Die Aussicht ist verlockend: hofeigene Produkte unabhängig von grossen Abnehmern vermarkten und so auf dem Weg zum Konsumenten keine Wertschöpfung verlieren. Gerade angesichts der Margen- und Preisdiskussionen, die derzeit immer wieder aufflammen, ist das Szenario sehr attraktiv. Doch die Direktvermarktung ist eine Nische, die bisher nach Schätzungen des Bundes 5 bis 10 % des Gesamtertrags der Schweizer Landwirtschaft beisteuert. Dies, obwohl gut ein Viertel der Betriebe ihre Produkte (auch) direkt verkaufen. Bei 60 Prozent von ihnen belaufe sich der Umsatzanteil aus der Direktvermarktung allerdings auf maximal 10 Prozent.
Für mehr Wertschöpfung
Trotzdem sieht der Bundesrat laut seinem Bericht zur künftigen Agrarpolitik die Direktvermarktung als einen der Pfeiler, der mehr Wertschöpfung pro Arbeitskraft auf die Betriebe bringen soll, und will sie besser fördern.
Die ehemalige Zürcher Grünen-Nationalrätin Meret Schneider hat vor zwei Jahren mit einer Motion den Ball aufgenommen und zusammen mit namhaften bäuerlichen Parlamentarier(innen) eine Stärkung der Direktvermarktung verlangt (siehe Kasten). Der Bundesrat lehnt den Vorstoss ab – seine verstärkte Förderung solle per 2026 in einer Vernehmlassung konkretisiert werden. Die nötigen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Grundlagen seien bereits vorhanden. Doch der Nationalrat hat die Motion kürzlich mit grosser Mehrheit angenommen. Sind mehr Hofläden ein Weg, um Schweizer Landwirt(innen) in Zukunft auf breiterer Front unabhängiger zu machen und ihre Wertschöpfung zu verbessern?
[IMG 2]«Das Potenzial für neue Hofläden schätze ich leider als nicht so gross ein», sagt Joël Bader. Er präsidiert den Verein Suissemelio, die Schweizerische Vereinigung für ländliche Entwicklung, der sich u. a. um die Gewährung von Finanzhilfen im Rahmen der Strukturverbesserungen kümmert. Bei Suissemelio sind alle kantonalen Dienststellen Mitglied, die für die Strukturverbesserungen zuständig sind. Letztere umfassen auch Beiträge und Investitionskredite für den Bau, Umbau oder Kauf neuer Hofläden.
Wie viele solche Gesuche derzeit schweizweit hängig sind, ist Bader nicht bekannt, «aber ich fürchte, dass es nicht viele sind». Wirtschaftlich sei die Direktvermarktung nicht einfach, fährt er fort. «Schlussendlich ist der Umsatz in einem Hofladen nie sehr gross, in jedem Fall nur selten ausreichend, um damit Löhne zu bezahlen.» Somit basiere das Geschäftsmodell oft auf freiwilliger Mithilfe, sei es durch einen Betriebsleiter, der kostenlos die Ware vorbeibringt, oder eine Grossmutter, die den Laden betreut. Auch wenn er selbst als Konsument lokale Produkte und Hofläden sehr schätze, «wenn sie grösser werden, die Familienarbeitskräfte nicht mehr ausreichen, man Mitarbeiter anstellen und bezahlen sollte, klappt es meist nicht mehr», ist sich Joël Bader bewusst.
«Das Geschäftsmodell beruht oft auf freiwilliger Mithilfe.»
Joël Bader, Suissemelio, weist auf die tendenziell tiefen Umsätze in Hofläden hin.
Die Motion Schneider
Die Motion «Stärkung der Direktvermarktung» hat Meret Schneider (Grüne, ZH) 2022 eingereicht, ihre Parteikollegin Irène Kälin hat den Vorstoss übernommen. Er beauftragt den Bundesrat damit, Massnahmen zu ergreifen, um den Einstieg in die Direktvermarktung für Bauern zu vereinfachen. «Denkbar wären finanzielle Anreize, die Erschliessung von Absatzkanälen wie öffentliche Verpflegungseinrichtungen oder der Abbau von Hürden in Bezug auf lebensmittelrechtliche Anforderungen bei der Nährwertangabe, die ein unverhältnismässiges Mass an Bürokratie mit sich bringen», so die Motion, die unter anderem von Markus Ritter, Kilian Baumann, Christine Badertscher und Priska Wiesmer-Felder mitunterzeichnet worden ist. Der Nationalrat hat den Vorstoss mit 150 zu 35 Stimmen bei sechs Enthaltungen angenommen, als Nächstes beschäftigt sich der Ständerat damit.
Auch für das Talgebiet
Eine betriebsübergreifende Organisation der Direktvermarktung kann Entlastung bringen und den Hofladen dank eines breiteren Sortiments für die Kundschaft attraktiver machen, spiele aber für die Erteilung von Investitionskrediten keine Rolle. «Diese Gelder werden nicht mit dem Faktor Chance zugesagt – der Begünstigte muss zeigen, dass das Projekt Sinn macht und den Betrieb vorwärtsbringt», erklärt Joël Bader. Er ist nicht der Meinung, dass es – wie die Motion Schneider verlangt – weitere finanzielle Förderung für Hofläden braucht. «Mit den aktuellen Ansätzen scheinen mir die Investitionshilfen auf dem Betrieb schon grosszügig», so Bader. Im Talgebiet belaufen sich die möglichen Kredite auf 50 Prozent der Investition in Einrichtungen für die Verarbeitung, Lagerung und Vermarktung von eigenen oder regionalen Produkten. In höheren Lagen kommen Bundes- und Kantonsbeiträge in der Höhe von je 28 Prozent (Bergzone I) bzw. 31 Prozent (Bergzone I–IV) dazu. Für gemeinschaftliche Massnahmen sind die Ansätze dieser Beiträge zwei Prozent höher. «Im Moment läuft die Vernehmlassung zu dem Vorschlag, die Kantons- und Bundesbeiträge für die Direktvermarktung in der Bergzone leicht zu senken und im Gegenzug auch welche im Talgebiet einzuführen», ergänzt Bader.
«Obwohl immer mehr Betriebe Direktvermarktung betreiben, ist sie bei wenigen ein zentrales Standbein», bestätigt der Schweizer Bauernverband (SBV) die Statistiken des Bundes. Das Ganze sei sehr arbeitsintensiv und wer hauptsächlich davon leben wolle, müsse den Betrieb voll auf die Direktvermarktung ausrichten und «hochprofessionell ans Werk gehen».
Instrumentarium optimieren
Der Bundesrat betont den Vorteil der Nähe zwischen Konsumenten und Produzenten, die gegenseitiges Vertrauen und Verständnis fördere. Er will laut seinem Bericht die Förderung und Unterstützung im Bereich der Direktvermarktung weiterentwickeln, statt die Beiträge aufzustocken: «Von zunehmender Bedeutung sind dabei neben dem eigentlichen Direktverkauf auch die Organisation von Lieferketten an die Ausserhausverpflegung, wie zum Beispiel öffentliche Verpflegungsbetriebe, Vertriebsplattformen und Netzwerke, oder Logistiklösungen.» In diesen Bereichen soll das Instrumentarium optimiert werden. Gleichzeitig will der Bundesrat die Nutzung bestehender Förderungen verbessern, wozu die erwähnten Kredite und Beiträge gehören.
Konkretes folgt 2026
In diesem Sinn rennt die Motion Schneider offene Türen ein. Sie nennt aber auch den Abbau bürokratischer Hürden als möglichen Ansatzpunkt, namentlich die lebensmittelrechtlichen Anforderungen bei der Nährwertangabe. Diese ist allerdings für handwerklich hergestellte Produkte bei direkter Abgabe an den Konsumenten (ohne Zwischenhändler) keine Pflicht.
Der Ständerat wird darüber entscheiden, ob er dem – vom Bundesrat geteilten – Anliegen einer besseren Förderung der Direktvermarktung via Motion Nachdruck verleihen will. Konkreteres zu den Plänen des Bundesrats wird spätestens die Vernehmlassung in zwei Jahren aufzeigen, wenn seine Massnahmen zur Stärkung von Direktvermarktung und kurzen Versorgungsketten zur Diskussion gestellt werden.
Bestehende Fördermöglichkeiten für Hofläden
Wie im Bericht des Bundes zur künftigen Agrarpolitik erläutert wird, fördert der Bund die Direkt- und regionale Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten folgendermassen:
Strukturverbesserung: Zinsfreie Investitionskredite und Beiträge für Einrichtungen zur Verarbeitung, Lagerung und Vermarktung.
PRE: Im Rahmen der Projekte zur regionalen Entwicklung (PRE) für bessere Wertschöpfung und regionale Zusammenarbeit kann ein Hofladen ein Unterprojekt sein.
QuNaV: Unterstützung via die Verordnung über die Förderung von Qualität und Nachhaltigkeit in der Land- und Ernährungswirtschaft (QuNaV-Projekte) oder Beratungsprojekte. Hier müsse es sich um innovative Ansätze handeln.
Weiter unterstütze der Bund über die Qualitäts- und Absatzförderung insbesondere das nationale Online-Direktvermarktungsportal vomhof.ch und die Kommunikation für Regionalprodukte.
Zur Förderung eines Hofladens im Rahmen eines PRE müssen ähnliche Kriterien erfüllt werden wie für Gelder via Strukturverbesserungsbeiträge. Für Letztere gilt unter anderem:
SAK: Mindestens 1 Standardarbeitskraft auf dem Betrieb.
Ausbildung: Landwirt EFZ odergleichwertig.
Finanzen: Tragbare Belastung (Stichwort Verschuldung).
Produkte: Hauptumsatz des Verkaufs durch eigene oder regionale landwirtschaftliche Produkte.


