CO2-Zertifikate gibt es nicht nur für «Carbon Farming». Landwirtschaftlichen Betrieben steht eine ganze Palette von Massnahmen zur Verfügung, die CO2-Bilanz zu verbessern. Der Schweizer Bauernverband rät den Betrieben aber, bei den Verträgen über CO2-Zertifikate das Kleingedruckte sorgfältig zu lesen. «Zertifikate sind eine gute Möglichkeit, Klimaschutzmassnahmen im Betrieb auch angemessen finanzieren zu lassen», sagt Hannah von Ballmoos-Hofer. Sie ist beim Schweizer Bauernverband (SBV) Leiterin des Geschäftsbereichs Energie und Umwelt.

Keine langjährigen Verträge mehr abschliesssen

«Aber», schränkt sie ein: «Wir müssen aufpassen, dass wir als Landwirtschaft nicht anderen Branchen zur Klimaneutralität verhelfen.» Der SBV rät deshalb dazu, Klimazertifikate wenn möglich nur entlang der Wertschöpfungskette zu verkaufen.

«Wir raten von mehrjährigen Verträgen mit Zertifikatshändlern ab», sagt Bettina Koster, Verantwortliche Klima und Landwirtschaft bei der landwirtschaftlichen Beratungszentrale Agridea. Die Branche befinde sich derzeit stark im Umbruch. Das bekannte Modell, bei dem beispielsweise Fluggesellschaften oder Reisebüros Zertifikate auf dem freien Markt erwerben, um ihre Emissionen zu kompensieren, werde für die Landwirtschaft an Relevanz verlieren.

Unternehmen suchen Wertschöpfungskette nach Senken ab

«In der Landwirtschaft werden zukünftig Klimaschutzaktivitäten und Programme im Zentrum stehen, die auf die Reduzierung von Emissionen in den Wertschöpfungsketten abzielen», sagt Koster. Und: «Die Landwirtschaft wird darauf angewiesen sein, ihre Reduktionen selber in Wert zu setze, und sollte diese nicht mehr anderen Akteuren ausserhalb der Landwirtschaft überlassen.»

Immer mehr landwirtschaftliche Akteure hätten sich zur Reduktion ihrer Emissionen im Rahmen der «Science Based Targets Initiative» (SBTI) verpflichtet. Diese sieht vor, dass sich Unternehmen auf Emissionsreduktionen innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette konzentrieren.

Die Zeit der Aufforstungsprojekte in Asien ist vorbei

Abo Boden speichert Kohlenstoff – und könnte damit ein wichtiger Faktor beim Klimaschutz werden. Carbon Farming Böden sollen Treibhausgase speichern – aber bleiben sie auch dort? Monday, 6. March 2023 «Die Kompensation der Emissionen irgendwo weit weg und ohne Bezug zum eigenen Handeln – beispielsweise mit Aufforstungsprojekten in Asien – ist somit für diese Unternehmen keine Option mehr», sagt Koster. Die Branche sei derzeit daran, sich zu organisieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie die Prozesse zur Reduktion der Emissionen in den Wertschöpfungsketten ausgestaltet werden können.

Dabei sei es einerseits wichtig, dass die Akteure die Klimaschutzmassnahmen möglichst einheitlich handhabten und bewerteten. «Anderseits ist es zentral, dass Doppelzählungen vermieden werden», so Koster: «Dies heisst, dass dieselbe Reduktionsleistung nicht von zwei Akteuren als Reduktionsleistung gezählt werden darf.»

Betriebe sollten Flexibilität nicht aufs Spiel setzen...

«Als Fazit kann gesagt werden, dass Klimaschutzleistungen zukünftig in den Wertschöpfungsketten und somit im Sektor bleiben müssen und der Verkauf von freiwilligen Zertifikaten aus der Landwirtschaft in Zukunft der Vergangenheit angehören wird», sagt Koster: «​​Grundsätzlich ist es deshalb wichtig, dass die Betriebe flexibel bleiben bei der Inwertsetzung ihrer Klimaschutzleistungen.» Auch die Landwirtschaft selbst sei gegenwärtig daran, sich zu organisieren und für die «neue Welt» der SBTI-Zertifikate Ziele in Stellung zu bringen, sagt Hannah von Ballmoos-Hofer. Ziel sei es, gleiche Spielregeln und einen klaren Rahmen für den Markt zu haben.

...und Klimaleistungen nicht zu günstig verkaufen

Dabei werde es auch wichtig sein, die realen Kosten der Reduktionsmassnahmen in der Landwirtschaft aufzuzeigen. Im Vergleich zu anderen Branchen sei die CO2-Reduktion in der Landwirtschaft nämlich eher teuer. «Man sollte diese Leistungen deshalb nicht zu günstig verkaufen», gibt sie zu bedenken.

In Bezug auf das Humus-Pilotprojekt der Migros betont die Geschäftsführerin von Myclimate Schweiz, Kathrin Dellantonio, dass die bilanzierten CO2-Senkenleistungen allein dem M-Klimafonds der Migros zugutekommen. «Mit dem herkömmlichen Zertifikatshandel, wie er etwa von Reisebüros oder Fluggesellschaften genutzt wurde, hat dies nichts zu tun.» Ziel sei es, den Ausstoss von Treibhausgasen entlang der eigenen Wertschöpfungsketten zu reduzieren: «Gelder aus dem Klimafonds sind für diesen Zweck reserviert».