Der Preiskampf ist lanciert. Am Montag hat die Migros-Spitze zwischen den Regalen der Limmatplatz-Filiale in Zürich über die neue Strategie informiert. Und die ist schnell zusammengefasst: Migros senkt die Preise.
Es ist eine klare Kampfansage gegen die Discounter, die der Geschäftsleiter (CEO) der Supermarkt AG, Peter Diethelm, wortwörtlich bestätigt: «Es gibt keinen Grund mehr, im Discounter einzukaufen.» Diese Aussage beantwortete Mario Irminger, der seit Mai 2023 Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschafts-Bundes ist, mit einem verlegenen Lächeln. Vor seinem Antritt bei der Migros war Irminger CEO der Denner AG. Dort kannte man den Topmanager als Mann mit viel Verständnis für die Situation der Bauern. Ihm war das Spannungsfeld zwischen Landwirtschaft und Detailhandel sehr wohl bewusst. «Vertrauen aufbauen bedeutet letztlich Zeit und Begegnung», so Irminger im gemeinsamen Film von Denner und IP-Suisse. Es brauche viel Verständnis für die gegenseitige Situation, schien er sich damals sicher. Und heute?
140 neue Migros-Filialen sollen entstehen
Die Migros will also Topprodukte anbieten, und das zu äusserst guten Konditionen. All das mache man mit dem Fokus auf das Supermarktgeschäft, «den Kern des Kerns», wie Mario Irminger den Lebensmittelhandel nennt. Und dafür will die Migros investieren. So fliessen zwei Milliarden Franken in die Expansion des orangen Riesen. «Wir wollen näher zu unseren Kunden kommen», sagt Irminger, was sich in 140 neuen Filialen zu Buche schlagen wird. Zudem wird in die Revitalisierung von 350 Supermärkten des bestehenden Filialnetzes investiert. 500 Millionen Franken werden zudem in den kommenden Jahren in die Preise investiert – mit dem Ziel, dass die Kundinnen und Kunden von äussert konkurrenzfähigen Preisen in der Migros profitieren können.
Mario Irminger will Eigenmarken stärken
Das hat zur Folge, dass es Preissenkungen auf über 1000 Artikeln des Alltags geben wird. Es gehe um die wesentlichen Artikel – also um den Kern des Sortiments. Und genau da wolle man auf Eigenmarken setzen; mit der Begründung, dass genau das schliesslich die Herkunft der Migros sei. «Und genau das wollen wir wieder stärken», so Mario Irminger. Und das werde zulasten der Markenartikel passieren, welche die Migros in ihrem Sortiment hat. Mehr Frische und Regionalität sei gefragt. Man sei so nahe am Kunden wie kein anderer Lebensmittelhändler, ist Irminger sicher und stützt dabei auf die zehn regionalen Genossenschaften ab.
Mehr fürs Geld und einfacher einkaufen heisst also die Devise, und dafür sei man bereit, grosse, substanzielle Mittel in die Hand zu nehmen. Doch was heisst das nun für die Schweizer Bäuerinnen und Bauern?
«Es gibt keinen Grund, im Discounter einzukaufen.»
Peter Diethelm, CEO der Migros Supermarkt AG.
Man ist bei Migros kundenorientiert und denkt an die Schweizer Wirtschaft. «Die Investitionen gehen in die Preise», sagt Mario Irminger, es gehe aber nicht zulasten von regionalen Produzenten und definitiv nicht zulasten der Landwirtschaft in der Schweiz. Hier werde man sich an die Richtpreise der Branchenorganisationen halten, gibt er als Preisorientierung bekannt.
Was denkt Peter Diethelm?
Von Mario Irminger scheint die Landwirtschaft also nichts zu befürchten haben. Aber wie sieht das Ganze Peter Diethelm, der sich als CEO der Supermarkt AG schliesslich auch um den Einkauf kümmern wird? Diethelm ist sicher: Es muss billiger werden. Gefragt danach, wie es denn im Kampf um die Preise bei der Migros um die Nachhaltigkeit stehe, sagt er: «Auch die wird billiger.» Die BauernZeitung wollte von ihm wissen, wie er diesen Plan zu bewerkstelligen gedenke. «Indem man Kosten senkt», so Diethelm. «Und zwar über unsere internen Abläufe, indem wir in den grossen internationalen Markenartikeln bündeln, Migros-Supermärkte zusammen mit Denner, Migrolino und Migros online», so Diethelm. Neben dieser Effizienzsteigerung will die Migros künftig aber auch ihre Ertragserwartungen reduzieren, erklärt der CEO weiter. [IMG 2]
Und was können die Bauern erwarten?
Die Frage, ob er den Bauern versprechen könne, dass sie nichts zu befürchten hätten, beantwortet Peter Diethelm mit der Aussage, dass auch die Migros weiterhin mit den Bauern verhandeln müsse: «hart, aber fair». Dass sich der Bauer einen besseren Preis wünsche, kann Diethelm im Gespräch mit der BauernZeitung nachvollziehen. Aber unter dem Strich gebe es immer auch einen Markt. Das Richtpreissystem habe eine Form der Leitlinie, aber man stelle auch fest, dass es Bauern gebe, die immer bereit seien, zu einem tieferen Preis zu liefern. «Wir müssen alle gemeinsam schauen, dass dieses System im Lot bleibt», so Diethelm. Aber man sei nicht zuletzt aufgrund der Label sehr nahe an der Landwirtschaft. «Das geht nicht zulasten der Bauern», beteuert er.
Haben die Konsumentinnen und Konsumenten zu viel bezahlt?
Die Reaktionen auf die Orientierung der Migros-Spitze am Montag bleiben nicht aus. So fragt man sich in den Reihen der Konsumenten auf mehreren Onlineportalen: «Haben wir bislang denn zu viel bezahlt?»
Laut dem Onlineportal Nau.ch äussert Marcel Stoffel, Gründer und CEO der grössten unabhängigen Schweizer Community für die Shoppingcenter-Branche (Swiss Council of Shopping Places) Bedenken gegenüber der jüngst publizierten Tiefpreisstrategie der Migros: «Wenn ich bei Discountern wie Denner, Lidl oder Aldi einkaufe, erwarte ich günstige Preise. Bei der Migros hingegen erwarte ich als Kunde mehr – nicht nur günstige Preise, sondern auch höhere Qualität. Es ist nicht mein Anspruch, dass die Migros die billigsten Preise hat.»
Man erwarte von der Migros zwar erschwingliche Angebote, jedoch auch ein hohes Mass an sozialer Verantwortung, insbesondere in Bereichen wie Nachhaltigkeit, Kundennähe, Qualität, Fairness und Wertschätzung – Werte, die fest in der DNA der Migros verankert seien. Ob dies in einer Discount-Ausrichtung noch möglich sei, stellt er infrage.

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