Im Detailhandel scheint man agil. Noch vor einer Woche hat die Migros gegenüber der BauernZeitung versichert, dass es trotz aufgegleistem «Fitnessprogramm» im Label-Bereich nicht zu einem Abbau kommten werde. Wenige Tage später erhalten die Label-Schweine-Produzenten von IP-Suisse die Information, dass die Migros im laufenden Jahr 10 % weniger IP-Suisse-Schweine kauft. Die BauernZeitung hat das Schreiben von einem aufgebrachten Produzenten erhalten. «Was habt ihr letzte Woche genau recherchiert?», fragt er.
Faire Märkte Schweiz ortet einen Widerspruch
Wie Stefan Flückiger, Präsident von Faire Märkte Schweiz (FMS), mitteilt, handelt es sich um 40'000 Schweine, was FMS wiederum aus dem Labelanteil von Migros gemäss Labelstatistik 2022 ableitet. «Es trifft jetzt die Labelprogramme und wird somit auf dem Buckel der Bauern - und des Tierwohls - ausgetragen» so Flückiger.
«Obwohl die Migros mit der neuen Supermarkt AG die Effizienzverbesserungen vornehmlich in den internen Strukturen angehen wollte und kein Label-Abbau stattfinden soll, wie in der Vorwoche in den bäuerlichen Medien angekündigt wurde, zeigt sich nun knallhart, dass die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und die Rentabilitätsziele in erster Linie mit mehr konventionellen Standardprodukten und tieferen Einkaufspreisen und somit auf dem Buckel der Produzenten erzielt werden soll», konstatiert Faire Märkte Schweiz.
Weit entfernt von nachhaltiger Entwicklung
Stefan Flückiger ist sicher, dass Labelprodukte Teil des nachhaltigen Konsums wären, den der Bund gemäss der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 massiv ausbauen will. «Davon ist man weit entfernt, im Gegenteil, die Entwicklung läuft in vielen Bereichen in eine andere Richtung. Die Produzenten im tierfreundlichen, nachhaltigen Bereich werden benachteiligt und erhalten anteilsmässig ungleich weniger vom Konsumentenfranken als bei konventionellen Produkten», bilanziert er.
Abbau von Labelschweinen sei kein Label-Abbau
Bei Migros ist man auf Anfrage der BauernZeitung, was die Gründe für diesen schnellen Sinneswandel sind, kurz angebunden. Gefragt danach, ob bei der Detailhändlerin die Rechte nicht wisse, was die Linke mache, oder ob es sich gar um eine Fehlinformation gehandelt habe, schreibt Marcel Schlatter, Leiter Medienstelle Migros-Genossenschafts-Bund: «Es handelt sich nicht um eine Falschinformation und steht auch in keinem Zusammenhang mit den Preissenkungen. Wie Sie bestens wissen, ist der Schweinekonsum grundsätzlich abnehmend, während wir beispielsweise beim Poulet seit Jahren ein Wachstum verzeichnen. Wie immer schon verschieben sich die Konsumgewohnheiten – was nicht bedeutet, dass wir deswegen zukünftig mehr konventionell hergestellte Lebensmittel anbieten als solche mit einem Label.»
Herausfordernd für IP-Suisse
Wie IP-Suisse-Geschäftsführer Christophe Eggenschwiler zu Protokoll gibt, sei die Kommunikation der Migros deren Sache. «Dass weniger Label-Schweine von Migros gebraucht werden, bedauern wir aber sehr. Das Schweinefleisch hat wirtschaftlich und emotional betrachtet einen hohen Stellenwert für IP-Suisse. Wir gehen hier davon aus, dass es sich um eine Reduktion bei einem Produkt handelt. Nicht mehr.»
Eggenschwiler weiss, dass dies aber kein Trost für die Schweinemäster sei. «Das wird unsere Marke, die für Mensch, Tier und Natur und deren nachhaltige Entwicklung bei der Produktion und im Konsumbereich steht, herausfordern», sagt er.
Was geht jetzt mit diesen Schweinen?
Auch wenn die Migros ein sehr wichtiger Abnehmer der IP-Suisse sei, sei sie nicht der einzige. «Wie wir es unseren Mitgliedern schriftlich mitgeteilt haben, sind wir bestrebt, neue Absatzwege zu finden, damit der Produktion von nachhaltigen und tierwohlfreundlichen Labelschweinen auch in Zukunft nichts im Wege steht», sagt Christophe Eggenschwiler und ergänzt: «Uns stehen die Absatzmöglichkeiten der nachhaltigen, hochwertigen Produkte unserer Mitglieder am Herzen und wir werden keine Ruhe geben, um diesen Verlust zu kompensieren und das Angebot an Label-Schweinen auf einem hohen Niveau zu halten.»
Abnehmer machen es den Bauern immer schwerer
Stefan Flückiger ist indes sicher, hinsichtlich Entschädigung der Mehrkosten würden die Abnehmer das Leben der Produzenten immer schwerer machen. «In der IP-Suisse-Schweinehaltung werden die Mehrkosten im Tierwohl nur zu 91% gedeckt», rechnet er vor.
Dafür würde sich die Preisschere im Laden zwischen den konventionellen und nachhaltigen, tierwohlgerechten Produkten immer weiter öffnen: «Durch die künstlich hohen Verkaufspreise in den Nachhaltigkeitssortimenten wird der Absatz gebremst.» Damit würden die preisführenden Grossverteiler gezielt die konventionelle Produktion und ihre Tiefpreissortimente fördern und so der Transformation zu einer nachhaltigen Ernährung schaden, ist der FMS-Präsident sicher.
Weniger tierwohlfreundliche Produkte im Laden
«Nun geht die schädliche Entwicklung mit dem heute angekündigten Labelabbau noch einen Schritt weiter, indem der marktführende Grossverteiler die Verantwortung den Konsumentinnen und Konsumenten übertragen will», bilanziert Stefan Flückiger.
Für FMS sei klar, dass sich die marktführenden Abnehmer gemäss ihren Versprechen und ihrer Rolle stärker für den Wandel hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen engagieren, die Nachhaltigkeitssortimente zu fairen und attraktiven Preisen anbieten und die Konsumentinnen und Produzenten für die zukunftsweisenden Sortimente gewinnen müssten.
