasster Genetik und dem Stall- und Weidemanagement,
so Rust.
Wie geht die australische Rindvieh-Haltung mit der Hitze um?
Ein Blick nach Australien zeigte auf, dass dort in Sachen Herdenmanagement bei Hitze schon länger an Lösungen gearbeitet wird. So wird seit drei Jahren die Hitzetoleranz als Zuchtwert angegeben. Die Erblichkeit des Merkmals betrage stolze zwölf Prozent, heisst es in der Studie. Diese Resultate müssten jedoch kritisch betrachtet werden, so Martin Rust. Er vermutet, dass die Hitzetoleranz-Angabe vor allem für Marketingzwecke genutzt würde. Bisher wird nur in der nord- und südamerikanischen Zucht, sowie in Ozeanien das Slick-Hair-Gen eingesetzt (deutsch Glatthaar-Gen). Ursprung des Gens ist eine Senepol-Rasse, aus welcher eine hornlose Fleischrasse mit ausgeprägter Hitzetoleranz hervorgegangen ist.
Slick-Hair-Gen voraussichtlich im Sommer 2021 auf dem Markt
Glatthaar-Tiere mit dem Slick-Hair-Gen seien besonders gegen Hitze gewappnet, da ihre Schweissdrüsen grösser sind und ihr Haarkleid kurz und glatt ist, hiess es an der Tagung. Daher zeigten die Tiere eine höhere Schwitzrate, tiefere Atmungsfrequenz und Vaginaltemperatur. Zudem weideten Glatthaar-Tiere gemäss Michael Schrago von ABC Genetics tagsüber mehrere Stunden zusätzlich aufgrund ihrer besseren Hitzetoleranz und hatten dadurch eine höhere Leistung. Im Sommer 2021 will das Unternehmen den Redholstein (RH)-Stier Mambo SL Red lancieren. Mambo ist der erste RH-Stier, der das Glatthaar-Gen trägt. Schweizer Rindviehzucht-Partner, wie Swissgenetics oder Select Star, werden die Entwicklungen in Richtung hitzetolerante Rassen eng verfolgen und bei erhöhter Nachfrage die entsprechende Genetik beschaffen, wie der «Schweizer Bauer» berichtet.
Was kann man in der nächsten Saison gegen Hitzestress tun?
Je nach Produktionsstandard können folgende futtertechnischen Massnahmen helfen:
- Hohe Futterqualität einsetzen, so dass die Pufferleistung des Futters gewährleistet ist.
- Unbedingt genügend Wasser bereitstellen: Bei einer Milchkuh mindestens 180 Liter pro Kuh und Tag.
- Reduktion der Kraftfuttermenge.
- Strukturreiches Futter zur Verfügung stellen, um den Wiederkaureiz anzukurbeln und der Pansenübersäuerung vorzubeugen.
- Zusätzliche Gabe von Viehsalz, 30 g pro Tier und Tag.
- Allgemeine Mineralstoffgabe um 20 % erhöhen.
- Nicht zu viel Futter vorlegen und Nacherwärmung des Futters verhindern.
- Nebenprodukte wie Zuckerrübenschnitzel, Biertreber, Getreideschlempen oder Trester einsetzen.
- Proteingehalt in der Gesamtration um 1 % anheben, auch bei Trockenstehern.
- Bei Bedarf können folgende Futterkomponenten eingesetzt werden:
- 100–150 g Natriumbikarbonat (nicht bei Trockensteherinnen einsetzen).
- Pansenstabile Futterfette.
- Vitamin E, Selen, Betacarotin.