Die Migros und ihre Umbaupläne sind derzeit in den Medien omnipräsent. Entsprechend viel wird spekuliert und diskutiert – auch bei den Produzenten. Die Milchlieferanten der Aaremilch AG wurden an den Informationsveranstaltungen in Thun BE und in Kirchberg BE von Matthew Robin, dem Leiter der Elsa Group, informiert, was sich ändert und was nicht.
Weniger externe Kunden
Elsa als Tochterfirma der Migros sei schon immer sehr stark auf den Mutterkonzern fokussiert gewesen. So produziert Elsa bereits heute 95 % der Produkte spezifisch für die Migros, die restlichen Produkte werden ins Ausland verkauft. Dennoch soll sich der Milchverarbeiter noch stärker fokussieren. Das bedeutet, dass weniger externe Kunden beliefert und weniger Produkte hergestellt werden. «Das heisst aber nicht, dass wir weniger Milchmenge verarbeiten werden», betonte Matthew Robin. Die Migros spüre allerdings die Konkurrenz der «Harddiscounter» und müsse effizienter arbeiten. «Im Bereich der Milchprodukte gibt es allerdings schon heute keinen grossen Preisunterschied zu den Discountern», beruhigte Robin. Dies, obwohl die Migros fast nur einheimische Milchprodukte verkaufe.
Fokus auf Eigenmarken
Die künftige Ausrichtung der Migros ist hingegen klar: Dem Konsumenten soll ein einfacher Einkauf für wenig Geld geboten werden. Dazu gehört der Fokus auf Eigenmarken und konkurrenzfähige Preise. In dieses Konzept passen auch die derzeit in den Läden präsenten gelben Etiketten, die Produkte zu Tiefstpreisen auf Discounterniveau signalisieren.
Unter diesen Voraussetzungen wird in Zukunft auch der hauseigene Milchverarbeiter Elsa produzieren. «Migros ist der grösste Abnehmer der Schweizer Landwirtschaft und hat eine Verantwortung», beteuerte Matthew Robin vor den Milchproduzenten. Der Verwaltungsratspräsident der Aaremilch AG, Ruedi Bigler, betonte, man sei froh, dass man einerseits nahe bei Elsa sei, aber dadurch auch nahe bei der Migros: «Mit Elsa sind wir nahe am Ladenregal», resümierte er.
Siegeszug der Flaschennahrung
Was derzeit in den Ladenregalen los ist, das weiss Camille Meylan, Direktor der Milchprodukte bei Elsa. Unter dem Titel «Entwicklungen und Potenzial von Milch und Milchprodukten» konnte er vor allem einen grossen Sieger der vergangenen Jahre hervorheben: die Mahlzeitengetränke. Die flüssigen Mahlzeiten aus der Flasche legen seit zwei Jahren einen regelrechten Boom hin. Allgemein greift der Konsument öfter zu verarbeiteten Produkten als zur herkömmlichen Trinkmilch. Dabei stehen Produkte mit viel Protein und wenig Fett im Fokus.
Ein Produkt, das stark davon profitiert, ist beispielsweise Hüttenkäse, den die Migros vollumfänglich bei Elsa kauft. So profitiere die Milchwirtschaft derzeit vom Trend zu weniger Fleisch, denn stattdessen würden vermehrt proteinlastige Milchprodukte auf den Tisch kommen. Auch der Blick auf die neue Ernährungspyramide ist für die Milchwirtschaft eigentlich ermunternd, werden doch vermehrt Milchprodukte empfohlen, allerdings fehlt das rote Fleisch gänzlich. Entsprechend gab Ruedi Bigler zu bedenken: «Ich hoffe, die Beamten merken dann noch, dass dort, wo Milch produziert wird, automatisch auch Rindfleisch anfällt».
«Einen gemeinsamen Weg anstreben, der fair ist für alle»
Sie haben an der Infoveranstaltung der Aaremilch AG gesagt, dass es nicht gehe, dass stets neue Vorschriften erfüllt werden müssten. Haben Sie dabei an IP-Suisse und die Wiesenmilch gedacht?
Jürg Iseli: Ja, im Beispiel ging es um die Wiesenmilch, es geht aber im Allgemeinen darum, dass die Anforderungen und Vorschriften stetig steigen. Dies führt zu höheren Produktionskosten und einem zunehmenden administrativen Aufwand, ohne dass diese Mehrkosten von der nachfolgenden Wertschöpfungskette ausreichend gedeckt werden. Damit strengere Labels und zusätzliche Auflagen tragbar sind, müssen Produzenten die Möglichkeit haben, diese auch wirtschaftlich zu nutzen – sprich, ihre Mehrleistungen entsprechend vergütet zu bekommen.[IMG 2]
Ist das denn heute nicht so?
Ein Blick auf die Strategie der Detailhändler zeigt einen anderen Trend: Der Fokus liegt zunehmend auf einer Tiefpreispolitik, die Labels in den Regalen nehmen ab, da die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten stagniert. Damit die gesamte Wertschöpfungskette nachhaltig funktioniert, muss die Preispolitik konsistent sein. Es kann nicht sein, dass immer mehr Anforderungen an die Landwirtschaft gestellt werden, ohne dass die entsprechenden Mehrkosten gedeckt sind. Letztlich müssen die Anforderungen realistisch an die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten angepasst werden.
Müssten die Landwirte für ihre zusätzlichen Aufwände bei IP-Suisse besser bezahlt werden?
Auch wenn viele Konsumenten angeben, für nachhaltigere Produkte mehr bezahlen zu wollen, zeigt sich in der Praxis oft ein anderes Bild: Der Preis bleibt ein entscheidendes Kriterium, und viele greifen letztlich zu günstigeren Alternativen, weil sie sich die höheren Preise nicht leisten wollen oder können. Das bedeutet, dass die zusätzlichen Aufwände auf Produktionsseite nicht weiter steigen dürfen, wenn diese nicht entsprechend vergütet werden. Eine faire Entschädigung für strengere Produktionsauflagen ist notwendig, damit sie wirtschaftlich tragbar bleiben.
Mit der Klimamilch ist schon die nächste Stufe der Nachhaltigkeit im Entstehen. Wird der Konsument dies honorieren?
Wichtig ist, dass die Nachhaltigkeits-Anforderungen an die Produzenten mit den Bedürfnissen und der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten übereinstimmen.
Sie haben die Landwirte ermuntert, vermehrt an Veranstaltungen aufzustehen und sich zu wehren. Ist die breite Masse zu passiv?
Der Berner Bauernverband wehrt sich an allen Fronten gegen die Überregulierung. Wichtig ist aber, dass die einzelnen Betriebe dies auch tun. Wir müssen uns gemeinsam für die Anliegen der Produzenten einsetzen, um so mehr Wirkung erzeugen zu können.
Gerät die Schweizer Landwirtschaft bei der Nachhaltigkeit ins Hintertreffen, wenn sie nicht laufend die Vorschriften anpasst?
Anpassungen, Weiterentwicklung und Innovation sind immer nötig, aber als KMU können wir es uns schlichtweg nicht leisten, immer höhere Anforderungen zu erfüllen, ohne dass diese Mehraufwände entgolten werden. Die Strategie muss über die gesamte Wertschöpfungskette definiert und umgesetzt werden. Die Marktpartner müssen einen gemeinsamen Weg anstreben, der fair für alle ist.
SoFine verkauft
Die Elsa Group verkauft ihre niederländische Tochtergesellschaft SoFine an The New Originals Company, einen führenden europäischer Tofuhersteller mit Produktionsstätten in Deutschland, der Slowakei und Rumänien. Der Verkauf werde keine negativen Auswirkungen auf die Mitarbeitenden haben, teilt die Migros, die Muttergesellschaft von Elsa, mit. Die Migros fokussiere sich damit auch in den Plant-Based-Produktkategorien klar auf den Schweizer Markt, heisst es in einer Medienmitteilung.
Europäischer Markt
SoFine ist ein niederländischer Hersteller von Tofu und Sojaprodukten, der 1963 gegründet wurde und sich auf nachhaltige, biologische und gentechnikfreie Produkte spezialisiert hat. Das Unternehmen bedient Märkte in Europa, einschliesslich Deutschland, Finnland und Benelux. Darüber hinaus beliefert es Migros-Supermärkte mit einem kleinen Produktsortiment. SoFine setzt auf umweltfreundliche Produktionsmethoden und nachhaltige Verpackungen.
Fokus auf das Kerngeschäft
Die Veräusserung von SoFine erfolge im Rahmen der Fokussierung der Migros-Gruppe auf das Kerngeschäft, die das Unternehmen vor einem Jahr angekündigt hatte. Die Migros-Gruppe fokussiert sich auf die Geschäftsfelder Detailhandel, Finanzdienstleistungen und Gesundheit.