Der Herbizidverzicht ist nicht Teil des landwirtschaftlichen Verordnungspakets 2023. Dass sich trotzdem im Rahmen der Vernehmlassung zum Paket diverse kantonale Ämter und Organisationen dazu äussern, zeigt deutlich, wie sehr die Regelungen beschäftigen.
Alle Flächen einer Kultur
Der Produktionssystembeitrag (PSB) «Verzicht auf Herbizide im Ackerbau und in Spezialkulturen» schreibt vor, dass gesamtbetrieblich auf allen Flächen einer Kultur keine Herbizide mehr eingesetzt werden dürfen. Das sei kontraproduktiv, machen u. a. die Kartoffelproduzenten und der Schweizer Bauernverband (SBV) nicht zum ersten Mal ihren Standpunkt klar. IP-Suisse (IPS) schliesst sich dem an: Die Hürde für eine Teilnahme am Bundesprogramm sei zu hoch und aktuelle Rückmeldungen hätten gezeigt, dass die Landwirte lieber auf den Beitrag verzichten. «Damit können wichtige Zielsetzungen sowohl aus Umwelt- wie auch aus Marktsicht nicht im gewünschten Mass erreicht werden», schreibt IPS. Eine parzellenweise Umsetzung der Massnahme würde hingegen eine Win-win-Situation darstellen, ist man sich einig.
Ähnlich wie bei IP-Suisse
Damit wäre der Bundesbeitrag näher an den Vorgaben des IP-Suisse-Programms für «pestizidfreies Getreide», das den Verzicht auf Herbizide miteinschliesst. Es unterscheidet sich allerdings in einigen Punkten vom Bundesbeitrag, nämlich durch die Möglichkeit zum klassenweisen Verzicht, dem Verbot für chemische Saatgutbeizung sowie für Einzelstockbehandlungen. Ausserdem erlaubt der Käfer bei reduzierter Bodenbearbeitung oder Problemunkräutern Glyphosat, allerdings nur mit Sonderbewilligung.
In Zusammenarbeit mit IP-Suisse hat die Migros 2020 angekündigt, bis 2023 nur noch Getreide aus komplett pestizidfreiem Anbau zu verarbeiten. In der Vernehmlassung äussert sich die Detailhändlerin gleich wie die Labelorganisation. «So sind mehr Produzenten motiviert für die herbizidfreie Produktion», begründet die Migros auf Anfrage ihr Engagement in dieser Sache. Schliesslich macht der Bundesbeitrag auch den pestizidfreien IP-Suisse-Anbau attraktiver, da die Produzenten bei Erfüllung der Vorgaben den Beitrag zusätzlich zur IP-Prämie erzielen können. IPS empfiehlt seinen Produzenten, im Herbst die gesamte Brotweizenfläche für beide Programme anzumelden und im Falle eines Herbizideinsatzes die nötigen Ab- bzw. Ummeldungen auf IP-Suisse extenso vorzunehmen.
- Ein Merkblatt von IP-Suisse zu Vorgaben von und Umgang mit den Beiträgen für Herbizidverzicht finden Sie hier.
- Details zum Produktionssystembeitrag des Bundes für den Verzicht auf Herbizide finden Sie hier.
Zu wenig Umsteller
Das Projekt pestizidfreies Getreide läuft für den orangen Riesen allerdings nicht ganz wie vorgesehen. Wegen der schlechten Ernten 2021 sei die Expansion nicht wie gewünscht erfolgt. «Durch die schwierigen Anbaubedingungen haben weniger Betriebe umgestellt als geplant», so Migros-Sprecher Marcel Schlatter. Weiter habe die globale Lage einen Einfluss auf die Entscheidungen der Betriebsleitenden gehabt. Trotzdem gibt sich die Migros zuversichtlich, mit den gemeinsamen Massnahmen mit IP-Suisse die ambitionierten Ziele – mit Rückstand auf den Umsetzungsplan – zu erreichen.
Die Bereitschaft zum pestizidfreien Anbau ist das eine, der Markt das andere. Die Massnahme wird bei der Migros aktuell nicht ausgelobt, da man noch nicht bei 100 Prozent pestizidfreier Ware stehe. Die Mehrkosten der Produzenten werden aber mit einer zusätzlichen Prämie abgegolten, während es ausserdem Investitionen in Forschung und Entwicklung in den Bereichen Sortenwahl, Qualität, Genuss und Nachhaltigkeit gebe. Wie hoch die Kaufbereitschaft der Kundschaft im Detailhandel ist, lässt sich vor der Auslobung nicht beurteilen. Die Migros kann die Mehrkosten am Markt so nicht lösen, zahlt also faktisch drauf. «Wir machen hier einen Schritt vorwärts, da dieses Anbausystem auf unsere Nachhaltigkeitsstrategie einzahlt», erklärt Marcel Schlatter.
PSM-frei statt Extenso
Gemäss Website sucht IP-Suisse derzeit keine neuen Produzenten für pestizidfreien Weizen, das Gesamtvolumen an Getreide sei ausreichend. Gewünscht ist, dass bestehende Extenso-Produzenten umstellen. Die Anmeldung ist laut IPS bis zum 15. November möglich, Ummelden zurück auf Extenso oder eine Abmeldung vom Bundesbeitrag für Herbizidverzicht sei hingegen jederzeit möglich.
Ob der Bundesrat für die Anträge bezüglich Herbizidverzicht Gehör hat, zeigt sich voraussichtlich im Herbst.
Anträge von IP-Suisse
Zum Bundesbeitrag für Herbizidverzicht:
Parzellenweise: Beitrag pro Parzelle oder für Winterweizen mindestens klassenweise (Eventualantrag).
Beitragshöhe: Für Hauptkulturen der übrigen offenen Ackerflächen Fr. 400–/ha statt Fr. 250.–/ha.
Weitere Kulturencodes: Z. B. Futter- oder Braugerste, Folien-, Speise- und Industriekartoffeln anmelden.
Referenzperiode: Von Saat bis Ernte der beitragsberechtigten Kultur, statt von der Ernte der Vorkultur an.

