Die Ohren wackeln lustig, als die Schweine über die Weide auf Urs Rubi zurennen. «Eigentlich wären die alle schwarz-weiss», lacht er beim Anblick der erdfarbenen Truppe. Offenbar hat die warme Frühlingssonne bei den Vierbeinern schon die Lust auf ein Schlammbad geweckt. «So müssen doch Schweine leben», betont Rubi mit Blick auf die Tiere, die sich zutraulich um ihn versammeln. «Haben sie die Möglichkeit, fressen Schweine viel Gras, putzen die Weide sauberer als Kühe», erklärt er und nimmt zum Wohl der Tiere gerne die eine oder andere Furche, die sie im Feld ziehen, in Kauf.

Anicom baut Bio ab

So sehr Urs Rubi das Glück seiner Schweine geniesst, er hat in diesen Tagen auch Sorgen. Sein Vermarkter, die Anicom, hat ihm den Abnahmevertrag gekündigt. Schwer liegt der Brief auf dem Küchentisch. Keine Begründung steht darin, nur dass man bei ihm mit Wirkung von vier Monaten die Jager per 31. Juli nicht mehr hole. «Die Anicom weiss ja selber, wie lange es dauert von der Belegung der Sauen bis zur Vermarktung der Jager», betont Rubi. Auf seine Nachfrage habe man ihm beschieden, man baue allgemein bei der Bioproduktion ab, es treffe nicht nur ihn. Doch Rubi ist selbstkritisch: «Ich bin ein Unbequemer, stelle Fragen, will es genau wissen.» Er vermutet dort den Grund für das Ende der Zusammenarbeit.

«Ich bin deren Chef»

Doch geschlagen wird er sich nicht geben, das wäre nicht seine Art. «Ich bin Aktionär bei der Anicom AG, genau genommen bin ich deren Chef», betont er. Umso mehr schmerze es, wie die Branche mit den Produzenten umgehe: «Wir werden beschissen und betrogen, füttern riesige Wasserköpfe durch. Schreib das bitte so», meint er und fügt noch ein paar weitere deutliche Worte an. «So einfach lassen wir uns unsere wirtschaftliche Basis nicht zerstören und werden die Ombudsstelle der Bio Suisse in dieser Angelegenheit anrufen. Faire Handelsbeziehungen, wie in der Bioproduktion verlangt, sehen definitiv anders aus», so Rubi. Es sei ein verbreitetes Phänomen, unbequeme Produzenten so zum Schweigen zu bringen, doch er will nicht schweigen.

In seiner Vermutung sieht er sich bestätigt, denn auf biomondo.ch steht ein Inserat vom 8. April, worin Abferkelbetriebe für einen Anicom-/UFA-Bio- AFP-Ring gesucht werden. «Tönt nicht nach Produktionsabbau, oder?», fragt er und lächelt.

Neue Wege eingeschlagen

Geht es um Schweine, hatten Urs Rubi und seine Frau Sandra schon oft die Nase vorne. So waren sie vor Jahren unter den Ersten, die in die intensive, arbeitsteilige Ferkelproduktion einstiegen. Die Ställe, die sie damals bauten, nutzen sie noch heute. Dennoch ist die Schweinehaltung komplett anders geworden, der Betrieb wurde auf Bio umgestellt. Rund 30 ES-Sauen und 12 Schwäbisch-Hällische Landschweine produzieren hier Biojager.

Die alte Rasse überzeugt

Während die ES-Jager bisher von der Anicom AG vermarktet wurden, «schlagen beim Anblick der schwarz-weissen Schwaben viele Metzger und Vermarkter die Hände über dem Kopf zusammen», scherzt Rubi. Allerdings zu Unrecht, die alte, extensive Rasse überzeuge mit einer hervorragenden Fleischqualität betreffend Geschmack und Konsistenz.

Bis diese Rasse hier im bernischen Kienersrüti angekommen war, brauchte es manches Telefonat, viel Arbeit, zahlreiche Verhandlungen und sie bringt noch wenig Ertrag. «Es ist bisher mehr ein Hobby als ein Betriebszweig», erklärt Rubi. Aber eines, das er und seine Frau mit sehr viel Leidenschaft betreiben.

Perfekte Bioschweine

Nicht nur auf der Weide führen seine Bioschweine ein unkonventionelles Leben. In den grossen, selbst konstruierten Buchten und Ausläufen leben Remonten, Sauen mit Ferkeln, Galtsauen teils zusammen mit Ebern ein «Familienleben, wie es sich der Konsument vorstellt», erklärt Rubi. Es fällt auf, wie ruhig und friedlich die Tiere sind. Trotz der grossen Anzahl Schweine und dem urtümlichen Temperament der Landrasse ist kaum Geschrei zu hören. Der beissende Geruch, wie man ihn aus Schweineställen kennt, fehlt, stattdessen haben die Tiere Platz, Luft und Licht.

«Die Schwaben», wie er seine Schwäbisch-Hällischen Landschweine nennt, sind seine grosse Leidenschaft geworden. Er kreuzt sie unter der Schirmherrschaft des FiBL mit ES-, Duroc- und Turopolje-Schweinen zu einer Vierrassenkreuzung – perfekt geeignet für die extensive Bioschweine-Haltung.

«Hier kannst du dem Konsumenten den Unterschied zwischen einem konventionellen und einem Bioschwein ganz einfach zeigen», betont Rubi. Die Bioproduktion dürfe nicht nur eine «abgespeckte» Version der konventionellen Schweinehaltung sein. Deshalb begrüsst er, dass für Bioschweine neu mehr Platz vorgeschrieben werden soll. So könnten sich Bioschweine in Zukunft wieder deutlicher von der konventionellen Schweineproduktion abheben.

Unterschiede zeigen

Die konventionelle Schweineproduktion habe ein hochspezialisiertes Tier gezüchtet, das nur noch mit hochspezialisiertem Futter und vielen Medikamenten gross werde. Das habe er so nicht mehr gewollt: «Wir müssen uns von einer Branche distanzieren, die offensichtlich bereit ist, für drei Franken je kg LG einen Jager zu produzieren», ist Urs Rubi überzeugt. «Wie sonst wollen wir dem Konsumenten erklären, warum unsere Schweine teurer sind?»

Er wolle seine Schweine länger halten, langsamer mästen, weniger intensiv füttern und individuell schlachten. «Dazu streben wir ein Schlachtgewicht bei den Schwaben von rund 100 bis 120 kg an. Das höhere Alter der Tiere beeinflusst die Fleischqualität positiv», erklärt er. Mit all diesen Argumenten könne dem Konsumenten der erforderliche Mehrpreis für die Produkte glaubhaft erörtert werden. «Dazu ersparen wir unseren Tieren auch den Lebendtransport in den Schlachthof. Aus Überzeugung schlachten wir diese Tiere mittels stressfreier Hoftötung. Auch dort haben wir uns unsere Gedanken gemacht, um ein solches System Bio- und praxistauglich zu gestalten», fügt Rubi an.

Transparent bis zum Schluss

40 Tiere hat er im vergangenen Jahr an die Gastronomie vermarktet: «Wer einmal solch reifes, gelagertes Schweinefleisch hatte, der will kein anderes mehr», ist er sich sicher. Sogar seine Frau Sandra esse nun wieder Schweinefleisch. Klasse statt Masse, und das zu kostendeckenden Preisen, das sei die Zukunft der Biofleisch-Produktion, ist er überzeugt.

Bereits warten weitere Interessenten darauf, dass er mehr von diesen Schlachttieren produziert. Aber wie heisst es so schön: Gut Ding will Weile haben. Sandra und Urs Rubi sehen in einer solchen Bioschweine-Produktion ihre Zukunft, mit einem Konsumenten, der sehen will und darf, wie das Tier geboren wird, wie es lebt und wie es schliesslich stirbt. Und ja, die Zukunft der Bioschweine-Haltung wird – zumindest hier in Uttigen – farbig.

Betriebe für das Projekt «Unser Hausschwein» gesucht

Unter dem Projekttitel «Unser Hausschwein» sind engagierte Landwirte wie Urs und Sandra Rubi dabei, aus verschiedenen Schweinerassen eine neue robuste und genügsame Rasse zu züchten. Diese soll sich für die Freilandhaltung und die Fütterung mit landwirtschaftlichen Nebenprodukten eignen.

Koordiniert wird das Projekt vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Weitere Betriebe mit Zucht oder Mastplätzen werden laufend gesucht. Um die Zuchtarbeit zu dokumentieren, wurde der Verein «Alternative Schweinezucht Schweiz» gegründet, der noch in diesem Jahr ein Herdebuch für die neue Rasse erstellen will. Aber der Verein will auch die Diversität der Schweinerassen erhalten und ausbauen.Ausserdem sollen mit dem Projekt auch gleichgesinnte Landwirte zusammengebracht werden. Diese Anlaufstelle fehlt bisher. Der Erfahrungsaustausch bezüglich Zucht und Freilandhaltung soll unter den Landwirten gefördert werden.

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