Bis in vier Jahren soll in der Schweiz nur noch nachhaltige Milch produziert werden, so will es die Branchenorganisation Milch (BOM) und definierte vor einem Jahr ihre Anforderungen. Nachhaltige Milch will auch die Migros. Allerdings ist sie nicht Mitglied der BOM und hat deshalb bereits Anfang 2018 eigene Anforderungen definiert und stellt, insbesondere bei der Fütterung, strengere Regeln auf. Wie Lukas Barth, Leiter Agrarpolitik und Milchbeschaffung bei Elsa, betont: «Sind die Kriterien relevant für die Nachhaltigkeit, ist der administrative Aufwand gering und sind sie kommunizierbar.»
Vorteile der Nachhaltigkeit überwiegen
Die unterschiedliche Definition der Nachhaltigkeit bringt nun jedoch für Milchhändler und Verarbeiter mit mehreren Abnehmern einen Mehraufwand mit sich. So ist auch Donat Schneider, der Geschäftsführer der Aaremilch AG dabei, unter seinen Milchproduzenten diejenigen zu finden, welche die Anforderungen der Migros mit ihren Milchkühen erfüllen. Das ist zwar nicht allzu schwierig: «Wenn jemand nicht prinzipiell nicht will, ist es eigentlich kein grosses Problem, die Anforderungen der Migros zu erfüllen», ist er überzeugt. Insbesondere nicht bei seiner Lieferantenstruktur, der viele Grünlandbetriebe angehören. Zwar habe die Branche mit den Nachhaltigkeitsplänen einen «rechten Pflock» eingeschlagen, aber die Vorteile würden überwiegen. So kann nun die Branche den Mehrwert der Schweizer Milchproduktion gegenüber dem Ausland hervorstreichen.
So definiert die Branchenorganisation die
Im September vergangenen Jahres einigte sich die Milchbranche auf Anforderungen für die nachhaltige Milchproduktion. Die Produzenten müssen folgende Punkte erfüllen:
Tierwohl
- RAUS–BTS: Die Kühe müssen an einem der beiden (oder beiden) Tierwohlprogrammen teilnehmen.
- Kälberhaltung: Die Mindesthaltedauer auf dem Geburtsbetrieb beträgt bei allen geborenen Kälbern 21 Tage.
- Mindestmelkintervall: Kühe müssen mindestens zweimal pro Tag gemolken werden.
- Einhaltung Richtlinien ASR: Die Tierhalter, welche mit ihren Tieren an Schauen und Ausstellungen gehen, müssen sich verpflichten, die Richtlinien ASR einzuhalten.
- Keine Trächtigkeit bei Schlachtkühen: Bei Schlachtkühen muss die Nicht-Trächtigkeit gemäss der Branchenregelung Proviande eingehalten werden.
Fütterung
- Sojaschrot: Falls Sojaschrot in der Fütterung verwendet wird, muss dieses nachweislich aus nachhaltigen Quellen stammen.
- Palmfett und Palmöl: Die Fütterung der Milchkühe kommt zu 100% ohne Palmfett oder -öl aus.
Weitere Anforderungen
- Antibiotikaeinsatz: In der tiermedizinischen Behandlung dürfen ohne tierärztliche Anordnung keine kritischen Antibiotika verwendet werden, welche wegen der möglichen Resistenzbildung in der Humanmedizin umstritten sind.
- Biodiversität: Das Bundesprogramm ÖLN muss erfüllt werden. Dies heisst, dass in der Regel mindestens 7% der landwirtschaftlichen Nutzfläche besondere Leistungen zur Biodiversität erfüllen.
- Name der Kuh/Kalb: Jede Kuh hat ab Geburt einen Namen, welcher in der TVD eingetragen ist.
Zusatzanforderungen
- Ausserdem gibt es eine Liste mit weiteren Anforderungen, aus der zwei zum Betrieb passende ausgesucht werden können.
- Für die schweizweite Umsetzung gilt eine Übergangsfrist von vier Jahren. In dieser Zeit bekommen nur Produzenten den Bonus, welche die Anforderungen erfüllen.
Weitere Informationen: www.ip-lait.ch
Die Anforderungen des Milchverarbeiters
Allzu schwierig findet es auch Lukas Barth nicht, die Anforderungen der Migros zu erfüllen: «Wir haben die Basisanforderungen so definiert, dass sie von jedem Milchproduzenten mit vernünftigem Aufwand eingehalten werden können.» Elsa ist der hauseigene Milchverarbeiter der Migros. Das Programm der Migros wird seit diesem Jahr auf den Betrieben der Milchproduzenten kontrolliert und Milchhändler sowie Verarbeiter, die in den Migros-Kanal liefern, sind zertifiziert. Nur wenige Landwirtschaftsbetriebe mussten eine Ausnahmebewilligung beantragen, etwa dort, wo aufgrund der Lage des Betriebs das Weiden nicht möglich ist. Das Ziel sei es, alle Produzenten mitzunehmen, betont Barth. Wichtig sei auch, dass die Landwirte keine zusätzlichen Aufzeichnungen machen müssten, sondern den Nachweis der nachhaltigen Produktion mit den bereits vorhandenen Zahlen erbringen können. Die Datenerfassung für die nachhaltige Milch der Migros läuft über IP-Suisse. Der Datenübertrag aus der TVD kann dort bereits heute automatisiert werden, weitere Automatisierungsschritte sind geplant.
Was die Migros will
Ähnlich, aber nicht ganz gleich wie die Branchenorganisation definiert Migros ihre Nachhaltigkeitskriterien. Auch sie unterscheidet in zwingende und freiwillige Punkte, die erfüllt werden müssen. Wer Bonuspunkte sammelt, bekommt eine Jahresprämie von 300, 500 oder 1000 Franken. Folgende Anforderungen müssen erfüllt sein:
- 50% Wiesen- und Weidefutter in der Tal- und Hügelzone, 70% in der Bergzone.
- Maximal 150 g Kraftfutter pro kg Milch.
- Im Biodiversitätsprogramm der IP-Suisse mindestens 13 Punkte.
- Soja aus verantwortungsvoller Quelle.
- BTS oder RAUS.
- Verzicht auf kritische Antibiotika.
- Jede Kuh hat einen Namen.
- Die durchschnittliche Lebtagesleistung der gesamten Kuhherde liegt über 8 kg.
Freiwillige Massnahmen betreffen den Anteil Schweizer Grundfutter, die Methanreduktion mit angepasster Fütterung, die Weidedauer, die Herdengesundheitsvorsorge, sowie die Wertschöpfungskette Kälber. Diese verlangt die Besamung mit Mastrassen von 50% der Kühe, die tiergerechte Haltung, bedarfsgerechte Fütterung und Impfung der Kälber. Migros betont, dass das nachhaltige Produktionssystem auch betriebswirtschaftlich Sinn machen soll. So hätten wissenschaftliche Evaluationen ergeben, dass die angestrebten Nachhaltigkeitsmerkmale auch eine positive Wirkung auf das Betriebsergebnis hätten. Migros garantiert im Gegenzug die langfristige Zusammenarbeit mir ihren Lieferanten mit mehrjährigen Verträgen über mindestens fünf Jahre. Der Nachhaltigkeitszuschlag von drei Rappen wird für A- und B-Milch bezahlt.
Standards der BOM und der Migros
Die Aaremilch AG liefert jedoch auch Milch in den Verarbeitungsbetrieb von Elsa nach Estavayer. Dabei muss nicht jeder Liter nachhaltige Milch sein. Für die Migros gilt wie für den Branchenstandard Swissmilk Green das Mengenäquivalent. Das heisst, dass die Aaremilch AG zwar die geforderte Menge nachhaltiger Milch sammelt, allerdings nicht getrennt. Das würde das Ganze unnötig verteuern. Da das Äquivalenzprinzip für den Branchenstandard nachhaltige Schweizer Milch nur für vier Jahre gilt, hofft Donat Schneider, dass die BOM und die Migros die beiden Standards gegenseitig anerkennen. Ansonsten muss er ab dann die beiden Milchlinien getrennt sammeln. Das wäre ein wohl wenig nachhaltiger Akt in der Milchgeschichte. Vorsichtshalber sucht die Aaremilch AG die Migrosproduzenten gebietsweise westlich von Bern, im Aaretal und rund um Schwarzenburg. Dies würde im Falle eines Falles das getrennte Sammeln erleichtern. Die möglichen Produzenten wurden jüngst angeschrieben.