«Im Moment haben Milchbauern eigentlich zwei Möglichkeiten: sie leben irgendwie mit dem tiefen Milchpreis oder sie vermarkten ihre Milch selbst und haben daneben kein Leben mehr», erklärte Berthe Darras von Uniterre kürzlich bei der Tagung «From Farm to Fork» in Lausanne VD. Entweder man liefert sich dem Markt aus, oder widmet sich der aufwändigen Direktvermarktung, um einen angemesseneren Preis verlangen zu können.

Eine mögliche Lösung

Aber es könnte auch eine andere Lösung geben. Mit dem «Equal Profit»-Modell verdienen alle Akteure einer Wertschöpfungskette gleichermassen am Verkauf eines Produkts. Den jeweiligen Gewinn berechnet das Modell proportional zu den Kosten, die jedem Akteur entstehen. Risiken werden auch in die Rechnung miteinbezogen. Alle Zahlen müssen offengelegt und der Verkaufspreis gemeinsam ausgehandelt werden.

Gerechte Preise gegen Strukturwandel 

Entwickelt wurde das Modell von Inès Burrus. In ihrer Doktorarbeit an der Universität Lausanne ging sie der Frage nach, wie sich der Bauernberuf (weltweit) wieder attraktiver für die junge Generation machen liesse. Ihre Schlussfolgerung: es braucht gerechtere Preise, damit Bauern von ihrer Arbeit leben können. So könnte man sowohl die Landflucht als auch den Strukturwandel in den Griff bekommen.

Das «Equal Profit»- Modell wurde bisher im Kakao-Handel gestartet, wo Bauern bekanntermassen schlecht bezahlt werden. Gemeinsam mit der Nicht-Regierungsorganisation «One Action» wurde ein Bio-Schokolade-Riegel konzipiert, bei dem ecuadorianische Kakao-Bauern einen gerechten Anteil am Gewinn von jedem Riegel erhalten. Das Projekt geht allerdings über das Wirtschaftliche hinaus; Die Landwirte lernen zudem, zu kompostieren und Kakao als Agroforst-System anzubauen. «One Action» unterstützt die Entwicklung der Kakao-Kooperative, deren Einkommensdifferenzierung und Produktqualität. Im Moment läuft die Erfassung der Kosten entlang der Kakao-Wertschöpfungskette, denn in Equador werden derartige Daten von Bauern bisher nicht erhoben, wie Saskia Petit von «One Action» erklärte.

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Hohe Margen der Detailhändler

Bisher bestimmt die jeweilige Marktmacht innerhalb der Wertschöpfungskette den Gewinn der einzelnen Akteure. Das führt zu Ungerechtigkeiten. Im Kakao-Geschäft wurden diese Ungerechtigkeiten untersucht, aber auch in der Schweiz fühlen sich viele Milchbauern ungerecht behandelt; es komme zu wenig vom aus den Produkten erwirtschafteten Gewinn zum Produzenten, ist zu vernehmen. Gemäss einem Agridea-Bericht von Sophie Réviron zur Differenzierung im Milchmarkt steigt die Marge der Schweizer Verarbeiter und Detailhändler parallel zum Preis des fertigen Lebensmittels. Bei Produkten mit hohem Bekanntheitsgrad steigen ihre Margen auf 35 bis 50 Prozent, während jene der Produzenten praktisch unverändert bleiben.

Tatsächlich passt das «Equal Profit»-Modell gut zu den Forderungen der Agridea-Studie. Darin steht, dass die Margentransparenz durch eine Beobachtungsstelle verbessert werden könnte, um zu einem faireren Produzentenpreis beizutragen.

Margentransparenz dank Plattform

Eine solche Beobachtungsstelle ist in Burrus’ Modell die «Equal Profit»-Plattform. Darauf müssen alle Akteure ihre Kosten (auch gegenüber der gesamten Wertschöpfungskette) offenlegen. Die Plattform überprüft die Daten und zeigt auch die eigenen finanziellen Aufwände. Daraus werden die totalen Kosten jedes Akteurs für ein Produkt berechnet, die Betriebs-, und Produktionskosten, aber auch Zinsen und Amortisation usw. beinhalten sollen. Basierend auf diesen überprüften Angaben wird der Anteil an den Gesamtkosten für Produzenten, Verarbeiter und Verkäufer berechnet. Der nächste Schritt ist die Festlegung des Preises. Dazu wird der Markt detailliert studiert und ein durchschnittlicher Preis errechnet. Der Gewinn (errechneter Preis (also Total-Umsatz) minus Gesamtkosten (Summe der Kosten aller Akteure)) wird dann gleichmässig verteilt unter den Akteuren der Wertschöpfungskette: jeder Akteur bekommt den Prozentsatz des Gewinns, den er an den Gesamtkosten zu tragen hatte.

Begriffe

Netto Total Gewinn = Total Umsatz – Total Kosten
Netto-Gewinnmarge = Netto Gewinn (je Akteur) / Umsatz (je Akteur)
Kosten Total = Summe der Kosten aller Akteure
Kosten je Akteur = Betriebs- und Produktionskosten + Zinsen + Steuern + Amortisation + (…)
 

Das Resultat ist eine einheitliche Netto-Gewinnmarge entlang der Wertschöpfungskette; das Resultat des Gewinns pro Akteur geteilt durch den jeweiligen Umsatz ist für alle gleich. Je mehr jemand also zum fertigen Produkt beiträgt, desto mehr verdient derjenige auch daran. Wenn ein Akteur mit seinem Gewinn nicht einverstanden ist, muss der Preis der Ware gemeinsam neu verhandelt werden.

Mehr als fair 

Das «Equal Profit»-Modell geht über den fairen Handel hinaus. Studien haben immer wieder gezeigt, dass Fair Trade für eine ausreichende Entlöhnung der Produzenten nicht garantieren kann. Inès Burrus möchte das Projekt mit der equadorianischen Schokolade gerne ausweiten und auch die dortigen Zuckerproduzenten einbinden. Im Moment läuft die Entwicklung einer Software zur Einführung von «Equal Profit» in Wertschöpfungsketten. Ausserdem sucht Burrus derzeit Schweizer Akteure (Produzenten, Verkäufer und Verarbeiter), die einen Versuch mit dem «Equal profit»-Modell für biologische Produkte wagen würden. Das Label ist bereits registriert und die Doktorandin sieht im Moment keine gesetzlichen oder politischen Barrieren, die eine Einführung in der Schweiz verunmöglichen würden.

Kontakt: join(at)equalprofit.org

Weitere Informationen: www.equalprofit.org