Abo Mit einem Hofladen bleibt die Wertschöpfung auf dem Betrieb, der Zwischenhandel aussen vor. Doch der Aufwand sei hoch und das Potenzial begrenzt. Motion im Erstrat angenommen Mehr finanzielle Anreize für Direktvermarktung: Bei Fachleuten umstritten Monday, 1. April 2024 Ernst Lüthi, Obstproduzent aus Ramlinsburg BL, leitet das Fachzentrum Direktvermarktung des Schweizer Obstverbands. Er ist Jurypräsident des Hofladen-Wettbewerbs. Zu seinem Betrieb gehört ein grosser Hofladen – das Öpfelhüsli im benachbarten Hölstein.

Was sind die Vorteile von Hofläden?

Ernst Lüthi: Hofläden sind die beste Imagewerbung für die Landwirtschaft und haben den direkten Kontakt zu den Konsumenten. Sie sind regional und zeigen, was Saisonalität wirklich ist. Also keine Erdbeeren im März. Auch betriebswirtschaftlich kann es sich lohnen, denn viele, vor allem Obstbaubetriebe, wissen den definitiven Preis für im Herbst gelieferte Produkte erst bei der Auslagerung im Frühling und erhalten dann erst die Schlusszahlung. Hofläden sorgen also während des Jahres für Liquidität.

Warum stehen Sie der Motion Schneider kritisch gegenüber?

Diese Motion ist sehr, sehr blauäugig. Ich staune nicht nur über die Zustimmung im Nationalrat mit 150 Ja-Stimmen gegenüber 35 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen, sondern, dass so viele namhafte bäuerliche Parlamentarier die Motion unterschrieben haben. Wenn man mit finanziellen Anreizen die Direktvermarktung fördern will, muss dafür andernorts gekürzt werden, beispielsweise bei den Direktzahlungen. War das den Bauernvertretern nicht bewusst?

«Es hat nicht jeder Betrieb eine gute Lage und ein passendes Sortiment.»

Direktvermarktung ist also eine Nische …

… und bleibt eine Nische. Damit wird eine kleine Gruppe von Betrieben gefördert. Es hat nämlich nicht jeder Betrieb eine gute Verkaufslage und nicht jeder ein entsprechendes Sortiment. Es ist auch nicht jeder Betriebsleiter ein guter Verkäufer. Es ist immer kritisch, wenn sich der Bund ins Geschäft bzw. den Markt einmischt. Die Konsequenzen übernehmen nicht der Bund oder die Politiker, sondern sie lasten allein auf der Bauernfamilie.

Die Motion bezweckt auch den Abbau von Administration im Lebensmittelrecht. Was halten Sie davon?

Damit schafft man eine Zweiklassengesellschaft. Ein Konsument will einwandfreie Lebensmittel, die den gesetzlichen Anforderungen genügen. Das ist Lebensmittelsicherheit – ob im Hofladen oder im Grossverteiler gekauft. Auch gegenüber einem Gewerbebetrieb, einem Dorfmetzger, einem Bäcker geht so eine Zweiteilung nicht. Man kann nicht immer eine Sonderklausel für die Landwirtschaft rausholen. So verliert man den Goodwill der Bevölkerung gegenüber der Landwirtschaft. Ob die Normen oder Deklarationsvorgaben gut oder übertrieben sind, ist eine andere Frage. Aber das muss die Branche zusammen mit dem Bund regeln.

Sehen Sie andere Möglichkeiten, Hofläden zu fördern?

Schön wäre es, wenn auch gemeinschaftliche Verkaufsräumlichkeiten gefördert würden. Im Südtirol gibt es eine ganze Menge davon. Bauern schliessen sich zusammen und vermarkten ihre Produkte an einem zentralen Standort. Hierzulande ist das von der Raumplanung schwer möglich. Dazu kommt die Auflage, dass 50 % aus der eigenen Urproduktion stammen muss. Hierbei müssten die Vorschriften geändert werden. Aber auch bei gemeinschaftlichen Verkaufslokalen muss die Finanzierung bei den Betrieben liegen. Hinter dem Plan, in die Direktvermarktung einzusteigen, muss eine Rentabilitätsrechnung stehen. Wenn die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, kann man es nicht machen.

Wird man zum Opfer seines Erfolgs, wenn man mit dem Hofladen die Umsatzgrenze von Fr. 100 000.– überschreitet und mehrwertsteuerpflichtig wird?

Man kann über die Mehrwertsteuer fluchen, die zugegeben sehr kompliziert ist. Aber es gilt das Prinzip gleich langer Spiesse für alle. Viele Gewerbebetriebe laufen hart an der Rentabilitätsgrenze und zeigen immer weniger Toleranz gegenüber Hofläden. Das sollte man nicht befeuern. Auch lohnt es sich, die Mehrwertsteuer abzurechnen, wenn man investiert. So kann man die Vorsteuer zurückfordern.

Wie hoch schätzen Sie das Potenzial für zusätzliche Hofläden?

Hart formuliert: Es gibt in der Schweiz kein Potenzial für zusätzliche Hofläden. Nach dem Corona-Boom haben es viele Hofläden schwer. Die Umsätze und der Arbeitsverdienst sind teilweise markant gesunken. Der Preis und das Einkaufen im nahen Ausland spielen wieder eine grosse Rolle.

Trägt der Hofladen-Wettbewerb dazu bei, die Professionalität in der Direktvermarktung zu steigern?

Es gibt einen Benchmark für den schönsten Hofladen für Erscheinungsbild, Sortiment, Qualität, Marketing etc. Mit allem Drum und Dran, was einen erfolgreichen Laden ausmacht. Jeder kann sich vergleichen und nachbessern. Unser Grundauftrag beim Fachzentrum Direktvermarktung ist, die Professionalität in der Direktvermarktung zu fördern. Wir sind nicht da, um zu propagieren: «Machen Sie einen Hofladen», sondern alle, die da sind, sollen erfolgreich sein.

Sie besuchen im Juli eine Anzahl Hofläden, die in die Endausscheidung kommen. Worauf achten Sie neben dem Erscheinungsbild?

Mindestens 60 % des Gesamtsortiments müssen eigene und selbstverarbeitete Produkte sein. In der Landwirtschaftszone Coca-Cola, Ananas oder Ketchup zu verkaufen, kommt bei unserer Jury schlecht an. Hygienevorschriften müssen eingehalten werden. Ordnung und ein schöner, sauberer Zugang zum Hofladen sind wichtig. Das Bauernpaar soll auch den Austausch mit den Konsumenten pflegen – das funktioniert auch bei Selbstbedienung beispielsweise beim Auffüllen der Regale. Wichtig sind zudem die Preisbildung und die Wirtschaftlichkeit. Dabei sind die Richtpreise für Direktvermarktung vom Schweizer Obstverband ausschlaggebend. Wer Erstklassäpfel für Fr. 2.–/kg verkauft, verdient selbst nichts und stört anderen den Markt.

Mehr Informationen über den Wettbewerb um den schönsten Hofladen finden Sie hier