Der Branchenstandard nachhaltige Milch, besser bekannt als Grüner Teppich, dürfte im Kanton Nidwalden in den nächsten drei Jahren zu einem markanten Strukturwandel bei den Milchbetrieben führen. Davon geht Roland Businger aus Oberdorf aus. Der Vizepräsident des Nidwaldner Bauernverbandes ist gleichzeitig Obmann der noch rund 250 Nidwaldner Milchproduzenten. Diese haben letzte Woche einen mit rund 75 Teilnehmende gutbesuchten Informationsabend organisiert, an dem Pirmin Furrer, Geschäftsführer Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), über die Anforderungen und Aussichten des Produktionsstandard «Swissmilk Green» orientierte.

RAUS als Knackpunkt

In Nidwalden haben sich erst rund 150 Bauern dafür angemeldet (siehe Tabelle). Dass es noch viel mehr werden, glaubt Businger nicht, denn die jetzigen Betriebsstrukturen würden dies auf vielen Betrieben behindern. Am meisten zu schaffen mache die Pflichtauflage für regelmässigen Auslauf ins Freie (RAUS). In Nidwalden gebe es noch sehr viele Anbindeställe, teils ohne geeignete Laufhöfe. 13 Mal monatlich die Tiere ins Freie zu lassen, sei auf vielen Betrieben, wo die Bauern eben häufig im Nebenerwerb seien, schwierig umzusetzen. Und auch die sommerliche Alpung sei weniger ausgeprägt als in anderen Kantonen.

Businger selber führt einen 10-ha-Betrieb in der Bergzone 1 mit rund 120 000 kg Milchproduktion. Die Alpzeit sei mit über 150 Tagen sehr lange, so sei es auch einfacher, die RAUS-Bedingungen zu erfüllen. Im Winter steht ihm dafür ein Laufhof auf Sand neben dem Anbindestall zur Verfügung.

Geringe Entschädigung

Roland Businger bemängelt auch die relativ geringe Entschädigung des Aufwandes für «Swissmilk Green». Der Preiszuschlag von drei Rappen gelte nur für A-Milch. Für die ZMP-Lieferanten mache dies rund 60 Prozent aus. Der übers Jahr gelöste Mehrpreis entspreche bei einem durchschnittlichen Nidwaldner Lieferrecht von 100 000 kg Milch lediglich etwas über 2000 Franken. «Es lohnt sich nicht, deswegen bei RAUS mitzumachen oder einen Laufhof zu bauen.» Im übrigen sei laut Aussage von Pirmin Furrer absehbar, dass die «Swissmilk Green»-Bedingungen künftig weiter verschärft würden, so im Bereich Kraftfuttereinsatz. Das halte weitere Bauern ab, einzusteigen, sagt Businger. Zwar sei bei jüngeren Bauern eher feststellbar, dass sie offen für Neuerungen sind, bei Bedarf auch neu zu bauen oder zumindest in einen Laufhof zu investieren, wenn sie weiterhin Milch liefern möchten. Dass ältere Bauern mit Auslaufbetrieben noch investieren, glaubt Businger aber nicht.

 

Swissmilk green

Der Nachhaltigkeitsstandard der BO Milch wurde im September 2019 eingeführt. Ziel ist, dass nach vier Jahren nur noch nachhaltige Schweizer Milch produziert wird.

Nach dieser Übergangszeit muss Milch, welche diesen Standard nicht erfüllt, getrennt gesammelt werden. Zu erfüllen sind zehn Grundanforderungen, wie RAUS oder BTS, strenge Regeln an Viehschauen, Mindesthaltedauer von Kälbern auf dem Geburtsbetrieb, in der Fütterung nur nachhaltige Soja und Verzicht auf Palmöl. Zudem gelten Zusatzanforderungen aus einer Auswahl. 

Weitere Informationen: www.swissmilk.ch

 

Mitmachen oder aufgeben

Spätestens Ende 2023 werde Nidwaldner Industriemilch, welche die Anforderungen von «Swissmilk Green» nicht erfülle, aber nicht mehr abgeholt, habe Pirmin Furrer deutlich gemacht. In Nidwalden lohne es sich für die ZMP nicht, Milch welche diesen Standard nicht erfülle, ab dann getrennt zu sammeln, sei begründet worden. Viele würden deshalb bis dahin die Milchproduktion aufgeben, so die Einschätzung von Businger.

Zwar bemühe sich derzeit eine Arbeitsgruppe um Ausnahme-regelungen für Sömmerungsbetriebe, die beim Nachhaltigkeitsstandard Milch mitmachen wollen. Vielerorts werde diese Ausnahmeregelung, sofern der Vorstand der Branchenorganisation Milch (BOM) dieser denn zustimmt, in der Zentralschweiz nochmals zu einem Schub bei der Beteiligung für «Swissmilk Green» führen, ist Pirmin Furrer überzeugt.

«Die Beteiligung im ZMP-Gebiet ist hoch.»

Pirmin Furrer, Geschäftsführer ZMP

85 Prozent Milchmenge

Schon jetzt ist Furrer grundsätzlich zufrieden mit der Beteiligung der Zentralschweiz. «Seit September haben sich noch viele Bauern angemeldet, selbst in Nidwalden.» Spitzenreiter sind die Aargauer ZMP-Lieferanten. Im gesamten ZMP-Gebiet sind inzwischen 76 Prozent aller Direktlieferanten von Molkereimilch mit dabei, das entspreche 85 Prozent der ZMP-Milchmenge, erklärt Furrer. Auch der Markt sei offensichtlich bereit, die Bemühungen der Produzenten für mehr Nachhaltigkeit mit einem Mehrpreis zu honorieren. Die Preisdifferenz zum Ausland konnte erhöht werden. Das sei somit nicht nur auf die Marktlage mit eher knapperem Angebot zurückzuführen, sondern auch auf die Akzeptanz der Grossverteiler und Konsumenten.

«RAUS und Nebenerwerb passen nicht.»

Roland Businger, Obmann Nidwaldner Milchproduzenten

Glücklichere Kühe

Glückliche Schweizer Kühe seien ein Mehrwert, der sich verkaufen lasse, betonte Furrer. Er wies aber darauf hin, dass es auch beim Tierwohl Spannungsfelder und Risikoaspekte gebe. So werden noch immer die Hälfte aller Kühe im Anbindestall gehalten, und 20 Prozent haben nach wie vor keinen Weidezugang. Auch der Antibiotika- und Kraftfuttereinsatz, die Produktionsintensität oder «Sonderbehandlungen» bei Viehschauen seien Reizworte. Dort soll mit «Swissmilk Green» angesetzt werden.

Anteil Swissmilk green im ZMP-Gebiet

                     

Anmeldungen

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ZH

Total

September 2019

85%

62%

70%

46%

61%

51%

56%

61%

84%

66%

Oktober 2019

87%

67%

74%

49%

65%

56%

61%

65%

84%

70%

November 2019

92%

67%

75%

50%

68%

59%

62%

69%

84%

71%

Dezember 2019

92%

70%

76%

52%

73%

62%

64%

72%

84%

73%

Januar 2020

92%

70%

79%

59%

75%

64%

66%

73%

84%

76%

Quelle: ZMP