Auf den Getreidemärkten zeichnet sich eine Zeitenwende ab. Nach Jahrzehnten des schier masslosen Überflusses und tiefer Preise gehen der Welt nach den Pandemiejahren die Ressourcen aus. Ein Szenario, worauf sich die Märkte nicht eingestellt hatten, entsprechend nervös reagieren sie nun. Zusätzlich fordert die Gesellschaft ein Umdenken hin zu einer nachhaltigeren und bewussteren Lebensmittelproduktion – insbesondere bei der Fleischproduktion. Hinzu kommt der Klimawandel, der besonders dem Ackerbau und damit der Versorgungssicherheit zusetzt. Auch in diesem Jahr steht in vielen Regionen der Welt das heisse und trockene Wetter einer Rekordernte im Weg. Dies alles verursacht Kosten, welche schlussendlich der Konsument wird tragen müssen. Die BauernZeitung hat beim Geschäftsführer der Vereinigung Schweizerischer Futtermittelfabrikanten (VSF), Christian Oesch, nachgefragt, worauf sich die Branche in naher und ferner Zukunft einstellen muss.

 

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Kaum eine Brache war in den vergangenen Jahren einem so harten Konkurrenzkampf unterworfen wie die Mischfutterbranche. Die Getreideproduktion, die sich viele Jahre nach dem Moto «Grösser, schneller und vor allem billiger» entwickelte, muss gerade massiv umdenken. Dies zieht in der Wertschöpfungskette eine lange Spur der Kostensteigerungen mit sich. Wo die Reise endet, wagen auch Experten nicht zu prognostizieren. Klar scheint jedoch: Die sorglosen Jahre in Sachen Versorgungssicherheit scheinen vorerst vorbei zu sein. Gleichzeitig sind zahlreiche Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen. Für Gesprächsstoff ist gesorgt.

Was sind die aktuellen Herausforderungen der Futtermittelbranche mit den veränderten Weltmärkten und steigenden Preisen? Lassen sich insbesondere die steigenden Energie- und Rohstoffkosten auf Futtermittel beziehungsweise auf Endprodukte abwälzen oder wird die Branche Einkommensverluste hinnehmen müssen?

Christian Oesch: Die Herausforderungen sind vielfältig. Nebst der schwierigeren Beschaffung und den zum Teil gestörten Logistikketten haben wir äusserst hohe Bedürfnisse und Erwartungen seitens der Politik, beispielsweise der «Massnahmenplan sauberes Wasser», und der Gesellschaft, welche mit der schwierigen Zeit zusammenfallen. Die Mischfutterbranche ist, wie die Landwirtschaft auch, konfrontiert mit zum Teil explosionsartigen Preissteigerungen. Wir als Verband haben früh reagiert und versucht, mit unserer Medienmitteilung – Preise für Fleisch, Eier und Milch «müssen» steigen – Verständnis dafür bei der ganzen Wertschöpfungskette zu gewinnen. Der Mischfuttermarkt steht in starkem Wettbewerb und die Verarbeitungsmargen sind mit denen in der EU vergleichbar. Mit den starken Preisanstiegen im Energie- und Rohstoffsektor wurden Margen vernichtet. Wir sind bestrebt, die Zusatzkosten auf die Mischfutter abzuwälzen, was uns aber nur ungenügend gelingt.[IMG 3]

Sind die Zeiten, als die Schweiz beliebige Futtermittelmengen günstig im Ausland zukaufen konnte, vorbei oder werden sie wiederkommen?

Über das Schwellenpreissystem mit variablen Zöllen werden die Futtermittelrohstoffe auf das vom Bundesrat festgesetzte Preisniveau verteuert. Damit wird die inländische Futtergetreideproduktion geschützt. Die zum Teil äusserst tiefen Preise auf dem EU-/Weltmarkt wurden an der Grenze mit Zöllen verteuert, so dass die Schweiz zu keiner Zeit «günstige» Rohstoffe beschaffen konnte. Bezüglich der Beschaffung wird die Situation herausfordernder. Die Schweiz kauft sehr viele Rohstoffe in Europa ein. Beispielsweise kommen über 90 % des Futterweizens aus Deutschland und Frankreich. 80 % der importierten Sojaschrot stammen aus Europa. Die Verfügbarkeit ist aktuell gegeben. Trotzdem ist die Beschaffung sehr herausfordernd. Wir rechnen damit, auch unter schwierigen Bedingungen die Schweizer Tierproduzenten mit Mischfutter versorgen zu können.


Protein mehrheitlich importiert

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Die Grafik der Fenaco aus dem Jahr 2018 zeigt, die Schweiz importiert 85 % des Rohproteins für das benötigte Mischfutter. Dabei entfällt mit 53 % der weitaus grösste Teil auf Sojaschrot. Nachdem die Soja-Importe aus Brasilien wegen der dortigen Regenwaldabholzung unter Druck gerieten, wurden in den vergangenen Jahren alternative Sojaquellen erschlossen. Im Jahr 2010 importierte die Schweiz noch 283 400 t Sojaextraktionsschrot, fast ausschliesslich aus Brasilien. Im vergangenen Jahr waren es gerade noch 46 326 t brasilianischer Soja, der in die Schweiz kam. 195 129 t Sojaextraktionsschrot wurden aus Europa importiert. Insgesamt wurden für die Schweizer Tierhaltung im vergangenen Jahr noch 248 301 t Sojaschrot importiert. Italien, Serbien, Frankreich, Rumänien, Österreich und Ungarn sind in Europa die Länder mit der grössten Sojaproduktion. Rund 2,7 Mio t werden in der EU geerntet, das deckt weniger als 10 % des EU-weiten Bedarfs.

Neben der Regenwaldabholzung gibt es mit Soja aus Brasilien ausserdem ein weiteres Problem: Nur noch ein Bruchteil des dort produzierten Sojas ist gentechfrei. Rund 123 Mio t Soja produziert Brasilien jährlich, nur knapp 9 % davon gelten als GVO-frei, wovon jedoch schätzungsweise ein Drittel zumindest kontaminiert ist.


Mit welchen Mischfutterpreisen müssen die Schweizer Tierhalter im kommenden Herbst und Winter rechnen?

Wir haben, kurz nachdem die Auswirkungen des Überfalls auf die Ukraine auf dem Rohstoffmarkt ersichtlich wurden, mit einer Medienmitteilung folgendermassen informiert, die Auswirkungen auf die Mischfutterpreise sind ausserordentlich hoch. Aktuelle Expertenschätzungen gehen von kurzfristigen Preiserhöhungen von 5 bis 7,50 Franken je 100 kg Mischfutter für die meisten Tierkategorien aus. Bei Proteinkonzentraten dürften die Preiserhöhungen bis 15 Franken je 100 kg betragen. Auch im Biosegment werden hohe Zuschläge erwartet. Die Tierproduzenten müssen die Preiszuschläge unbedingt weitergeben können, um die Wirtschaftlichkeit ihrer Produktion nicht weiter zu schwächen und damit die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Wir können aufgrund der Volatilität der Märkte keine Aussagen für den Herbst/Winter machen.

Bei den Konsumentinnen und Konsumenten geniesst Mischfutter keinen besonders guten Ruf. Gefordert wird immer wieder eine Extensivierung der Produktion und stattdessen der vermehrte Einsatz von Raufutter. Dennoch wird in der Realität immer mehr Mischfutter in der Fleischproduktion eingesetzt. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?

Abo Die UFA führt ihre regionalen Alimex-Anlässe an verschiedenen Standorten durch. Auch das Werk Biblis zeigte sich der Kundschaft im «gläsernen Mantel». Alimex-Anlass Expanderfutter ist wie Popcorn – gepufft und schmackhaft Friday, 1. July 2022 Ich bin nicht einverstanden, dass Mischfutter keinen guten Ruf geniesst – im Gegenteil. Die Schweiz geniesst punkto einer verantwortungsvollen Rohstoffbeschaffung für die Tierproduktion ein hohes Ansehen. Die Anstrengungen des Soja Netzwerks Schweiz werden europaweit als «Leuchtturmprojekt» gelobt und anerkannt. Die Branche hat sämtliche Rohstoffe einer Risikoanalyse unterzogen und für diverse Produkte Massnahmen erarbeitet. Ebenso setzen wir uns seit Jahren für eine konkurrenzfähige Schweizer Futtergetreideproduktion ein. Wir verstehen uns als Teil der Mehrwertstrategie Schweizer Fleisch und handeln entsprechend – abgestimmt mit der Wertschöpfungskette. Der Fleischkonsum hat sich in den letzten Dekaden verschoben. So wird beispielsweise nicht mehr Rindfleisch, weniger Schweine und massiv mehr Geflügelfleisch konsumiert. Monogastrier sind auf Futtergetreide und Proteinträger, beispielsweise Soja, angewiesen. Die Mischfutterproduktion in der Schweiz ist seit Jahren mehr oder weniger stabil. Sie hat im Übrigen eine wichtige Aufgabe. Jährlich fallen in der Schweizer Lebensmittelverarbeitung rund 365 000 t pflanzliche Nebenprodukte an, welche über die Nutztierfütterung verwertet werden. Über alle Tierarten gesehen, bestehen Schweizer Mischfutter im Durchschnitt zu 20 Prozent aus Nebenprodukten aus der inländischen Lebensmittelgewinnung. Mischfutter leistet damit einen wesentlichen Beitrag, um die Nährstoffkreisläufe zu schliessen.

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Das Mischfutter hat in den vergangenen Jahren bezüglich Rezepturen grosse Fortschritte gemacht und damit den Weg zu einer modernen, effizienten Tier-haltung geebnet. Was sind die künftigen Herausforderungen, welche Problematiken können oder müssen mit verbesserten Rezepturen gelöst werden?

Wir stehen vor grossen Herausforderungen diesbezüglich. Mit dem «Massnahmenplan sauberes Wasser» des Bundes sind unter anderem Stickstoff- und Phosphorüberschüsse massiv zu reduzieren. Hier kann die Tierernährung mit einer verbesserten Proteineffizienz einen wertvollen Beitrag zur Zielerreichung liefern. Forschung, Landwirtschaft sowie die vor- und nachgelagerten Stufen müssen in einem Netzwerk eng zusammenarbeiten. Gleichzeitig gilt es, die Ansprüche an Produktqualität, Tierwohl und Wirtschaftlichkeit nicht aus den Augen zu verlieren und unsere Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten täglich mit genügend und gleichzeitig qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zu versorgen.

Weitere Informationen: www.vsf-mills.ch