Anstehende Investitionen in der Käserei und die strukturellen Veränderungen am Markt bringen die Emmentaler Schaukäserei zum Entscheid, die Produktion des Grosslochkäses einzustellen. Die betroffenen Milchlieferanten wurden am Montag dieser Woche darüber informiert, die Medien einen Tag später. Sowohl für die Milchproduzenten als auch für die Angestellten werden Lösungen gesucht, heisst es in einer Medienmitteilung.
Kritik an Kommunikation
«Nicht nur für die Region, sondern für das ganze Emmental und nicht zuletzt auch für den Emmentaler AOP-Käse ist die Einstellung der Produktion ein sehr grosser Verlust», ist Heinz Kämpfer aus Affoltern im Emmental überzeugt. Der Milchproduzent und ehemalige Präsident von Landwirtschaft Emmental ist enttäuscht von der ganzen Entwicklung: «Wenn die Milchlieferanten erst am Montagabend von der Schliessung der Produktion erfahren und am anderen Tag schon die Medien, sagt das schon alles von einem guten Verhältnis zwischen der Geschäftsleitung und den Bauern», hält er fest.
Ungewissheit für Lieferanten
Er habe für seine Milch schon vor einem Jahr eine andere Lösung gesucht und liefere seither in den Industriekanal. «Die Geschäftsführung war nie bereit, über eine faire Qualitätsbezahlung zu diskutieren», sagt Kämpfer. Daher habe er schlussendlich den Entschluss gefasst, den Vertrag aufzulösen.
Die Milchlieferanten wurden am Montagabend von der Meldung so überrascht, dass sie noch nicht wissen, wo ihre Milch in Zukunft hingehen wird. «In der neuen Ausrichtung der Emmentaler Schaukäserei ohne Produktion von Käse sehe ich kein Erfolgsrezept», hält Kämpfer abschliessend fest.
Überkapazität abbauen
Auch der Präsident des Bernischen Käservereins, Markus Leuenberger, hat am Mittwoch aus den Medien erfahren, dass künftig in der Schaukäserei kein Emmentaler mehr hergestellt wird. Erstaunt ist er jedoch nicht. «In einem Betrieb so zu käsen, dass die Besucher immer etwas zu sehen haben und dann noch wirtschaftlich zu sein, das ist fast nicht möglich», erklärt er.
Leuenberger selber betreibt im Bernischen Arni die Dorfkäserei und kennt die strukturellen Probleme der Branche. Nach wie vor gebe es in der Emmentalerproduktion Überkapazitäten. Gleichzeitig steigen immer mehr Milchproduzenten aus der teuren silofreien Milchproduktion aus. Gerade wenn die Käsereien dann in ihre Anlagen investieren müssten, sei es nachvollziehbar, wenn man der Produktion aus rechnerischen Gründen den Stecker ziehe.
So kann Leuenberger den Entscheid der Schaukäserei nachvollziehen. Es werde sich zeigen, ob die eindrücklichen Besucherzahlen auch ohne Produktion gehalten werden könnten. Grundsätzlich würden es jedoch viele Käsereibesucher schätzen, wenn sie anpacken könnten, weiss Leuenberger, der bei sich Besuchergruppen Frischkäse herstellen lässt.
«Die Besucher wollen heute mehr, als durch die Glasscheibe den Käsern zuschauen», ist auch der Verwaltungsratspräsident der Schaukäserei, Daniel Meyer, überzeugt. So sieht er grosse Chancen darin, dass die Besucher künftig die Käsereiräume betreten und «begreifen» dürfen. Angebote wie selber Käsen oder die Gastronomie schrieben im Gegensatz zur Käseherstellung schwarze Zahlen. Auf diese Stärken will sich die Schaukäsi künftig konzentrieren, während man die Fabrikation denjenigen überlässt, die dies wirtschaftlich betreiben können. Mit der Transformation stärke man nicht nur die Position als Ausflugsort, sondern auch als Erlebnisort für den Emmentaler AOP und damit für den Schweizer Käse, heisst es in der Medienmitteilung optimistisch.
In Zahlen
12 395 Tonnen Emmentaler AOP wurden im vergangenen Jahr hergestellt, das sind rund
8000 Tonnen weniger als vor zehn Jahren.
7943 Tonnen Emmentaler AOP wurden im vergangenen Jahr exportiert, also mehr als die Hälfte der Produktion.
13 994 Tonnen Emmentaler wurden noch vor zehn Jahren exportiert, damit haben sich die Exporte fast halbiert.
71,57 Rappen beträgt laut Monitoring der SMP der durchschnittliche Milchpreis der Lieferanten für Emmentaler AOP franko Käserei ohne Siloverzichtszulage.
83,81 Rappen gilt im Schweizer Durchschnitt Käsereimilch franko Käserei ohne Siloverzichtszulage.
Geld oder Leidenschaft
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Kommentar von Daniela Joder
Wenn sich einer mit den Gepflogenheiten des Emmentals ausgekannt hat, dann war es Jeremias Gotthelf. Im Zwiespalt, den er in «Geld und Geist» beschreibt, steckt derzeit das Aushängeschild des Emmentalers AOP, die Schaukäserei Affoltern. Das Schaufenster des einstigen Schweizer Vorzeigekäses, das nun mitteilen muss, dass sich die Fabrikation nicht mehr lohne. Ein Aushängeschild aber auch, das der Krise ins Auge blickt und zugibt: Wenn man nicht bereit ist, ein paar alte Zöpfe abzuschneiden, geht man mit der Krise unter. Gefragt sind zukunftsfähige Lösungen statt Nostalgie.
Erfunden wurde der Emmentaler zur billigen Milchkonservierung in Zeiten, als weder pasteurisiert noch homogenisiert werden konnte. Ein Produkt, geboren in der Not, sucht einen Platz in der modernen Konsumwelt. Von der staatlichen Planwirtschaft zum wirtschaftsliberalisierten Exportprodukt: Dafür mussten Milchproduzenten wie auch Käsereien kräftig Federn lassen. Und freie Wirtschaft kann halt auch einmal bedeuten, dass etwas einfach nicht mehr rentiert.
Aber kann das gehen? Ein Aushängeschild, das sich eingestehen muss, dass es sein eigenes Produkt nicht mehr wirtschaftlich herstellen kann? Würde man Gotthelf fragen, würde er wohl meinen, dass es auf einige Fragen drei Antworten gebe: Eine vom Kopf, eine vom Herz und eine vom Portemonnaie. d.joder@bauernzeitung.ch