Mooh ist die grösste Milchvermarktungsorganisation der Schweiz. Täglich sind rund 80 Mooh-Lastwagen mit Milch von 3600 Milchproduzentinnen und -produzenten aus 20 Kantonen unterwegs. Vergangene Woche hielt die Genossenschaft im aargauischen Brunegg ihre Generalversammlung ab.
Die BauernZeitung wollte wissen, wer es auf dem Milchmarkt besonders gut macht, warum keine Frau in den Vorstand gewählt wurde, warum immer über die Grenzen geblickt wird und wie künftig gegen die Frühjahrs-Milchflut angegangen werden könnte. Mooh-Präsident Martin Hübscher und Geschäftsführer René Schwager gaben Auskunft.
René Schwager, Sie sind seit 25 Jahren in der Milchbranche tätig. Was ist heute besser als vor 25 Jahren?
[IMG 2] René Schwager: Mir gefällt, dass heute das Verständnis der Milchproduzenten für die Einflüsse und Kräfte des Marktes viel grösser ist. Damit verbunden auch das Bewusstsein, dass man als Milchbauer selbst mitverantwortlich ist, wie man seine Position im Markt stärkt, indem man sich entsprechend organisiert.
Und was ist denn weniger gut?
Schwager: Weniger schön finde ich, dass sich die Rahmenbedingungen für die Milchproduktion im Vergleich zu anderen Segmenten wie dem Fleisch oder dem Ackerbau so stark verschlechtert haben. Dies, weil die Milch im Gegensatz zum Fleisch und dem Getreide viel mehr den internationalen Marktkräften ausgesetzt ist.
Martin Hübscher, Sie sagten an der Mooh-Generalversammlung, dass es nicht reiche, am Stammtisch einen höheren Milchpreis fordern. Was müsste man denn stattdessen tun?
Martin Hübscher: Dass Befindlichkeiten der Basis bekannt sind, ist sehr wichtig. Am Ende braucht es aber starke unabhängige Organisationen, die sich mit sehr guten Marktkenntnissen, Argumenten und Alternativen für die Anliegen der Produzenten einsetzen. [IMG 3]
Sie konnten Markus Ritter in den Vorstand wählen lassen. Was sagen Sie zur Kritik, dass wiederum keine Frau in den Vorstand vorgeschlagen und damit gewählt wurde?
Hübscher: Die Vorschläge kommen aus den Regionen, in diesem Fall aus dem Gebiet der Miba-Genossenschaft, und waren abgesprochen mit den kantonalen Bauernverbänden aus der Nordwestschweiz. Uns ist eine Vernetzung mit den Regionen wichtig. Grundsätzlich sehen wir aber, dass Frauen gerade in Milchwirtschaftsbetrieben sehr wichtige Funktionen haben und wir auch immer mehr Betriebe haben, welche von Frauen geführt werden.
An jeder Versammlung, die in den letzten Wochen stattfand, wird über die Grenze geblickt – auch bei Mooh –, warum wird das gemacht?
Hübscher: Mehr als die Hälfte der verarbeiteten Milchmenge hat einen geringen oder wie im Käsebereich gar keinen Grenzschutz zur EU. Der Käseimport und der Veredelungsverkehr nehmen zu und wir müssen entsprechend mehr und andere Milchprodukte exportieren. Diese sind direkt vom Währungskurs und den internationalen Preisen abhängig, wie übrigens auch der B-Preis.
Warum macht man das im Biokanal nicht?
Schwager: Die in der Schweiz produzierte Biomilch wird fast vollständig in der Schweiz verbraucht. Bei der Biomilch ist der Export heute praktisch unbedeutend.
Im Export ist man nicht nur mit dem Weltmarkt konfrontiert, sondern auch mit anderen Herausforderungen.
Schwager: Um erfolgreich exportieren zu können, braucht es zuerst ein Produkt, das vom Kunden im Zielmarkt nachgefragt wird. Zweitens braucht es Kontakte oder noch besser langjährige Beziehungen zu möglichen Kunden und ein grosses Verständnis für ihre Bedürfnisse. Drittens gehört auch eine effiziente, funktionierende Lieferkette dazu. Alle drei Punkte muss man sich längerfristig erarbeiten. Wir selbst haben uns diese Kompetenzen die letzten Jahre für ausgewählte Märkte in Europa und in Asien angeeignet.
Sie haben Einbussen bei den Bestellungen von 50 bis 60 Mio kg Milch. Was sind die Gründe und wie gehen Sie damit um?
Schwager: Drei wichtige Kunden von Mooh haben aufgrund wirtschaftlicher Probleme, Marktanteilsverlusten oder einer strategischen Neuausrichtung ihre Bezugsmengen auf 2024 massiv reduziert. Entsprechend mussten wir für diese Mengen neue Absatzkanäle finden. Dies ist uns gelungen, indem wir unter anderem die Käseproduktion im Frühjahr deutlich erhöhen und neue Kanäle bei anderen Kunden erschliessen konnten.
Wieso geht es denn vielen Molkereien aktuell so schlecht?
Hübscher: Einerseits sind auch bei den Molkereien die Kosten für Energie und andere Hilfsstoffe in den letzten Jahren massiv angestiegen. Nicht alle dieser Mehrkosten konnten weiter nach vorn überwälzt werden. Die Situation für Molkereien, welche schon vorher eine schmale Ertragsbasis hatten, hat sich daher nochmals verschlechtert. Andererseits zahlen Molkereien auch für frühere Managementfehler.
Zum Beispiel?
Hübscher: Die frühere aggressive Wachstumsstrategie mit den übermässigen Investitionen von Hochdorf ist ein Beispiel dafür.
Täglich sind 80 Lastwagen für Mooh unterwegs. Wie wird das logistisch gestemmt?
Schwager: Als grösste national tätige Milchvermarktungsorganisation haben wir eine grosse Flexibilität bei der Optimierung der Milchflüsse. Unser Anspruch ist es, die Milchflüsse so zu organisieren, dass alle unsere rund 60 Kunden die gewünschte Milchmenge zur gewünschten Zeit bekommen und dabei die Transportwege über alles minimiert werden. Wir arbeiten bei der Milchsammlung mit rund 15 Transportunternehmen zusammen, koordinieren und planen aber die Milchflüsse zentral bei uns in Zürich. Dafür ist unser vierköpfiges Supply-Chain-Team zuständig.
Gehen wir zu den Projekten. Wie sieht es im Bereich des Klimaprogramms aus?
Schwager: Mooh hat das erste Schweizer Klimaprojekt, das nach dem strengen VCS-Standard zertifiziert ist, entwickelt. Beim Projekt wird dem Mineralstoff eine Mischung aus natürlichen Pflanzenextrakten beigefügt, was zu einer Reduktion der Methanemissionen führt. Aktuell haben wir rund 20 000 Kühe von Mooh-Mitgliedern, die nach den Vorgaben unseres Klimaprogrammes gefüttert werden. Insgesamt haben unsere Bauern über das Projekt im letzten Jahr rund 8000 t CO2eq eingespart.
Weiter haben Sie ein neues Projekt zum Herdenmanagement in der Pipeline. Was können Sie dazu sagen?
Schwager: Das Projekt ist tatsächlich noch in der Pipeline. Ich kann daher noch nicht mehr dazu sagen, als dass es unsere Mitglieder beim Herdenmanagement unterstützen und gleichzeitig helfen soll, in der Schweiz noch ressourceneffizienter Milch zu produzieren.
Milchpulver für Milch ist ein weiteres Projekt. Was ist das für eine Idee, die Sie da im Bereich der Tränker haben?
Hübscher: Wir haben in diesem Frühjahr aus den Milchspitzen Milchpulver herstellen lassen, welches unsere Mitglieder in den milchknappen Sommermonaten als Kälbermilchpulver zu Sonderkonditionen wieder beziehen können. Damit leisten wir einen aktiven Beitrag zur Ausregulierung der Frühjahrsmilchspitzen.
Und wie läuft es denn bei Cheezy und mit Swissmooh?
Schwager: Cheezy ist ein Onlinemarktplatz für die besten Schweizer Käse. 2023 haben wir mit Cheezy erfolgreich den Markteintritt in Deutschland gemacht. Die aktuell schlechte Konsumentenstimmung mit einer hohen Präferenz für günstige Käse ist dabei eine grosse Herausforderung.
Unter der Marke Swissmooh verkaufen wir Schweizer Käse im Hochpreissegment in Asien, speziell in China. In diesen Märkten sind die Preise im Gegensatz zu Europa während der Covid-Phase nicht angestiegen, weshalb wir im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten und lokalen Milchprodukten mit unserem Käse noch teurer wurden. Wir wirken dem entgegen, indem wir uns noch klarer in einer Hochpreisnische für gesunden Naturkäse positionieren.
Gibt es im Bereich dieser oben genannten Herausforderungen auch Ausnahmen? Oder anders gefragt: Wer macht es am besten?
Schwager: Emmi hat es in den letzten Jahren geschafft, international eine starke Marke aufzubauen und sich mit Topprodukten in wachsenden Nischen zu positionieren. Das ist genau das, was es braucht, um mit Schweizer Produkten im internationalen Markt zu bestehen. Dies verdient Anerkennung.
Wagen wir noch einen Blick nach vorne: Wie könnten wir in den nächsten Jahren besser mit diesem Schweizer Milchberg im Frühling umgehen?
Schwager: Wir erwarten, dass aufgrund unserer natürlichen Voraussetzungen und der weit verbreiteten Alpung in der Schweiz der Milchpeak im Frühjahr auch in Zukunft bleiben wird. Wenn wir vermehrt Milch aus Raufutter produzieren, dürfte er tendenziell sogar noch zunehmen. Da immer weniger Unternehmen an der Verwertung dieser Milchspitzen zu Milchpulver interessiert sind, sind entsprechende Alternativen beim Käse aufzubauen.
Und wie gehen wir in weiterer Zukunft mit der Bereitschaft der EU um, Milch zu produzieren?
Hübscher: Wenn wir weniger abhängig vom EU-Preis sein wollen, brauchen wir entweder einen stärkeren Grenzschutz bzw. eine höhere Verkäsungszulage oder eine stärkere Differenzierung unserer Produkte, sei es durch Haltung, Fütterung, Klima oder unsere bäuerlichen Familienbetriebe. Damit sind wir weniger austauschbar und können rechtfertigen, weshalb unser Milchpreis höher sein muss als in der EU.
Und noch etwas zur Protagonistin: Die Milchkuh ist die Energiesparlampe, hiess es an Ihrer GV. Können Sie uns diesen Satz besser erklären?
Hübscher: Kühe produzieren aus nicht essbarer Biomasse äusserst hochwertige Nahrungsmittel. Gerade im Grasland Schweiz können wir nur mit Kühen für den Menschen hochwertige Proteine gewinnen. Ausserdem fallen bei allen pflanzlichen Lebensmitteln im Durchschnitt pro Kilo drei Kilo nicht essbare Biomasse an. Wenn wir diese den Kühen verfüttern, haben wir weniger Food Waste. So können wir zum Beispiel pro Glas Haferdrink ein weiteres Glas Kuhmilch produzieren.
Der andere Markus Ritter
An der GV der Mooh-Genossenschaft von vergangener Woche erfolgte die Wahl eines Verwaltungsratsmitglieds für die Amtsdauer 2024 bis zur ordentlichen Generalversammlung im Jahr 2028. Gewählt wurde Markus Ritter aus Ormalingen BL (nicht zu verwechseln mit dem Präsidenten des Schweizer Bauernverbands). Der 37-jährige Landwirt mit einem HF-Abschluss bewirtschaftet einen Betrieb mit rund 75 Milchkühen, 50 Stück Jungvieh, 10 ha Silomais, 5 ha Winterweizen, 15 ha Kunstwiese und 27 ha Naturwiesen und Weiden. Er ist Miba-Vorstandsmitglied, im Verwaltungsrat der Fromagerie Miba SA, Delegierter der Region Basel bei den Schweizer Milchproduzenten (SMP), Mitglied im Landwirtschaftsrat beim Bauernverband beider Basel sowie Prüfungsexperte am Bildungszentrum Wallierhof.