Eigentlich interessieren sich viele Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten für Produkte aus tierfreundlicher Haltung.  Auf der anderen Seite stagniert der Absatz von Label- oder Biofleisch seit einigen Jahren. Ist der Preis für viele Kunden zu hoch? Am Mittwoch wurde eine Agroscope-Studie im Auftrag des Schweizer Tierschutzes (STS) veröffentlicht (wir berichteten ausführlich). Darin wurden unter Einbezug realer Konsumdaten berechnet, wie Konsumenten auf Preisänderungen reagieren.

Grösstes Potenzial bei Bio

Je nach Produktionsverfahren (konventionell, Label, Bio) und Produktkategorie (Rind, Schwein, Geflügel) reagieren Konsumenten unterschiedlich auf tiefere Preise. Bei Bioprodukten sei das Absatzpotenzial am grössten, schreibt Agroscope. Wenn der Verkaufspreis um zehn Prozent sinke, ergebe sich bei Rindfleisch eine Absatzsteigerung von bis zu 27 %, bei Schweinefleisch reiche sie sogar bis zu 32 %. Geflügelfleisch erfährt kaum mehr Absatz. Wechselkäufer(innen), die von konventioneller Ware zu Labelfleisch wechseln, gibt es bei Rind- und Geflügelfleisch nur beschränkt. Anders beim Schweinefleisch: Die Verteuerung der konventionellen Ware gegenüber Label-Produkten um zehn Prozent könnte hier zu einer Absatzsteigerung von bis zu 34 % führen.

«Tierwohlbewegung ist gefährdet»

Der STS kämpft seit Längerem gegen «überhöhte Margen» der Detailhändler bei Label- und Biofleisch. Er möchte die Grossverteiler und Discounter über eine Branchenlösung in die Pflicht nehmen. Die Preisdifferenz von konventionellem zu Labelfleisch soll sich nur noch in einer maximalen Bandbreite bewegen dürfen. Die Wettbewerbskommission (Weko) prüft das Modell derzeit. «Es muss jetzt ein Ruck durch die Branche gehen», sagt Stefan Flückiger, Geschäftsführer Agrarpolitik des STS, auf Anfrage. Ansonsten sei die Tierwohlbewegung gefährdet.

Migros nicht begeistert

Bei den Detailhändlern löst die Studie keine Freude aus. Sie erhalte verschiedene «grundlegende methodische Mängel», was die Aussage der Ergebnisse deutlich schmälere, teilt Migros mit. «Es trifft nicht zu, dass die Migros mit Labelfleisch eine höhere Marge erzielt als mit konventionellen Produkten», so Sprecher Marcel Schlatter. Der STS kalkuliere mit «unvollständigen Zahlen». Die Durchschnittspreise der Migros seien tiefer als in den Rechenbeispielen. Grund dafür seien zahlreiche Promotionen, mit denen Migros den Absatz von Labelfleisch fördere. Einen Branchenansatz anzustreben, scheine rechtlich kaum möglich, ein solcher würde «gegen das Kartellrecht verstossen».

Coop weist auf höchsten Labelanteil hin

«Coop hat beim Fleisch weiterhin den höchsten Labelanteil im Schweizer Detailhandel und das wird auch so bleiben», so die Stellungnahme des Mitbewerbers. Der Anteil an tierfreundlicher Fleischprodukten im Sortiment sei überdurchschnittlich hoch. Bei Schweinefleisch betrage der Labelanteil beispielsweise 70 Prozent und bei Kalbfleisch 80 Prozent, dies bestätige auch die Untersuchung des STS. «Coop setzt sich bei allen Produkten für faire und marktgerechte Preise ein», hält Sprecherin Melanie Grüter fest. Zum vorgeschlagenen Branchenansatz nimmt Coop keine Stellung.

Aldi kann sich Branchenlösung vorstellen

Entspannter als die Grossverteiler sieht Discounter Aldi einen Branchenansatz. «Unter Einbezug der Wettbewerbskommission wäre eine Branchenlösung, die auch im Interesse des Tierwohls liegt, für Aldi Suisse durchaus vorstellbar», sagt Sprecher Thomas Liechti. Wie sich eine solche konkret gestalten würde, müsste natürlich noch diskutiert werden, fügt er an.