«Was kommt da auf uns zu?», fragt ein Landwirt am Telefon. Er hat die bevorstehenden Veränderungen bei Migros-Tochter Micarna mitverfolgt. Der Abgang von Micarna-CEO Peter Hinder im Bereich der Migros Industrie beunruhigen ihn.

Will Migros billiger einkaufen?

«Es ist unser Ziel, besser als unsere Mitbewerber einzukaufen», erklärte Carmen Hefti, Mediensprecherin des Migros-Genossenschafts-Bunds (MGB) Ende Oktober in der BauernZeitung. «Was heisst das – noch billiger?», hinterfragt der Landwirt im Gespräch mit der BauernZeitung die damalige Aussage der Medienstelle. Seine Befürchtungen sind nachvollziehbar. Denn mit Einzug der Supermarkt AG soll die Migros «fit gemacht werden». Aber wie? Und welche Konsequenzen hat das für die Bauern, insbesondere für jene, die für Mehrwertprogramme wie IP-Suisse oder Bio produzieren?

Migros ist auf Erfolgskurs

Abo Die Migros-Industrie hat ein Beschaffungsvolumen von 4 Milliarden Franken. Wir wollten von der Migros wissen, wie wichtig ihr beim Einkauf die inländischen Bauern sind.   Detailhändlerin Migros Was legt ein Gigant in seinen Einkaufskorb? Friday, 27. October 2023 Wer die Medienmitteilung liest, die der MGB diese Woche verschickt hat, kann sich tatsächlich die Frage stellen: «Warum muss die Migros noch fitter werden?» Denn die Migros-Gruppe verzeichnet nach dem Rekordumsatz von 2022 auch im vergangenen Jahr ein starkes Wachstum (+5,9 %) und steigerte ihren Umsatz erneut. Ihre Position als Nummer eins im Schweizer Detailhandel baute die Migros-Gruppe ebenfalls aus – sowohl im stationären Handel als auch im Onlinegeschäft. Wie der Mitteilung zudem zu entnehmen ist, will die Migros mit ihren Supermärkten «mit Preissenkungen und dem Fokus auf Frische, Regionalität und starke Eigenmarken weiter Marktanteile gewinnen.»

Es soll also wieder vermehrt auf Eigenmarken wie zum Beispiel M-Classic gesetzt werden. Diese Produkte sind im Angebot günstiger als jene aus Mehrwertprogrammen. Die BauernZeitung wollte von der Migros wissen, was das für die Schweizer Landwirtschaft zu bedeuten hat und ob die Rohstoffe nun auch billiger beschafft werden müssten. «Der Anteil der Eigenmarken am Gesamtsortiment liegt seit Jahren stabil bei rund 80 Prozent», erklärt Marcel Schlatter, Leiter Medienstelle beim Migros-Genossenschafts-Bund. Ein Abbau bei den Label-Produkten sei nicht vorgesehen. Gerade mit IP-Suisse werde eine gute Zusammenarbeit gepflegt und auch Bio sei bekanntlich stets ausgebaut worden. Die Effizienzsteigerung betreffe vor allem die Migros selbst. «Die Produkte unserer Bäuerinnen und Bauern werden wir auch in Zukunft in bewährter Qualität und Menge benötigen», so Schlatter.

Und wie sieht es im Bereich der Gewinne aus?

In der Medienmitteilung wird nur vom Umsatz geschrieben, zu den Gewinnen äussert sich die Migros nicht. Klar ist, im Vergleich mit dem direkten Mitbewerber hat die Migros strukturell hohe Kosten. «Die Bilanz-Medienkonferenz des Migros-Genossenschafts-Bundes findet am Dienstag, 26. März 2024, in Zürich statt», schreibt die Medienstelle einzig, gefragt nach den Gewinnen.

Doch was beinhaltet denn dieses Fitnessprogramm genau, wenn die Bauern als Zulieferer keine Preissenkungen zu befürchten haben? «Mit der neuen Supermarkt AG wollen wir Leistungen bündeln und dazu die Verantwortung klar zuordnen, damit werden wir spürbar schlagkräftiger. Mit der stärkeren Steuerung auf nationaler Ebene können wir im Gegenzug bisherige, historisch gewachsene und eher schwerfällige Gremien abschaffen», erklärt der Leiter Kommunikation.

Wenig Inhalt und viele Zeilen

Sehr aussagekräftig scheint die Medienmitteilung des MGB also nicht. «Grundsätzlich positiv verläuft die Entwicklung im Schweizer Detailhandelsgeschäft, wo die Migros-Gruppe ihre Marktführerschaft weiter gefestigt hat. Insbesondere das stationäre Supermarktgeschäft (+3,6 %) und die Migros-Gastronomie (+10,2 %) legten kräftig zu», heisst es darin. Besonders beliebt seien 2023 die lokalen Produkte «Aus der Region. Für die Region.» sowie M-Budget-Artikel gewesen. «Es gelang uns, im Supermarktgeschäft, also im Herzstück der Migros, deutlich Marktanteile zu gewinnen», lässt sich Mario Irminger, Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschafts-Bundes, zitieren, mahnt jedoch mit Blick auf die Rahmenbedingungen: «Die Herausforderungen bleiben gross. Um unseren Kundinnen und Kunden weiterhin Topleistungen bieten zu können, müssen wir unsere Marktposition nachhaltig stärken und die Wirtschaftlichkeit zwingend steigern.» 

Die beiden Giganten im Detailhandel zeigen sich mit ihren Umsatzzahlen die geschwellte Brust. Wie Coop letzte Woche verkündet hat, ist im letzten Jahr der Gesamtumsatz um 1,4 Prozent auf 34,7 Milliarden Franken gestiegen. Äusserst aufmerksam dürften die beiden Grossen das Geschäft von Aldi und Lidl verfolgen. Die äusserst agil und in schlanken Strukturen agierenden «Deutschen» haben ähnliche Ziele – Marktanteile gewinnen.