Der Markt für Molkereimilch teilt sich zunehmend in ein Zweiklassensystem. Auf der einen Seiten stehen die Verarbeiter mit lukrativer Verwertung und etwas besseren Preisen. Dazu gehören namentlich Emmi und Elsa. Auf der anderen Seite stehen Unternehmen wie Cremo, Hochdorf und Nestlé mit traditionell hohen Anteilen an Überschussverwertung und Export.

Eine Zweiklassengesellschaft

Grund für diese Zweiklassengesellschaft ist die Knappheit an Industriemilch. Diese gibt selbst den Produzentenverbänden zunehmend zu denken, obwohl sie von der Knappheit preislich eigentlich profitieren können sollten. Im neusten «Info» der Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) liest man etwa folgendes: «Die Mitgliederzahl ist unter 3000 gefallen. Die Tendenz ist ungebrochen.

«Diese Entwicklung ist alarmierend.»

ZMP-Präsident Thomas Oehen über den zunehmenden Milchmangel.

Was geändert hat, ist, dass nun auch die Milchmenge zurückgeht. Die verbleibenden Betriebe können die fehlenden Mengen nicht mehr kompensieren», heisst es im Editorial von Präsident Thomas Oehen, «für den Vorstand ist diese Entwicklung alarmierend».

Abnehmer erhöhen Mengen

Die Preisunterschiede bei den Abnehmern führen dazu, dass die schlechter bezahlenden zunehmen Mühe haben, die nötigen Milchmengen zu beschaffen, wie diverse Branchenkenner bestätigen. Die grossen Milchhändler bevorzugen natürlicherweise die besser zahlenden Kunden.

Auf Anfrage erklärt man beispielsweise bei Mooh Folgendes: «Leider müssen wir feststellen, dass die verfügbare Milchmenge gesunken ist und dies hat Mengenverschiebungen ausgelöst», schreibt Mediensprecherin Gabriela Küng, «dabei setzt Mooh auf langfristige Partnerschaften in wertschöpfungsstarken Kanälen, um ihren Auftrag als Produzentenorganisation wahrzunehmen».

«Wir setzen auf Wertschöpfungs-starke Kanäle.»

Gabriela Küng, Mediensprecherin von Mooh, über die Geschäftspolitik der grössten Milchhändlerin.

Zu dieser Knappheit trägt auch bei, dass der Verbrauch stark zugenommen hat. So erklärt etwa Lukas Barth, Chef-Milcheinkäufer bei der Elsa, dass man letztes Jahr aufgrund der Covid-19-Situation im Detailhandel deutlich mehr Milchprodukte absetzen konnte. Deshalb habe Elsa im Hinblick auf das laufende Jahr die unter Vertrag genommenen Mengen wie schon im Vorjahr entsprechend erhöht. Dazu komme im laufenden Jahr ein höherer Bedarf zur Absicherung des Gesamtmilchbedarfs der Migros-Gruppe.

Verkäsung absorbiert viel

Ein weiterer Faktor, der die Industriemilch-Knappheit befeuert, ist neben dem hauptsächlich Corona-bedingten hohen Absatz für Milchprodukte der ungebrochene Anstieg der verkästen Industriemilch. Das soeben bekanntgewordene Gesuch eines Ostschweizer Käses ist das jüngste Beispiel für die Rohstoff-Knappheit in diesem Bereich.

Unterdessen sind praktisch alle Akteure in der Branche entweder selber am Käsen oder beteiligt an Käsereien, die oft spezialisiert sind auf die Herstellung von günstigen teilentrahmten Käsen für den Export. Nicht umsonst steigt deshalb in der Branche der Ruf nach einer grundsätzlichen Überarbeitung der Verkäsungszulage. Dieses Ansinnen wurde wie berichtet bereits bei früherer Gelegenheit diskutiert. Die Diskussion über eine Fettabstufung ist aber mindestens vorübergehend wieder etwas versandet.

Rahm-Importgesuch von Nestlé abgelehnt

Die Knappheit führt zu erhöhter Kreativität bei der Suche nach Lösungen. Dabei blicken viele Verarbeiter immer aktiver über die Grenze. Wie wir im Dezember berichtet haben, wollte Nestlé mittels Veredelungsverkehr 4500 t Rahm importieren, um diesen dann an Züger Frischkäse zur Butterverarbeitung weiterzureichen. Derweil hätte Nestlé dann mit Schweizer Rahm Babynahrung für den ausländischen Markt produziert, dank des Importkonstrukts zu insgesamt deutlich tieferen Preisen, als normal.

Dieses Gesuch stiess in der Branche auf mittleren bis grossen Widerstand. Wie der Entscheid ausgefallen ist, wird offiziell nicht kommuniziert. Sowohl die eidg. Zollverwaltung als auch die Gesuchstellerin wollen keine Auskunft geben. Gemäss üblicherweise gut informierten Quellen wurde dieses aber abgelehnt. Man darf gespannt sein auf die Begründung, sollte diese dereinst noch an die Öffentlichkeit gelangen.

Milch-Importgesuch einer Ostschweizer Käserei

Unterdessen ist bei der Zollverwaltung bereits ein nächstes Gesuch eingegangen, das der BauernZeitung vorliegt. Die Käserei Imlig in Oberriet SG beantragt den Import von 3 Mio kg Frischmilch aus Deutschland im aktiven Veredelungsverkehr. Damit soll gemäss dem Antrag Halbhartkäse der Stufe Vollfett für den deutschen Markt hergestellt werden.  Die Verantwortlichen der Käserei waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Das Gesuch weilt derzeit zur Konsultation bei diversen Branchenverbänden.