Die Milch ist rar, sehr sehr rar sogar – die Verarbeiter suchen krampfhaft nach dem weissen «Gold». Besonders Molkereien, die weniger gut bezahlen, hätten Mühe, genügend Milch zu finden (die BauernZeitung berichtete). Denn die grossen Milchhändler bevorzugen Molkereien, die mehr dafür honorieren. Zur Knappheit bei der Milch trägt auch die Corona-bedingt gestiegene Nachfrage bei. Ausserdem erfolgt auch ein Anstieg bei verkäster Industriemilch.
Unter dem Vorjahr
Auch bei der Aaremilch AG liegen die Milcheinlieferungen unter dem Vorjahr. So haben die gesamtschweizerisch tieferen Produktionsmengen auch Auswirkungen auf den Milchmarkt. So schreibt die Aaremilch AG in ihrem Produzenteninfo vom Februar Folgendes: «Zu Vertragspreisen könnten aktuell jedoch deutlich höhere Mengen Milch abgesetzt werden. Die Aaremilch AG ist aktuell froh um jedes Kilo eingelieferte Milch. Wir fordern die Produzenten deshalb auch zur Produktion auf, wo dies möglich ist». Weiter im Info-Blatt heisst es, dass die Kehrseite der tieferen Milchproduktion der ständig wachsende Importdruck sei. Die Importgesuche der Firmen Nestlé, Züger und Imlig für Milch im Veredlungsverkehr seien Beleg für die «fehlende» Milch in der Schweiz.
Grosses Interesse
Die BauernZeitung hat nun bei Donat Schneider, dem Geschäftsführer der Aaremilch AG, nachgefragt, ob der Milchmangel ein gutes oder schlechtes Zeichen sei. «Das ist ein gutes Zeichen für den Milchmarkt», sagt Schneider. «Wir hatten über Jahre zu viel Milch und mussten diese als C-Milch verwerten», hält er fest. Die heutige Situation sei für die Milchproduzenten sicher besser. Trotzdem habe man aus Produzentensicht ein grosses Interesse, den Markt mit Schweizer Milch zu versorgen, wenn er diese verlangt. «Im letzten Jahr mussten die Milchverarbeiter mehr als 3000 Tonnen Butter importieren, um die Versorgung in der Schweiz sicher zu stellen. Der Bund hat eben erst das Gesuch eines Verarbeiters bewilligt, der Milch für den Veredelungsverkehr importieren will. Das sind klare Signale», sagt der Geschäftsführer. Dass die Aaremilch AG jetzt mehr Milch benötige, habe damit zu tun, dass sie überproportional vom Mengenrückgang betroffen seien. «Dabei spielt auch der massive Rückgang der Einschränkungsmilch eine Rolle», sagt Schneider. Die Käsereien können mehr Käse produzieren und liefern dadurch auch weniger Milch in den Industriekanal (was für die Käsereien ja richtig und sinnvoll sei).
Alte Tradition
Ob die Milchknappheit nur vorübergehend oder von Dauer sei, dazu hat Donat Schneider eine klare Meinung: «Ich denke, die Milchproduktion wird in der Schweiz tendenziell eher weiter abnehmen», ist er sicher. Das sei schade, denn die Milchproduktion hierzulande sei doch standortgerecht und komme fast ohne Futterimporte aus. «Wir haben sehr viel Know-how in der Milchproduktion und eine jahrhundertealte Tradition», ist der Geschäftsführer überzeugt. Die Rahmenbedingungen des Bundes benachteiligen aber die Milchproduktion gegenüber anderen Betriebszweigen. «Der Milchmarkt wurde teilweise liberalisiert und untersteht starkem Importdruck. Trotzdem wurden aber paradoxerweise auch noch die Tierbeiträge abgeschafft», ärgert er sich.
Hochachtung davor
Für die Milchknappheit sieht Donat Schneider folgende Gründe: «Die Milchproduktion ist ein komplexer, sehr arbeitsintensiver Betriebszweig, der überdurchschnittlich viel Know-how erfordert», hält er fest. «Ich habe Hochachtung vor der Leistung, welche die Milchproduzentinnen und Milchproduzenten 365 Tage im Jahr tagein tagaus erbringen. Leider geben jedes Jahr rund 600 Milchproduzenten auf und Neueinsteiger gibt es keine.» Auf die Anmerkung, dass die Bauern sicher mehr melken würden, wenn sie einen besseren Milchpreis bekämen, antwortet Schneider: «Wir sind mit den Milchpreisen nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg.»
Die Industriemilchpreise seien schweizweit die höchsten seit vielen Jahren – auch bei der Aaremilch AG. «Unsere Produzenten realisierten im Januar im Durchschnitt 62,62 Rp/kg inkl. sämtlicher Abzüge, Zuschläge und der Verkehrsmilchzulage (ohne Label). Und: Per 1. Februar konnten wir dank der guten Marktlage den Preis nochmals um einen Rappen erhöhen», freut sich der Geschäftsführer. Der Erlös beim Produzenten schwanke aber je nach Lademenge und vor allem bei den Gehalten sehr stark, was dann einen Milchpreis von unter 50 bis über 70 Rp/kg ergeben könne.
Zufrieden mit dem Absatz
Auch betreffend Konsumverhalten zeigt sich der Milchmarkt sehr unterschiedlich. Hier setze die Aaremilch AG seit einiger Zeit auf Mehrwertprogramme. «Wir sind 2015 mit klimafreundlicher Milch gestartet (notabene: Greta Thunberg kannte damals noch niemand), haben die A2-Milch in der Schweiz auf den Markt gebracht und setzten auf die Wiesenmilch von IP-Suisse», sagt Donat Schneider. Nicht zuletzt deshalb konnte die Aaremilch AG ihren Produzenten und Produzentinnen im vergangenen Jahr Labelzuschläge von mehr als zwölf Millionen ausbezahlen. Noch viel wichtiger sei aber: «In diesen Mehrwertprogrammen ist auch der Grundpreis im Markt deutlich höher, was letztlich allen Lieferanten zugute kommt – auch denen, welche in keinem Mehrwertprogramm sind», hält Schneider fest. Auch mit dem Absatz von Wiesen und A2-Milch sei man sehr zufrieden. «Wiesenmilch ist am Markt sehr gefragt. Und A2-Milch (A2-Milch oder Urmilch ist natürliche Kuhmilch, die sich in der Proteinzusammensetzung leicht von herkömmlicher Milch unterscheidet und als besonders bekömmlich gilt), ist eine neue Nische, entwickelt sich aber sehr positiv», weiss er.
Man nehme sehr erfreut zur Kenntnis, wie stark die Migros Aare auf A2-Milch setze – und das im aktuellen Mainstream von Mandel-, Soja- und Haferdrink. «A2-Milch hat ein grosses Potenzial, davon sind wir fest überzeugt», sagt Schneider.
Auch scharf kritisiert
Kürzlich wurden die Aaremilch AG und die Naturparkkäserei Diemtigtal AG aber scharf kritisiert, weil sie einen Grosslochkäse, den «Simmentaler», für die Budget-Linie der Migros produziert. «Die Migros verkaufte bisher in der Budget-Linie ausländischen Emmentaler. Andere Detailhändler wie zum Beispiel Coop führen als billige Alternative zum AOP-Emmentaler schon länger Switzerland-Swiss», hält Donat Schneider fest. Nun habe die Migros den ausländischen Käse durch Switzerland-Swiss ersetzt, was absolut sinnvoll sei. «Natürlich ist Switzerland-Swiss kein Premiumprodukt, er wird aus Silomilch hergestellt, reift in der Folie und wird deshalb in der Budget-Linie verkauft», sagt Schneider klar und deutlich.
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