Die Anzahl Milchkühe in der Schweiz nimmt ab. Ebenso rückläufig ist die Anzahl jener Bäuerinnen und Bauern, die noch an der Milchproduktion als Betriebszweig festhalten. Was hingegen zunimmt, ist die Ansicht der Gesellschaft, der Kuh solle es möglichst gut gehen. «So erwartet die Gesellschaft von uns Produzenten, dass die Produktion immer nachhaltiger wird. Das ist auch mit viel Tierwohl verbunden. Doch was ist Tierwohl? Viel Futter, schöne Ställe oder gesunde Tiere? Hier gehen die Ansichten weit auseinander», weiss Boris Beuret. Der Präsident der Schweizer Milchproduzenten (SMP) begrüsste entsprechend am Mittwoch am Landwirtschaftlichen Institut Grangeneuve, Posieux FR, zum Milchforum.
Kühe bleiben lieber im Stall
Viel Neues gab es nicht zu hören. Unter den Referenten erzählte der Swissherdbook-Mitarbeiter Nicolas Berger in der Rolle als aktiver Landwirt zum Thema Tiergesundheit und Tierwohl. Berger sprach über die Ansprüche der Konsumenten und der Landwirte. Ihm ist die Schere zwischen Reden und Handeln der Konsumgesellschaft sehr wohl bekannt. So entspreche die Ansicht, wie man einkaufen wolle, nicht dem wirklichen Verhalten im Laden. Die Konsumgesellschaft sei sehr preisaffin, wenn sie das auch nicht zugebe.
Nicolas Berger gab auch Erläuterungen zu den Ansprüchen der Bauern. Auf dem Betrieb, den der junge Freiburger gemeinsam mit seinem Vater und Onkel bewirtschaftet, ist viel Technik im Einsatz. Im 2012 erstellten Roboterlaufstall wurde beispielsweise eine Sprinkleranlage eingebaut. Berger beobachtet, dass die Kühe an den heissen Tagen lieber im Stall bleiben würden, als diesen zu verlassen.
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Eng verbunden
Tierwohl stehe im engen Zusammenhang mit der Tiergesundheit, ist Nicolas Berger sicher. So erwähnt er beispielsweise im Bereich der Hygiene wichtige Massnahmen auf seinem Betrieb, wie die Kalkstrohmatratze, eine regelmässige Boxenpflege, die Dampfreinigung nach jedem Melken, sauberes Wasser und Futter, ein Spaltenreiniger mit Lely Discovery und ein Gülleschieber im Laufgang.
Den 56 ha umfassenden Betrieb, auf dem 65 Milchkühe mit einer durchschnittlichen Leistung von 9436 kg Milch stehen, betreut ein Bestandestierarzt, der alle zwei Wochen auf den Hof komme. Ebenfalls ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg, sagt Berger.
Das Management alleine reiche aber nicht. Auch züchterisch brauche es entsprechendes Engagement. So werden auf dem Hof alle Kühe genomisch typisiert – die besten dann mit gesextem Samen belegt.
Für Nicolas Berger ist Tierwohl abschliessend gesagt mehr als nur ein Label. «Familienanschluss ist wichtig fürs Tierwohl», ist er sicher, und genau das sei auf Schweizer Betrieben, die in vielen Fällen noch als Familienbetriebe geführt würden, auch gewährleistet.
Zentrales Thema für Migros
Vonseiten Handel war Matthew Robin von der Elsa anwesend. Auch er brachte wenig Neues im Gepäck. «Tierwohl ist für die Migros ein zentrales Thema», sagt er. Intern wie auch extern werde viel darüber gesprochen. So werde auch kommuniziert, was erwartet wird. «Nicht nur für den Ruf und die Reputation, sondern auch aus Überzeugung», so Robin.[IMG 2]
Matthew Robin versuchte die Frage zu beantworten, weshalb das Tierwohl so zentral für den Konsumenten sei. «Was der Konsument versteht, ist nicht unbedingt die Realität. Aber die Realität der Konsumenten ist einfach seine Wahrnehmung», so Robin. So müssten die Fakten möglichst im Einklang mit der Wahrnehmung der Konsumenten liegen. Das wäre der Idealfall. Aber auch Robin weiss: «Das Kaufverhalten entspricht nicht dem, was sie sagen, was sie verlangen und was sie predigen.»
«Die Gesellschaft erwartet, dass die Produktion immer nachhaltiger wird.»
Boris Beuret, Präsident Schweizer Milchproduzenten
Wenig Wissen
«Aber wir wissen alle: Die Konsumenten haben immer recht», gab Matthew Robin zu bedenken. Obwohl sie die Details nicht verstünden. Sie hätten den Glauben, dass eine gute Tierhaltung auch die Voraussetzung für eine gute Produktqualität sei. Und damit würden sie auch richtig liegen, ist der Elsa-CEO sicher und nennt alsbald das Beispiel der Milchqualität.
Was der Konsument glaube, sei zum Glück sehr nahe an der Realität. Gerade die Kuh auf der Weide habe sich als Bild der glücklichen Kuh in den Kopf der Konsumenten festgesetzt. Der Grundglaube, dass die Kuh gesünder sei, wenn sie in Freiheit lebe, würden nicht nur die Konsumenten glauben, das stimme auch, ist Robin sicher.
Migros beeinflusst
Migros versucht diesen Glauben des Konsumenten auch zu beeinflussen. Matthew Robin nennt in diesem Zusammenhang den M-Check verbunden mit der Frage: Wie kommuniziert Migros die Wichtigkeit der guten Tierhaltung? Das erreiche sie mit Transparenz, mit der Bemühung, die Verständlichkeit zu erhöhen, mit dem Aufzeigen, dass Qualität ihren Preis hat, aber auch damit, das Tier in Verbindung mit dem Produkt zu bringen, und auch indem positive Emotionen geschaffen würden. Umso mehr Konsumenten nach Tierwohl verlangen, umso besser sei das, ist Robin sicher. Denn dann würden sie vermehrt Schweizer Produkte nachfragen.
Milch – zu günstig
«Wie kann Milch so günstig sein», fragte Babette Sigg Frank, die als Präsidentin Konsumentenforum am Anlass die Seite der Konsumgesellschaft einbrachte. Sie ist sicher, der Konsument funktioniere einfach. Tierseuchen, Antibiotika oder andere Skandale hätten einen negativen Einfluss auf den Konsum. Im Gegensatz dazu würden die wenigsten wissen, dass es Rahm, Butter und Käse nur gibt, weil daneben auch Fleisch produziert wird. Sie ist aber sicher: «Das Vertrauen in Milch ist nach wie vor hoch.» Genau darum würden die Konsumenten in den stets neuen und in ihrer Anzahl steigenden Milchersatzprodukten nichts anderes als eine Ergänzung, aber sicher keinen Ersatz für Milch sehen.
Ein entscheidendes Problem beim Konsum benennt sie am Anlass schliesslich selbst. An die tiefen Preise für Lebensmittel habe man sich in der Schweiz einfach gewöhnt. Erschwerend komme aktuell hinzu, dass man noch sparen müsse. Sie hat die Antwort, wie die Konsumenten dazu zu bewegen sind, faire Preise zu zahlen, auch nicht. Anders als über die stete Information und Aufklärung sieht sie keinen Weg.