Ich schreibe nicht über das Coronavirus. Obwohl das Thema immer noch sehr wichtig ist und bei vielen das Virus Existenzängste auslöst, kann ich das Wort «Corona» nicht mehr hören. Gut, bei der Viehzucht und auf dem Milchmarkt ist es auch nicht viel anders: Nicht nur Wochen, sondern schon jahrelang, beschäftigt das Thema die Milchbauern, die Züchter und die Medien, aber ich schreibe jetzt trotzdem darüber.

Der Stier ist noch fast das Einzige

Welchen «Muni» die Milchproduzenten auf ihre Kühe einsetzen dürfen, ist mittlerweile noch fast das Einzige, was die Viehhalter selbst entscheiden können. Nicht nur die Anzahl Vorschriften und Einschränkungen, mit denen die Bauern tagtäglich konfrontiert werden, haben ein unerträgliches Ausmass angenommen. Auch der Umweltschutz, die Tiergesundheit, der Antibiotikaeinsatz oder die Viehtransporte, sind nur einige Beispiele, welche das Dasein der Landwirtschaft immer schwieriger machen. Besonders die Nerven der Milchproduzenten werden derzeit stark strapaziert. Nicht nur der tiefe Milchpreis gibt zu reden, auch die angekündigten Butterimporte sorgen für rote Köpfe. Normalerweise hören die Bauern nur von einer Milchüberproduktion und einem Butterberg, jetzt sind die Lager plötzlich leer. Nicht nur das kostbare Fett ist rar geworden, auch die Nachfrage nach Milch sei grösser als das Angebot. Unglaubliche 100 Mio kg fehlen derzeit laut Branchenkennern auf dem Markt. Das wäre Milch, von über 50 Emmentaler-Dorf-käsereien, die derzeit benötigt würde, um die fehlende Milchmenge decken zu können. Jetzt, im Frühling, kommt tendenziell sicher mehr Milch auf den Markt als gewöhnlich. Mit der Sommerfütterung werden die Fettgehalte aber auch nicht höher. Es ist eine Illusion, dass die Butterlager schnell aus einheimischer Milch und Rahm gefüllt werden könnte, dafür braucht es mehrere Monate.

Dem Einkaufstourismus sei Dank

Auf die Corona-Krise sei dieser Mangel zurückzuführen, der Einkaufstourismus sei in diesem Zusammenhang zum Erliegen gekommen. Endlich kaufen die Konsumenten ihre Lebensmittel wieder in der Schweiz. Unlängst wäre es jetzt an der Zeit, den Milchpreis für die Produzenten deutlich zu erhöhen, umgekehrt wäre es schon längstens der Fall! Zu lange schon werden die Bauern von den Milchkäufern und den Detailhändlern an der Nase herumgeführt. Wie es jetzt tönt, soll es ab dem 1. Juli läppische 0,8 Rappen pro kg Milch mehr geben – das ist ein Tropfen auf den heissen Stein, mehr nicht. Nein, man bezahlt den Bauern lieber nur so viel, dass sie nicht endgültig mit dem Melken aufhören und immer nur so wenig, dass wenigstens die Verarbeiter noch fette Gewinne machen.

Auch in der Viehzucht nicht für die Bauern

Aber auch in der Viehzucht ist es nicht viel anders: Jahrelang wollte man den Milchviehhaltern die «Schaukuh» aufzwingen. Gross müsse sie sein, scharf, mit viel Kapazität und einem hohen Nacheuter. Für die Schauzüchter das Mass aller Dinge, für die Händler ein Graus: Unverkäuflich seien sie, kein Melkbetrieb begehre solche Kühe. Auch ein Besuch auf einem Melkroboter-Betrieb verdeutlichte dies: Kühe mit den schönsten Eutern, seien am wenigstens robotertauglich, hiess es dort. Man wünsche sich Kühe mit langen und gut gestellten Zitzen, deren Euter gut melkbar sind. Auch übergrosse Kühe sind dort verpönt. Unbeweglich seien sie, passen nicht mehr in den Stall und erst recht nicht mehr in die Melkbox hinein. Wer Kühe verkaufen will, züchtet heute eine robuste Kuh. Eine Kuh, die alttagstauglich ist, denn immerhin werden jede Woche mehrere neue Melkroboter installiert. Merkmale wie Fundament, Inhaltsstoffe, Fruchtbarkeit, Zellzahl oder Nutzungsdauer, sind wichtiger denn je: Kühe, die nicht auffallen und jeden Tag ihre Arbeit leisten, sind bei der Käuferschaft am meisten gefragt. Nicht immer heisst es dabei, bei der Anpaarung nach den Überfliegern zu suchen, Kuhfamilien und die Väterfolge gehören ebenfalls dazu.

Noch freie Hand bei der Stierenauswahl?

Haben die Züchter bei der Stierenauswahl aber wirklich noch die freie Hand wie eingangs erwähnt? Oder werden Sie auf diesem Gebiet unbewusst in Ihrer Meinungsbildung beeinflusst? Das Überangebot an jungen Stieren mit ihren hohen Zahlen, ohne sicheren Test, werden angepriesen wie grosse Stars. Nur ein paar Haarproben sollen hier Aufschluss geben über ihr Können und ihre Erblichkeit. Ist sich hier der einzelne Milchviehhalter bewusst und weiss, was er tut, wenn er nur Stiere ohne Informationen zu seinen Töchtern in seiner Herde einsetzt? Warum entscheidet er sich eigentlich für diesen Weg? Weil es auch der Nachbar tut, oder weil ein Verkäufer behauptet, dass diese Stiere noch ein viel höheres genetisches Niveau haben? Deshalb ist es nicht nur in der Zucht, sondern auch in der Milchproduktion wichtig, seine Entscheidungen so zu treffen, dass jeder Bauer dahinter stehen kann. Schlussendlich ist jeder Landwirt selber verantwortlich für sein Handeln und sein Tun, für seinen Erfolg oder für seinen Misserfolg.