«Das wird nicht funktionieren», sagten die Firmenvertreter, als sie 2020 den Verkaufsautomaten der Familie Rigozzi aufstellten. «Aber klar doch», widersprach Nancy Rigozzi und stellte ein 1 kg Käsestück ins Automatenfach. «Ein 200 g Käsestück wie in einem Laden reicht doch niemals für eine Familie», rechtfertigte sich Nancy – und sie behielt Recht. Der Viertel Alpkäse Camadra AOP wird am Stück am Automaten gekauft, und noch vieles mehr wie Weichkäse, Raklettello, dazu passend Raclettekartoffeln, Halbhartkäse Blenio und Adula sowie Fleischwaren. [IMG 2]

Automat wird zum Erfolg

[IMG 3] Der Automat steht aber auch zu gut auf einem Parkplatz an der Hauptstrasse zwischen Biasca und dem Lukmanierpass. Die Strasse ist ganzjährig befahrbar und von Touristen stark frequentiert. Im Winter gehen die Leute in Campra langlaufen. Weiter oben befinden sich zudem ein Skigebiet und eine Schlittelpiste. Und im Sommer stehen 500 Wanderwege und Bikerouten zur Verfügung. «An manchen Tagen haben wir über 100 Bezüge», sagt sie und zeigt auf die Handy-App, die jeden Bezug aufzeigt. «Sehen Sie, gestern Abend um 22.30 Uhr wurde Raklettello gekauft.» Mit der App hat sie den Überblick und sieht, wann sie wieder auffüllen muss.

Caseificio del Sole

[IMG 4] Ihr Vater Severino Rigozzi ist sichtlich stolz auf seine Tochter und den Automatenerfolg. Der Stall, die Käserei und der Hofladen sind rund 700 m von der Hauptstrasse entfernt. Im Stall melken zwei Lely-Astronaut-A5-Roboter 90 Kühe, 50 Rinder stehen gemächlich im Laufgang, die Kälber wärmen sich im Stroh und die zehn Hausschweine suhlen sich im Dreck. Die Käserei nennt sich «Caseificio del Sole» und ist passend in leuchtend gelber Farbe gestrichen.

Hinter der Käsetheke steht Nancy, bedient Kunden oder führt Schulklassen durch die Käseproduktion. Chefkäser ist seit über zehn Jahren Lucio Lucchini. Ihm zur Seite steht Melanie Vanzentta und stellt Formagella in verschiedenen Grössen und Formen her. Die 26-jährige Käserin kann auf zehn Jahre Erfahrung zurückblicken und teilt sich ihr Arbeitspensum monatlich ein: Bei der Familie Rigozzi arbeitet sie zwei Wochen pro Monat, für Flo Bienert in der Sennerei Andeer GR eine Woche sowie auch eine Woche für die Sennerei in Campo Blenio. [IMG 5]

Alle Milch des Betriebs, rund 2000 kg pro Tag, wird verkäst und von Rigozzis vermarktet. Dazu reichen ein Verkaufsautomat und ein Hofladen natürlich nicht. Die Tessiner Grossverteiler erkannten früh das Potenzial von regionalen Spezialitäten und Severino Rigozzi liess sich die Chance nicht entgehen, als 2010 die Migros Tessin anfragte. In allen Tessiner Filialen gehören nun Rigozzis Formagella, Alp- und Bergkäse zum Sortiment. Ein bis zweimal pro Woche liefert Odis, Severinos Sohn, den Käse aus.

«Immer dranbleiben»

Zu den Kunden gehören auch Detaillisten, Hofläden und Restaurants. «Man muss halt dranbleiben», sagt Severino Rigozzi zum Aufbau seines Kundenstamms. «Erst telefonierst du, dann nochmals, schliesslich gehst du vorbei, ein zweites und drittes Mal. Stellst deinen Käse vor, darfst einen Formagello in die Vitrine legen – und so Schritt für Schritt überzeugst du die Ladeninhaber und Kunden», erzählt Severino Rigozzi. [IMG 6]

Kein Zweifel, beharrlich ist der Landwirt – das zeigt auch sein Lebensweg. Im Mai wird er 65 Jahre alt. So ist es Zeit für einen Rückblick, denn dass er einmal zu den grössten Landwirten im Tessin zählen wird, wurde ihm nicht in die Wiege gelegt. Aufgewachsen ist er in Aquila, dort, wo jetzt die Käserei steht. «Wir waren nicht reich und hatten zwei bis drei Kühe, deren Milch wir verkauften.» Er lernte Automechaniker.

Melken und Käsen

Nach und nach sattelte Severino um, auf das, was ihn mit Freude erfüllt, nämlich: Kühe, Melken und Käsen. Er habe immer gearbeitet. «Lavoro, lavoro», sagt Severino Rigozzi. Nebenher war er im Viehhandel tätig und übernahm die Schneeräumung für das Bleniotal. Das ist heute noch ein Betriebsstandbein. Rigozzi begann mit der Verarbeitung einer Jahresmenge von 10'000 kg Milch, steigerte auf 20'000 kg, dann auf 100'000 kg und produziert heute rund 600'000 kg Milch. 1976 war ein Meilenstein – ab dann galt er als Vollerwerbsbetrieb. Er baute einen Freilaufstall, errichtete eine Käserei und konnte im Nachbardorf Dangio einen Käsekeller übernehmen. Das Unternehmertum scheint in den Familiengenen zu stecken. Sohn Odis baute ein Transportunternehmen auf. Auf Mai 2023 wird er den Hof übernehmen. Aber Vater Severino wird sicher nicht die Hände in den Schoss legen. [IMG 7]

Tag der offenen Käsereien

Nancy Rigozzi ist dabei, eine neue Homepage online zu stellen. Zudem ist sie bereits an der Planung des «Tags der offenen Käsereien». Dabei öffnen am 6. und 7. Mai 18 Tessiner Käsereien ihre Türen. «Wir organisieren das zum zehnten Mal. Vergangenes Jahr besuchten uns über 1000 Leute», sagt Nancy Rigozzi.

Dieser Beitrag ist zuerst in «Hof direkt» erschienen.

Betriebsspiegel Rigozzi
Betriebsleitung: Severino Rigozzi mit Sohn Odis
Ort: Aquila TI
LN: 55 ha
Viehbestand: 90 Kühe, 50 Rinder, Alpschweine
Betriebszweige: Käserei, Hofladen, Vermarktung, Transporte, Schneeräumung
Angestellte: Je ein Vollzeitangestellter in der Käserei und im Stall, Teilzeitmitarbeitende in der Käserei, drei saisonale Älpler
Homepage: www.caseificio-del-sole.ch