Sie tragen seltsame Namen wie Igel-Stachelbart, Schwarzer Perlenseitling oder Buchenschüppling und gelten als begehrte Delikatessen. In der Natur sind diese Speisepilze selten anzutreffen. Dass es möglich ist, sie in geeigneter Umgebung zu züchten, zeigt das Start-up Pilzchef GmbH im zürcherischen Effretikon. 

Auch bei Spitzenköchen beliebt

«Als Kind ging ich mit meiner ­Familie Pilze sammeln, später begann ich meine ersten Anbauversuche», erzählt der Firmengründer Lorenzo Falcone. Als er sich vor drei Jahren mit der eigenen Pilzzucht selbstständig machte, wagte er sich an Edelpilze, für die es mehr Erfahrung braucht als etwa für Champignons, die weit verbreitet produziert werden. «Auch der Markt ist ein anderer», so der Geschäftsführer. «Wir beliefern hauptsächlich die Gastronomie.» Darunter seien etwa vegetarische Restaurants und solche, die Wert auf Nachhaltigkeit setzen würden. Aber auch unter Spitzenköchen seien die Pilze gefragt.

Derzeit stehen neun Pilzsorten im Angebot. Besonders gefragt ist laut Lorenzo Falcone der Igel-Stachelbart, auch Löwenmähne genannt. Dies hauptsächlich, weil seine Konsistenz in gekochtem Zustand sehr fleischig ist. Manche der Pilze sind auch farblich auffällig: Der Sakura-Austernseitling etwa weist einen markanten Rosaton auf und erinnert auch geschmacklich an Hummer oder Speck. Der Chestnut Mushroom, auch Buchenschüppling genannt, ist besonders stark im Geschmack und bleibt auch nach dem Kochen in Form. Einige der in Effretikon gezüchteten Pilzsorten kommen zwar auch in europäischen Wäldern vor, sind jedoch vor allem in Asien bekannt, wo sie in der Küche und sogar in der Medizin verwendet werden.

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Myzel aus den USA bestellt

«Was der Konsument als Pilz bezeichnet, ist genau genommen nur der Fruchtkörper», stellt Falcone klar. Der Pilz als Ganzes bestehe dagegen aus dem unterirdischen Zellgeflecht, dem Myzel. «Für die Zucht ist es grundlegend, qualitativ gutes Myzel zur Verfügung zu haben.» Der gelernte Forstwart recherchierte dazu im Internet und bestellte passendes Myzel in den USA. Er führte verschiedene Versuche durch und fand für jede seiner Pilzsorten geeignetes genetisches Material, auf das er jederzeit zurückgreifen kann. 

Der Produktionszyklus beginnt im Labor: «Als Erstes setzen wir ein Stückchen Fruchtkörper in eine Petrischale mit Nährlösung», erklärt Falcone. Gemäss dem Fachmann erfolgt dies unter strengen Hygienevorschriften, um zu verhindern, dass die Kulturen mit Keimen kontaminiert werden. Wenn die Flüssigkeit in der Schale nach einigen Tagen mit Myzel durchwachsen ist, wird sie mit einer sterilen Injektionsspritze aufgezogen. Damit impft nun Produktionsleiter Luc Huguenin-Elie, der für das Labor zuständig ist, die vorbereiteten Mischungen aus Weizen- oder Roggenkörnern und Wasser.

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Eine effiziente Lüftung ist notwendig

Nach ein paar weiteren Tagen ist das gestärkte Pilzmaterial bereit, um auf einer Mischung aus Holzsubstrat und Sojaschalen in einem Plastiksack weiterzuwachsen. «Damit simulieren wir den Baum», sagt Falcone. Dazu komme vor allem einheimisches Holz zur Verwendung. «Das ist uns wichtig, da wir ein nachhaltiges Produkt wollen, das aus der Region stammt.» 

Die Substratmischung werde auf die jeweilige Pilzsorte angepasst, so Lorenzo Falcone. Wichtig sei zudem, dass die Mischung möglichst homogen sei. Dazu steht ein Mischer zur Verfügung, den der Zürcher eigens konstruiert hat. Sind die Substratsäcke nach ein paar Tagen durchwachsen, werden sie aufgeschnitten und in den sogenannten Fruchtungsraum gestellt. Hier herrscht ein höherer Sauerstoffgehalt, eine Luftfeuchtigkeit von über 90 Prozent und kühlere Temperaturen. Dies ist notwendig, damit der Pilz seine Fruchtkörper bilden kann. 

In diesem Entwicklungsstadium beginnt der Pilz zudem, gros­se Mengen an Sporen zu produzieren. Da jedoch eine hohe Sporenkonzentration in der Luft ungesund ist, braucht es ein effizientes Lüftungssystem. Ebenso müssen alle Räume regelmäs­sig sauber gehalten werden. «Unsere Arbeit besteht zu 60 Prozent aus Reinigung», stellt Falcone fest.

Bestellungen auch aus dem Engadin

Abo Mozzarella-Herstellung ist hier Handarbeit: Roberto De Matteis entnimmt dem Bottich den Käsebruch, um ihn anschliessend zu rühren, zu kneten und auseinander zu ziehen. Italianità Roberto De Matteis setzt auf Mozzarella aus Schweizer Milch Tuesday, 14. December 2021 Der Zyklus vom Einsetzen in die Petrischale bis zur Reife dauert je nach Sorte zwischen sechs und acht Wochen. Pro Woche werden rund 160 Säcke «ausgebrütet» und 100 Kilogramm Pilze geerntet. Dazu braucht es rund 650 Kilogramm Substrat. 

Abnehmer der Edelpilze sind hauptsächlich Restaurants im Grossraum Zürich. «Diese beliefern wir selbst», so Lorenzo Falcone. Es sei wichtig, mit den Kunden in persönlichem Kontakt zu stehen und sich zu Erfahrungen und Wünschen auszutauschen. Kunden aus weiter entfernten Destinationen wie Zermatt oder dem Engadin werden via Grosshändler beliefert. Falcone betont: «Die Pilze müssen frisch zur Kundschaft kommen.»

Privatkunden können die Pilze entweder auf Bestellung beim Bachsermärt bestellen oder direkt bei der Firma: www.pilzchef.ch