Früher … Viele Jahre habe ich diesen Satzbeginn gehasst. Nun ertappe ich mich dabei, wie ich ihn selbst verwende. Aber hey, ich darf das. Denn ich gehöre jetzt auch zu den Mittelalterlichen. Zu denen also, die nicht mehr jung aber auch noch nicht alt sind. Mist, ich schweife ab. Mein Alter soll ja jetzt gar nicht Thema sein.
Es gibt etwas, das war früher besser. Früher hatte praktisch jede Person einen engen Verwandten, der in der Landwirtschaft tätig war. Die Leute wussten noch, woher die Milch kommt, wie Lebensmittel produziert werden. Sahen, wie viel Arbeit dahintersteckt. Heute ist das anders. Die Landwirtschaft hat sich weiterentwickelt. Den Konsumenten hat man jedoch nicht mitgenommen. Der Eine denkt, dass Lebensmittel in völliger Idylle produziert werden, wie es die Werbung gerne vorgaukelt. Der Andere hat das Wissen verloren, dass Lebensmittel in und mit der Natur produziert werden und nicht rund um die Uhr im Einkaufscenter im Beutel wachsen.
Zwiebeln im Winter
Dass viele keine Ahnung mehr haben von Landwirtschaft, zeigt sich oftmals in Onlinekommentarspalten. Da geht ein Aufschrei durch die sozialen Medien, weil die Grossverteiler keine Schweizer Zwiebeln mehr im Angebot haben und diese stattdessen aus Neuseeland stammen. Kommentar: "So was geht gar nicht! Für was wachsen denn in der Schweiz das ganze Jahr über Zwiebeln?", regt sich einer auf. Da kann ich nur sagen: Knapp vorbei ist auch daneben. Ich jedenfalls habe im Winter noch nie Zwiebeln wachsen sehen. Abgesehen mal von denen, die gegen Frühling im zu warmen Keller austreiben. Wie massiv das Wissen um die Landwirtschaft abgenommen hat, zeigte sich auch am vergangenen Wochenende beim Tag der offenen Stalltüre. Was da einige Konsumenten von sich gaben, ist schlicht erschreckend. Beispiele gefällig? Hier bitte: Zum Kaffee gabs Milch ab Hof, keinen Kaffeerahm. Ein Besucher, der soeben vom Kuhstall herkam, fragte ungläubig: Die Milch ist wirklich von hier vom Hof??? An einem Stand wurde Milchshake aus Rohmilch angeboten. Ein Vater kam und fragte: Darf mein 18-monatiges Kind dies trinken? Ist das dieselbe Milch, wie aus dem Supermarkt oder sind da noch Bakterien drin? Nein, das ist natürlich nicht dieselbe Milch. Diese hier lebt noch, während UHT-Milch sozusagen tot ist. Aber das kannst du dem Konsumenten ja schlecht erklären. Andere fragten draussen auf dem Feld, für was denn der Weizen sei. Liebe Konsumenten, was denkt ihr denn, aus was euer täglich Brot oder eure Nudeln bestehen. Aus einer Mixtur aus dem Reagenzglas vielleicht? Ja gut, zugegeben, so abwegig ist das heutzutage ja nicht mehr. Es wird schliesslich auch daran getüftelt, Fleisch herzustellen, für das kein Tier geschlachtet werden muss.
Landwirte, Bäuerinnen wacht auf!
Eigentlich soll diese Kolumne ja zur Unterhaltung dienen. Mir ist aber nicht nach Humor zumute. Ich bin von viel Unwissen immer noch geschockt. Daher muss ich heute einen Weckruf starten. Landwirte, Bäuerinnen wacht auf! Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern fünf nach. Höchste Zeit also, dass wir aktiv werden. Es liegt an uns allen, Wissen über die Lebensmittelproduktion zu verbreiten. Nehmt jede erdenkliche Möglichkeit wahr, um mit den Konsumenten ins Gespräch zu kommen, und erzählt ihnen von unserer aller Arbeit. Wir alle sind stolz auf unseren Beruf. Zeigen wird das und hören auf zu jammern! Nur gemeinsam können wir es schaffen, das Ruder rum zu reissen und etwa verhindern, dass die beiden Pflanzenschutzinitiativen angenommen werden. Also, ran an die Arbeit, denn zupacken können wir ja!