Ja, ich liebe Milch und ich trinke jede Woche sicher mehr als drei Liter davon. Wenn ich noch den Käse dazurechne, brauche ich schon fast selber eine Kuh. Ich liebe Milch, weil ich weiss, dass sie in der Schweiz so produziert wird, wie ich es mir wünsche – aber wie lange noch? Ich behaupte jetzt einmal, dass in 10 Jahren die Grenze für Konsummilch geöffnet ist und so tausende Liter Frischmilch in die Schweiz importiert werden. Ich behaupte jetzt einmal, dass in 20 Jahren auch die künstlich hergestellte Milch auf dem Weltmarkt ihren Platz gefunden hat. Der Konsument steht dann vor dem Regal und fragt sich: Soll ich lieber eine Packung natürliche oder doch lieber eine Packung Labormilch in meinen Einkaufswagen legen?
Den Melkstuhl an den Nagel hängen
Warum ist meine Prognose so düster? Kürzlich hat mir eine Landwirtschaftslehrerin gesagt, dass 18 von ihren 20 Schülerinnen und Schülern in Zukunft nicht melken wollen. Schuld sei nicht nur der Milchpreis, sondern ihnen sei die Freizeit und die Flexibilität viel wichtiger, als 365 Tage im Jahr morgens und abends im Stall zu stehen. Das heisst also, die nächste oder übernächste Generation hängt den Melkstuhl endgültig an den Nagel, es werden höchstens noch die Viehzüchter und die, welche gerne Kühe haben, an der Milchproduktion festhalten.
Nun befürchtet auch die Branche dieses Szenario – wurde auch Zeit, dass sie das auch merken – und machte letzte Woche im Fernsehen darauf aufmerksam, dass in Zukunft wohl die Milchbauern in der Schweiz langsam aussterben würden. Hält die Preisdrückerei vonseiten der Milchverarbeiter und vonseiten der Detailhändler weiterhin an und werden die Vorschriften und Auflagen vom Bund weiterhin verschärft, gibt es ein regelrechtes Massensterben – dann mal prost.
Der Melkroboter hält Einzug
Ich betrachte mich jetzt mal als einen «normalen» Konsumenten. Gut, ich bin sicher mindestens jede Woche noch irgendwo in einem Kuhstall anzutreffen und ich weiss deshalb sehr gut, wie hervorragend unsere Bauern zu ihren Tieren schauen. Weiss es aber die nächste Generation auch noch oder die, die schon lange keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft haben? Die Milchbauern sind unter Druck, sie müssen wachsen, sie müssen grösser werden, damit sie noch überleben können. Mit dem Grösserwerden hält aber auch die Automatisierung auf ihren Betrieben Einzug. Jeder, der einen neuen Stall bauen will, liebäugelt doch, seine Kühe mit einem Melkroboter zu melken. Und hier beginnt für mich das Kartenhaus langsam in sich einzubrechen. Heute sind 100 Kühe keine Seltenheit mehr, aber 100 Kühe während der Vegetation den ganzen Tag oder die ganze Nacht auf die Weide zu lassen, fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Eine Geschäftsidee aus der Niederlande
Ich frage mich, ob wir in der Schweiz mit der Zunahme von den Melkrobotern die Wünsche der Konsumenten noch erfüllen können. Was passiert, wenn im Frühling oder im Herbst die Kuhweiden leer bleiben, was passiert, wenn im Sommer die Kühe den ganzen Tag im Stall sein müssen. Wird der Konsument, der nichts von der Landwirtschaft versteht, das verstehen können? Nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland will der Konsument sehen, dass sich die Kühe draussen auf der Weide satt fressen können. Der Konsument will sehen, dass er, wenn er Milch trinkt, das Gefühl hat, diese Kühe haben es schön, diese Kühe dürfen noch raus. Die Niederländer haben es auch bemerkt und sind auf diesen Zug aufgesprungen und wollen ihre Kühe vermehrt auf die Weide lassen. Wir können uns also nicht mehr rühmen, dass wir die Einzigen sind, welche ihre Kühe von Frühling bis Herbst draussen haben.
Die Niederländer wollen nun daraus eine Geschäftsidee kreieren: Sie verkaufen diese Milch von weidenden Kühen im Hochpreissegment. Die Nachfrage sei da, der Konsument bereit, mehr dafür zu bezahlen. Während die niederländischen Milchbauern zu Recht für solche Milch einen grossen Mehrwert haben, können wir unsere gleich produzierte Milch im Billigsegment in einer M-Budget-Milchpackung bei der Migros kaufen.
Für Milch von Kühen, die den ganzen Tag auf der Weide sein dürfen, würde ich gerne das Dreifache bezahlen, aber nur das Dreifache, wenn es auch der Milchproduzent und nicht der Detailhändler bekommt. Und wenn die Milch noch von behornten Kühen stammen würde, wäre ich gerne bereit, vier oder mehr Franken zu bezahlen. Die Schweiz muss sich bewegen, das Ausland schläft nicht, sonst sehe ich schwarz für die Schweizer Milchproduktion. Schwarz, weil ich in 20 Jahren keine ausländische Milch zum Frühstück haben will.
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