Erste Hofladenbesitzer schlagen Alarm: Wird es knapp bei den Finanzen, dann scheint der Konsument beim Essen zu sparen und das spüren die Direktvermarkter, die deutlich weniger verkaufen als in den vergangenen Jahren. Jetzt, wo viele Produkte aufgrund höherer Produktionskosten teurer werden, ist für einige Hofladenkunden offensichtlich die Schmerzgrenze bereits überschritten. Doch zumindest bei Milchprodukten und Fleisch steht mit der neuen Getreideernte ein weiterer Kostenschub an. Und das heisse, trockene Wetter, das die Getreidekulturen darben liess, verheisst nichts Gutes für diejenigen, die im Herbst Mischfutter werden kaufen müssen. Europa-, ja weltweit sind die Märkte nervös und die Preise beim geringsten Anlass steigend. Bereits ist klar, in diesem Jahr wird die Getreideernte nicht für alle reichen.
Die Forderungen bleiben, aber der Absatz stockt
Nichtsdestotrotz leistet sich die Schweiz eine standortangepasste, kleinstrukturierte Tierhaltung, die Tierwohl und Naturschutz über Gewinnmaximierung und Ressourceneffizienz stellt. Mit der Massentierhaltungs-Initiative steht die nächste Extensivierungs-Initiative im Raum. Gleichzeitig stockt der Absatz von Labelprodukten. Dort, wo die Konsumentin und der Konsument tiefer in die Tasche greifen müssen, damit das Schwein in deren Cervelat ein schöneres Leben hat, hört in vielen Fällen die Tierliebe auf. Die Landwirte praktizieren seit vielen Jahren Tierschutz, der zwar ihre Produktion verteuert, sich aber nicht verkaufen lässt. So landet Biopoulet im Prix-Garantie-Pack und IPS-Muni im Migros-Budget-Hamburger.
Das Klischee bleibt in den Köpfen
Doch Labels stehen ja nicht nur für mehr Tierwohl, sie garantieren auch in den meisten Fällen, dass das Futter aus nachhaltiger Produktion stammt. Dabei erweist es sich als nahezu unmöglich, alte Klischees wie Soja und Regenwaldabholzung aus den Köpfen der Stimmbevölkerung zu bringen. Obwohl die meiste Soja, die heute in der Schweiz verfüttert wird, nachhaltig in Europa angebaut wird. Der Klimawandel hat tatsächlich auch Vorteile. Und Soja ist eine gute Möglichkeit, auf wenig Fläche viel Futter zu produzieren. Bei der Bewältigung von Klimawandel und Überbevölkerung sind dies wichtige Trümpfe.
Der Konsum sorgt nicht für naturnahe Weidehaltung
Zwar haben viele Konsument(innen) gegenüber der Verfütterung von Soja Vorbehalte. Trotzdem weiss kaum jemand, welches Label und welches Fleisch man kaufen müsste, damit kein Soja in der Fütterung ist. Der Wille ist da, aber das Portemonnaie ist schwach. Von den gut 52 kg Fleisch, die jeder Schweizer und jede Schweizerin jährlich isst, sind rund zwei Drittel billiges Schweine- und Pouletfleisch, produziert mit Getreide. Hätten wir nicht so viel Grünland, das sich nicht für den Ackerbau eignet, würde wohl noch mehr Fleisch aus Getreide produziert. Die heutige, naturnahe Weidehaltung und Raufutterfütterung basiert auf Traditionen, naturverbundenen Bauernfamilien, tiefen Löhnen in der Landwirtschaft, topografischen Gegebenheiten und Förderprogrammen des Bundes – nicht auf der Tatsache, dass sie sich beim Konsumenten so gut verkaufen lässt.
Was stellen sich die Leute bloss vor?
Poulet ist billig und lässt sich schnell zubereiten. So nimmt es eine stets wichtigere Rolle im Speiseplan der Schweizer Konsumenten ein. Doch obwohl jeder und jede im Jahr rund 15 kg Geflügel isst, wovon fünf Kilo importiert sind, stellt man sich irgendwie vor, es gebe einen anderen Weg, diese Unmengen an Poulet zu produzieren, als in einer hocheffizienten, durchgetakteten Hallenmast mit maximal optimiertem Futter. Stellt sich die Konsumentin im Supermarkt vor dem Regal mit Chicken Nuggets echt vor, diese Hühnchen seien für den Preis mal auf der grünen Wiese spaziert? Der gleiche Konsument, der selbst für denselben Lohn lieber nur noch vier Tage die Woche arbeiten möchte? Und kann er sich vorstellen, wie diese grüne Wiese dann aussähe? Und wie das Gewässer daneben? Oder umgekehrt, stellt sich der Konsument, der übers Land fährt und ein paar wenige Hühner in einer Hofstatt sieht, echt vor, die könnten die Schweiz ernähren?
Eine Frage bleibt zentral
Gleichzeitig lassen wir das wohl ökologischste aller im Inland produzierten Nutztiere gedankenlos auf den Bergen vom Wolf fressen. Durch die grossraubtierbedingte vermehrte Stallhaltung bei den Schafen zeichnet sich nun auch dort die Entwicklung ab, die andere Nutztiere schon lange hinter sich haben. Entweder sie wurden dazu gezüchtet in intensiver Stallhaltung maximale Leistung zu erbringen oder wurden zum schier unerschwinglichen Luxusgut, das sich nur ein Bruchteil der Bevölkerung leisten will oder kann. Dennoch ist Tier- und Umweltschutz in vielen Fällen knochenharte Handarbeit zum Tiefstlohn. Wollen die Konsumierenden ihr Einkaufsverhalten ihren moralischen Vorstellungen anpassen, werden sie auf vieles verzichten müssen. Und im Zentrum wird immer wieder die Frage stehen: «Wer soll das bezahlen?»
